Tierhaltung Gruene Thüringer LandtagDas bewährte moma duell im Rahmen des Morgenmagazins stellte die Studie des WWF und Ausführungen des Deutschen Bauerverbandes einander gegenüber

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es ging um die gegensätzlichen Positionen der Fleisch-GrillerInnen einerseits und der überzeugten VegetarierInnen bzw. auch FlexitarierInnen andererseits, zumal unter der Bedingung, dass die Deutschen durchschnittlich 57,3 kg Fleisch und Wurst verzehren.

Zwar sei das immerhin schon weniger, aber für Experten „noch viel zu viel“. Plädiert wird dafür, dem Biofleisch den Vorzug zu geben, da es von besserer Qualität sei. Auch stehen die Zeichen für mehr Kost aus Pflanzen, die auch pflanzliches Fett und Eiweiß liefern, Jahr für Jahr günstiger.

Fürs Klima und die Umwelt angemessener und notwendiger könnten in Anbetracht so vieler Erdbewohner der Ersten und nachrückenden Welt auch ein Zehntel sein, ohne dadurch darben zu müssen. Das Umweltbundesamt vertritt die Position einer Halbierung des Fleischkonsums. Das sei gut für die Gesundheit wie auch für den Zustand der Umwelt, was insbesondere die viel kritisierte Massentierhaltung und den Stickstoffeintrag in Böden und Gewässer angeht. Kontrahenten waren Tanja Dräger vom WWF und Bernhard Krüsken vom Deutschen Bauernverband. Auffällig ist an dieser Art Begegnungen immer wieder, wie der mächtigere Part einen intrinsischen Lobbyismus vertritt, der nur seiner Anstellung geschuldet ist.

Wie geht Ernährungswende?

Der Vertreter des Bauernverbandes gab sich als von dieser fernstehend. Es soll alles beim Alten bleiben, lediglich sekundiert von Effizienzgewinnen, was auch als weiterer Angriff auf die Natur und Umwelt „des Planeten“ (nach Tanja Dräger) verstanden werden könnte. Neuartige Verbraucherneigungen aber dürften auch berücksichtigt werden. Wer selbst hälftig aus dem Bauernstand entstanden ist, weiß um die breit aufgestellte Halsstarrigkeit der von ihrem Verband geleimten Bauern, die im Zuge der Konzentrationsprozesse Stück für Stück aus dem aktiven Dienst gedrängt wurden, ohne dass sie selbst wirklich wussten, wie ihnen da geschieht. Fleisch oder nicht Fleisch, egal, Herr Krüsken vom Bauernverband führte doch tatsächlich die Klimaeffizienz der Fleischerzeugung ins Feld. Daran erweist sich, wie Begriffsfetische, wenn sie zu Stereotypen erstarren, der Rechtfertigung von Lobby-Positionen dienen.

In der WWF-Studie ‚So schmeckt Zukunft‘ soll die „einfache Wahl“ – die gute - für Verbraucherinnen und Verbraucher im Zentrum stehen. Die Kennzeichnung im Hinblick auf Fett, Eiweiß und Zucker wie auch Tierwohlbelange und Erzeugungsbedingungen sollte nicht der Täuschung dienen, ein kurzer, kritischer Blick muss reichen, nachdem schon die Freigabe der genormten Verpackungsgrößen durch den korrupten Industrie-Kommissar Günter Verheugen, der besser in der FDP geblieben wäre, Vergleiche so gut wie unmöglich gemacht hatten. Aufsicht ist also dringlich, damit Mogelverpackungen keine Chance haben.

Ohne Umsteuern geht es nicht

Dies beruhe auf Schwarzmalerei, so der Bauernverbandsvertreter. Der WWF weiß aber, dass Zweidrittel der Treibhausemmissionen auf die Erzeugung tierischer Lebensmittel zurückgehen und gleichzeitig 75 Prozent auf die extensive Erzeugung von Kraftfutter zur Mästung der Hochleistungsrinder und ebenso gezüchteten Hochleistungsschweine, zumal auf engsten Lebensraum gedrängt (wie immer wieder gezeigt wird, mit dramatischen Folgen für das Tier), weil nicht genügend Auslauf zur Verfügung steht. Angemessen wären 25 qm für vier Schweine, zuzüglich Mutterschwein, jedoch in Gatterhaltung. Hinzu zu kommen chemo-synthetische Düngemittel für den intensiven Landanbau. Die infolge Imports von Soja-Futter (angebaut auf Grund, der mal tropischen Wald trug) anfallende Gülle sprengt jede zur Verfügung stehende Fläche von derzeit 2000 qm pro Erdenbürger/in. Mehr haben wir nicht. Also landet die Jauche vermehrt in Flüssen und im Grundwasser, weil die Landwirte die Felder ‚aus Not‘ überdüngen.

Die Rede von Effizienz ist stets verbunden mit der Extensivierung des Landanbaus, weil die Agrarindustrie, wie die Bezeichnung schon andeutet, privat- oder staatskapitalistisch betrieben wird und daher von der Umsatzsteigerung und Profitmaximierung nicht lassen kann. Während gleichzeitig die Kleinbauern des Südens und die kleinen Handelsmärkte (Stichwort überzählige Hähnchenschenkel) in die Zange genommen werden, d.h. die verschärfte internationale Konkurrenz nicht bestehen können.

