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Kategorie: Zeitgeschehen
Pariser CommuneEs ist an der Zeit für einen neuen Auftrag für NATO und Bundeswehr

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sozialistische Politik war von ihren Anfängen im frühen 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg international ausgerichtet.

Der Interessensausgleich zwischen den Völkern stand neben den Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und der Überwindung der Profitwirtschaft immer im Zentrum ihrer Programme. Hingegen waren diese Linken selten bis nie typische Pazifisten, allerdings auch nie Kriegstreiber.

Johann Philipp BeckerFriedrich Engels, der Karl Marx‘ philosophische und volkswirtschaftliche Theorie ordnete und an der Bildung und Unterstützung sozialdemokratischer und kommunistischer Gruppen und Parteien beteiligt war, dachte in militärischen Kategorien. Nicht von ungefähr lautete sein Spitzname „General“. Sein, neben Marx, bester Freund war der radikale Demokrat Johann Philipp Becker, der bereits auf dem Hambacher Fest am 27. Mai 1832 die Ausrufung der Republik und die Volksbewaffnung gefordert hatte. Er beteiligte sich an den Freiheitskämpfen in seiner pfälzischen Heimat (er stammte aus Frankenthal, wo ihm 1986 aus Anlass des 100. Todestags ein Denkmal errichtet wurde) sowie in Baden und auch am „Sonderbundskrieg“ in der Schweiz. Später unterstützte er Garibaldi in Italien mit einer deutschen Legion. Er avancierte zum Oberbefehlshaber der badischen Volkswehren und war eng verbunden mit dem Kriegsminister der badischen Revolutionsregierung, Franz Sigl, der aus dem Umfeld des Freiheitskämpfers Friedrich Hecker stammte.

Sigl wanderte nach der Niederschlagung der Aufstände in die USA aus, wo er 1861 Generalmajor der Unionstruppen im US-Bürgerkrieg wurde. Er warb unter deutschen Einwanderern, die sich zu einem nennenswerten Teil aus vertriebenen Demokraten zusammensetzten, für die Sache Abraham Lincolns. Im Bundesstaat Missouri stellte er mehrere Verbände aus deutschstämmigen Freiwilligen zusammen.

Man sieht: Militärische Gewalt war bei linken Revolutionären nicht verpönt, was man auch dem Kommunistischen Manifest von 1848 entnehmen kann. Doch die Sozialisten wollten sie nicht ausschließlich als Mittel der Unterdrückung verstehen, sondern künftig vor allem als Instrument zur Befreiung. Die Geschichte der sozialen Ideen hat aber auch gezeigt, dass das Militär auch nach einer Revolution, an der sie beteiligt war, eine Eigengesetzlichkeit hervorbringt, die auf verbissene Beharrung, allenfalls auf unkritische Bewahrung ausgerichtet ist und selten auf die Infragestellung der Verhältnisse . Für mich war das 1966 Anlass, den Kriegsdienst zu verweigern. Denn die Politik der Adenauerzeit war aggressiv, anti-intellektuell und dem Kapitalismus verbunden.

Die Distanz der Linkspartei gegenüber Bundeswehr und NATO ist vor diesem Hintergrund durchaus verständlich. Unverständlich hingegen ist der dabei gezeigte Dogmatismus. Von einer modernen Linken erwarte ich, dass sie die überkommenen Parolen des Kalten Kriegs entlarvt und sich als Avantgardistin einer neuen und humanistischen Deutungshoheit versteht. WELTEXPRESSO-Kollege Heinz Markert hatte in zwei Beiträgen (https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/21674-altes-problem-der-linken-mit-recht-und-menschenwuerde; https://www.weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/21473-planetarischer-weltbezug-oder-winkel-advokatur) auf diese zu klärenden Punkte im Selbstverständnis der LINKEN hingewiesen. Denn andernfalls würden sie jede Möglichkeit an einer Regierungsbeteiligung auf Bundesebene verschenken.

Eine internationale Brigade, in einer demokratischen EU verankert, könnte eine wirksame Speerspitze sowohl gegen Potentaten á la Erdogan und islamistische Taliban als auch gegen neoliberale Globalisierer und Steuerkriminelle sein. Statt eines „Wir.Dienen.Deutschland“ kann weltpolitisch nur ein „Wir.Dienen.Internationaler.Demokratie“ Bestand haben.

Die deutsche Brigade dieser EU-Armee könnte ihre freiheitlich-demokratischen Wurzeln mit einer Strophe des Friedrich Hecker-Lieds betonen:

„Dann wird‘s, dann bleibt‘s erst gut,
wenn du an Gut und Blut
wagst Gut und Blut.
Wenn du Gewehr und Axt,
Schlachtbeil und Sense packst,
Zwingherrn den Kopf zerhackst -
brenn, alter Mut!“

Als Melodie diente damals die der Kaiserhymne „Heil dir im Siegerkranz“, welche mit derjenigen der englischen Nationalhymne „God save the Queen/King“ identisch ist.

Fotos:
Pariser Commune
©
Denkmal für den Freischärler-Kommandeur Johann Philipp Becker in Frankenthal (Pfalz)
© K.P.M.