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Kategorie: Zeitgeschehen
SPUREN EINES SCHULFREUNDES AUS DDR-ZEITEN

Klaus Jürgen Schmidt

Nienburg/Weser (Weltexpresso) – Irgendwie hatte es das Organisationskomitee geschafft, meine Adresse in Afrika ausfindig zu machen. Ich erhielt die Einladung zu diesem Klassentreffen in dem sächsischen Dorf (mittlerweile mit Stadtrecht), in dem ich geboren wurde, zur Schule gegangen war, und von dem meine Familie „weggemacht hatte“ in den Westen, ebenfalls vor 50 Jahren.

Von den knapp zwanzig Frauen und Männern, die sich in der „Karl-Liebknecht-Oberschule“ trafen, war ich der einzige „Weggemachte“. Und das sollte sich als Problem erweisen. Wir hatten in gemeinsamen Erinnerungen geschwelgt und es dämmerte mir erst sehr viel später, dass ich selber ein ganz anderes Leben kennengelernt hatte als die alten Freunde, die meisten noch immer in Sachsen lebend.


Dieser Tage erhielt ich die Nachricht vom Tod eines zweiten Schulgefährten. Beide hatte ich damals wiedergetroffen, und abermals wurde mir bewusst, eigentlich nichts erfahren zu haben von ihrem Leben in jener DDR, die ich seit 1958 nur noch aus den Medien kannte.

Ich erhielt die Nachricht von einem Schulkameraden, der in loser Verbindung mit mir geblieben war. Er hatte die Zeitungsanzeige der Familie auch erst im Internet gefunden, die Verbindung der alten Schulfreunde untereinander schien ebenfalls lose geblieben zu sein.

In der Anzeige vom Januar dieses Jahres ist ausdrücklich die Rede davon, dass die Trauerfeier
„im engsten Familienkreis“ stattfinden werde.
Das überraschte mich.
2008 hatte mir mein alten Freund während meines Heimatbesuches kaum etwas Persönliches erzählt. Aber bei Gesprächen mit anderen war durchgesickert, dass er während der DDR-Zeit im Parteibezirk als hoher SED-Funktionär recht einflussreich gewesen sei. Wenn er sprach, schienen alle anderen zu verstummen.

Er hatte mich und meine Frau zu sich nach Hause zum Spargel-Essen eingeladen. Dabei hatte ich lediglich erfahren, dass er selber seit der Wende im Versicherungsgeschäft unterwegs sei, dass zwei andere Schulfreunde hohe Posten bei der Volksarmee innehatten, der eine als Politkommissar, der andere als Logistik-Offizier. Nach der Wende hätte sich der eine in exotische Welten verabschiedet, den anderen hätte die Bundeswehr wegen seiner Kenntnisse nicht von der Angel gelassen.

In der Traueranzeige fand ich diese beiden Zitate – noch von ihm selber ausgewählt?



Ein offenbar nicht unbedeutendes politisches Leben während der DDR-Zeit fand niemanden, der die guten Seiten wenigstens in einem Nachruf gewürdigt hätte?

Im Internet fanden sich dann doch noch Spuren meines alten Freundes: Leserbriefe in eben jener Zeitung, die die Todesanzeige seiner Familie veröffentlicht hatte, der jüngste eine Reaktion auf eine von dieser Zeitung dokumentierten Debatte, ob das „Ehrenmitglied“ einer regionalen Fußballmannschaft namens „Eduard Geyer“ wegen seiner Stasi-Mitarbeit den Titel verlieren solle.

Hier die wenigen politischen Spuren meines Freundes:




Foto:
© KJS

Info:
www.youtube.com/watch?v=JZD40dbxrfU
www.radiobridge.net/KJS%20Stories.html