Drucken
Kategorie: Zeitgeschehen
Bildschirmfoto 2021 04 29 um 00.55.10In dem immer mehr einer griechischen Tragikomödie gleichenden Ringen um die Nominierung eines neuen Justizministers, spielten die Beteiligten eine stets lachhaftere Rolle

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Regie führte in der tragischen Komödie, wie könnte es auch anders gewesen sein, Immer-noch-Premierminister Binyamin Netanyahu. Das Ganze reduziert sich auf die Frage: Wie lange noch? Mit seinem Zaubertrick, als Gegenkandidaten gegen den ihm verhaßten Verteidigungsminister Benny Gantz (Blauweiß) mit Ofir Akunis einen Günstling aus den eigenen Reihen vorzustellen, scheint Bibi nun auch einige Abgeordneten aus seiner Likud-Partei in Rage gebracht zu haben.

Vor allem passt es den Kritikern nicht in den Plan, dass Netanyahu die Behandlung seiner eigenen juristischen Probleme vor die Probleme des Staates, etwa der Regierungsbildung, zu setzen scheint. Das Kapitel Akunis könnte aber rascher beendet sein als es angefangen hatte, erklärte General-Staatsanwalt Mendelblitt Bibis «Wahl» doch kurzerhand für gesetzeswidrig, weil der Koalitionspartner Blauweiß ihm nicht zugestimmt habe.

Der offenbar grenzenlose Mummenschanz in der israelischen «Regierung» hatte am Dienstag seinen Ursprung im Unvermögen, sprich Unwillen der Regierungsmitglieder, der Aufforderung des Obersten Gerichts nachzukommen und noch gleichentags einen neuen Justizminister zu ernennen. Das Sachwalter-Kabinett lag sich mit Benny Gantz heillos in den Haaren. Gantz hatte nämlich gefordert, das Portefeuille des Justizministeriums, das er schon in amtierender Form versehen hatte, weiter zu behalten und es nicht Premier Nethanyahus Likud-Partei zu übergeben.

Gemäß einem am Sonntag gefällten Beschluss sollte der Oberste Gerichtshof am späteren Dienstag ein Hearing zum Thema zu veranstalten. Höchst wahrscheinlich wird das Kabinett sich ohne Beschlussfassung vertagen. Die Ämter des Justizministers und des General-Staatsanwalts sind Netanyahu schlicht, will heißen aus persönlichen Gründen (der Regierungschef ist derzeit nämlich auch noch in seinem Bestechungsprozess Angeklagter Nummer eins der Nation) zu wichtig als dass er die Finger von ihnen lassen kann. Gantz und seine Kollegen von Blauweiß bezichtigten Netanyahu des Zynismus oder sogar der Verletzung von Gesetzen, die ihm untersagen würden, als selber unter Anklage Stehender an der Formulierung von Gesetzen teilzuhaben.

Netanyahu kann den Schaden für seine eigene Person kaum noch schlimmer machen. Jeder Tag aber, an dem das Land und seine Bürger wegen seines, man kann es kaum anders nennen, egozentrischen Amoklaufs ohne eine funktionierende Regierung verweilen muss, grenzt, gelinde gesagt, schon fast an verfassungswidrigen Unsinn. Nicht umsonst hatte Rechtsberater Avichai Mendelblitt während der Kabinettsitzung gleich mehrfach lautstark auf die Illegalität der von Netayanhu vollzogener Manöver hingewiesen. Als Alles nichts zu nützen schien, fror der Oberste Gerichtshof den Wahlvorgang Netanyahus für den Justizminister kurzerhand ein. Die Debatte soll heute Mittwoch fortgesetzt werden. – In einer Woche läuft die dem Premierminister von Präsident Rivlin eingeräumte Frist zur Bildung einer Regierung ab. Zum Glück? Wer weiss...

Foto:
Benny Gantz (hinten) und Binyamin Netanyahu
©tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 28. 4. 2021