Tierhaltung als Ersatz für eine abertausende Jahre alte Natur

Ist der Mutterboden, der Humus, das Substrat mal im Eimer, dann dauert es Jahrtausende, bis das wieder repariert ist, aber nur wenn nicht weiter Abbau erfolgt. Schon die Römer haben die Wetterau mehr oder weniger ausgelaugt. Jetzt sollen noch Logistikzentren entstehen. Das wirtschaftliche Kalkül will immer wieder nur Nutzen und gesteigerte Erträge aus dem Boden ziehen, es kann nicht warten oder pfleglich mit dem Bestand umgehen.
Ein Argument des Vertreters des Bauernverbandes, der mit der Futtermittelindustrie, der Agrochemie und den Großschlachtereien Kumpanei hat, ist daher, dass die Tierhaltung mit der Zufuhr durch die Mineralien- und Spurenelemente-Gewinnungsindustrie der mechanische Hebel ist, um besagte 75 Prozent Böden für die Tierhaltung in Nutzung zu erhalten, wenn nicht gar auszuweiten. Denn der klägliche Rest „absoluter Futtermittel“ sei für die Ernährung nicht geeignet. Durch Tierhaltung werden also Nährstoffkreisläufe begünstigt, aber nur in problematischer Weise.

Die Böden sind nicht beliebig vermehrbar

Es handelt sich bei der Landwirtschaft also längst um ein prekäres Geschäft auf begrenztem Boden, das eigentlich ein durchgängiges Monitoring erfordert. Wozu aber unsere Politik nicht fähig oder willens ist, weil sie den Kapitalismus dogmatisch voraussetzt, statt ihn wenigstens zu humanisieren und zu naturalisieren, was vielleicht ohnehin zur Illusion verdammt ist. Durch den mineralischen, nicht organisch gebundenen Dünger steht immer wieder noch ein weiteres ‚Optimierungspotential‘ zur Verfügung, mit Chancen auch für künftigen organischen Dünger, wenn denn der verbliebene Restbestand nicht doch unter den Druck wachsender Ertragsteigerung gerät.
Ein Argument des Bauernverbandsvertreters war auch, dass das Grünland nicht in Frage stehe. Nun ist Grünland selbst aber schon ein Zivilisationsprodukt, denn wo überwiegend Gras wächst, bleibt dem Blühstreifen kein Raum, Gras mäht alles nieder, was ihm nicht gleicht. Grünland sollte also nicht einfach nur liegenbleiben (um die Grünlandprämie für unübersehbar große Flächen im Osten abzugreifen, wie es seitens Investoren geschieht). Es sollte nicht weiter nur an die bloße Fläche gebunden sein.

Um die Biolandwirtschaft nach vorne zu bringen plädiert der WWF für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die als Lenkungsabgabe zu nutzen sei. Bioprodukte sollten mit geringeren Abgaben belastet werden. Hinzu soll eine verpflichtendes Nachhaltigkeitslabel treten, das nicht nur Tierwohl, sondern auch Umwelt, Soziales, Gesundheit einbezieht. VerbraucherInnen sollten auf einen Blick sehen können, was sie kaufen. Darauf angedockt solle eine Nachhaltigkeitssteuer werden, die über die benannten Aspekte die Hand hält. Der Vertreter des Bauernverbandes wendet sich gegen eine Strafsteuer, eine Tierwohlabgabe solle dort ankommen, „wo Tierwohl gemacht wird, nämlich beim Landwirt“, was auch der Wunsch des Verbrauchers sei. Er hält es für einen „wichtigen Schlüssel“, die Kennzeichnung über Produktionsverfahren, Herkünfte, Haltungsformen, das Ursprungsland, den Ort der Erzeugung am Produkt verzeichnet zu bekommen.

Pro Idee Umsteuern und Agrarwende kam Frau Dräger vom IWF noch auf den Punkt, dass wir ohne einfache und doch aussagekräftige Kennzeichnung im Supermarkt „teilweise Fleischerzeugnisse billiger bekommen als Gemüse, z.B. gibt es derzeit für 1,70 ein Kilo Hähnchenschenkel oder für 2 Euro 15 ein ganzes Huhn. Broccoli, Aubergine sind im Vergleich teurer und hier gilt es nachzudenken, was eine richtige Balance ist und auf welche Weise es eine Umsteuerung braucht“.

Makro: Wirtschaft in 3sat berichtete

Die Fleischproduktion nimmt weltweit zu. Ganze Regenwälder verschwinden, um Platz für den Anbau von Soja zu schaffen. Experten warnen. Tonnenweise wird das proteinreiche Futtermittel für Schweine in die ganze Welt verschifft. Fleischkonzerne gefährden damit Umwelt und Bevölkerung. Sie produzieren Unmengen an Gülle, die Dinkelhalme Gruenkerndas Grundwasser gefährden. Nitrat wird in die Umgebung ausgewaschen. Statt schnellem Wachstum ist die nachhaltige Biolandwirtschaft angezeigt.

Fazit: Glaube keinem Ökonomen, wenn er von Effizienz und Optimierung fabuliert und schwadroniert. Es geht ihm nur darum, seine dissoziative Haut zu retten und schön zu färben. Kleinere Bauern wurden und werden verdrängt durch ein rein profitorientiertes System. China importiert, statt auf eigenem Grund anzubauen. Essen wir wieder mehr Getreide auf aromatischer Grünkernbasis statt Fleisch.

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gruene-thl.de
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Info:
moma duell 07.04.2021, ZDF