Bildschirmfoto 2021 04 22 um 00.15.58Immer noch zur komplexen Regierungsbildung in Israel

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Je näher das Ende der Premier Netanyahu gewährten Frist für die Bildung der nächsten  Regierung heranrückt – ihm bleiben noch 13 Tage, um das Werk zu vollbringen - umso nervöser werden die anderen Mitspieler dieser Polit-Komödie. Am Mittwochabend gab Yamina-Chef Naftali Bennett sein Bestes, um Netanyahu die Schau zu stehlen. Hat es gereicht?

Das Prozedere ist schon fast zur Routine geworden. Zuerst melden sich israelische Politiker zu Wort und versuchen, entweder verpackt in jede Menge von Umschreibungen oder Philosophien, oder dann in einer schonungslosen Direktheit wie es brutaler nicht mehr geht, dem Volk kundzutun, was ihrer Meinung nach Sache ist.

Am Mittwochabend ging der Auftritt von Yamina-Chef Naftali Bennett über die Bühne. Die gewählte Zeit – kurz vor Ende der Haupt-TV-Nachrichtensendung «Mabat» – hätte  PR-wirkungsvoller nicht sein können, was den wahrscheinlich landesweiten elektronischen Publikums- Massenauftritt betraf.

Und von der Sache her? Bennett nannte drei Möglichkeiten: Eine stabile Rechtsregierung, eine Regierung der nationalen Einheit oder dann ein fünftes Mal innert knapp zwei Jahren ein Wahlgang. Diese Variante lehnte Bennet ab, doch gab er zu, dass sie effektiv das Einzige sei, was Netanyahu wolle: «Er will keine Regierung sondern Wahlen», sagte Bennett in einer nur notdürftig verklausulierten Anspielung auf den laufenden Bestechungsprozess, der Netanyahu mehr Mühe zu verursachen scheint als anfangs angenommen. Mit seinem Argument konnte Bennett wahrscheinlich in Kreise der israelischen Mitte-Rechtswähler Punkte sammeln.

Die von Netanyahu auch am Mittwochabend erneut ins Spiel gebrachte Direktwahl des Regierungschefs tat Bennett mit dem Begriff eines «Nagels ohne Kopf» verächtlich ab.

Fazit des Mittwoch aus medialer Sicht: Die Haupt-Streithähne Bennett und Netanyahu sind sich keinen Deut näher gekommen. Wahrscheinlich wollten sie das auch gar nicht.  Diesen Eindruck vermittelte zumindest Bennett in seinem TV-Auftritt. Wenn in den nächsten 13 Tagen nicht noch etwas Außergewöhnliches geschieht, wird der Yamina-Chef seine Drohung wahrscheinlich wahrmachen und auf eine Regierung der nationalen Einheit (ohne Bibi an der Spitze) hinarbeiten.

Das Lager, das je länge umso mehr degoutiert ist vom egozentrischen Ränkespiel des Noch-Regierungschefs, wächst zusehends. Bennett kann es sich allerdings nicht leisten, es Bibi nachzumachen und allzu offensichtlich auf Zeit zu spielen. Sonst werden nämlich die Sterne, die in der «Stunde der Wahrheit» am TV-Abend des Mittwochs am Himmel Israels aufzuleuchten begannen, sich rasch wieder hinter einer trüben Wolkenwand verziehen und dem israelischen Wahlvolk eigentlich nur noch eines übrig lassen: Den Gang in die Wüste.

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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 21. 4. 2021


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