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Kategorie: Zeitgeschehen
Armin LaschetIm Sommerinterview mit Tina Hassel macht Armin Laschet in business as usual

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Reformstau gibt Laschet immerhin zu, verweist aber gleichzeitig auf die Länderzustände - die sich jetzt nach der Flutkatastrophe umso mehr offenbaren -, an denen er selbst partizipiert. Langjährige politische Beobachter können nicht umhin, an den Typ Grüßaugust und Rheinische Frohnatur erinnert zu werden.


Tina Hassel bemüht zu Anfang die eingespielte Metapher von 16 Jahre Reformstau. Soll es denn so weitergehen? Laschet gibt den Sachverhalt teils zu, hofft aber, dass die bekannte Stabilo-Wählerschaft auf das Bewährte zurückgreift, auch nach drei Dürresommern und neuerlich aufgetretener Sintflut. Zum gefallenen Terminus Biodiversität und Biolandwirtschaft verfällt er sofort auf den eingespielten Gemeinplatz, Biolandwirtschaft und konventionellen Ackerbau nicht gegeneinander ausspielen zu wollen. Interviewerin Hassel bemängelt umgehend – wie bereits andere – dass das CDU-Klimaschutzprogramm keine konkreten Ausbaupfade oder Zeitachsen enthält. Unter Anlehnung an das Pariser Abkommen konzediert Laschet, etwas schneller werden zu wollen. An dem was er sagt, ist fast alles nur Verteidigungsrede, zum problematischen Kohleausstieg meint er nur noch, „dass der Kohleausstieg ‚jetzt kommen muss, so wie er angelegt ist‘ und das reduziert CO2 Jahr für Jahr“. Den Hambacher Forst wollte er aber fällen lassen.

Das System des europäischen Zertifikate-Handels will er komplett dem Markt überlassen. Auf den Einwand hin, dass rein der Markt es aber extrem teuer machen könne (195 Euro stehen im Raum), gesteht er ein, dass nicht alles über den Preis geregelt werden könne. „Es wird auch Ordnungsrecht brauchen“. Immerhin. Problematisch erscheint auch, dass der steigende Mineralölpreis - seinem Ansinnen zufolge - über die Pendlerpauschale auszugleichen sei. Ist denn das individuelle Pendeln der Weisheit letzter Schluss, nachdem sich so viele Firmen aus dem flachen Land zurückgezogen haben? Früher kam die Wirtschaft zu den Menschen. Immer auch wird von der CDU der Bengel Autofahrer mit spitzen Fingern angefasst. Müssen Stadtflüchtige, die jetzt aus der Wetterau anfahren, von der Gesellschaft subventioniert werden?

Die neue Abstandsregel: Tausend Meter für Windkraftwerke wurde in NRW eben erst festgeschrieben, was auch für die Umrüstung alter Anlagen gelten soll; womit jedes zweite Windkraftwerk gefährdet wäre. Dazu liefert Laschet einen Vergleich: Anhebung des Windkraftzubaus in NRW verglichen mit der Zustimmung der Grünen in Brandenburg zur 1000 Meter-Abstandsregelung im Land von Annalena Baerbock. Die Moderatorin hierauf: „Aber Herr Laschet, zur Ehrlichkeit gehört dazu, dass für eine Genehmigung für ein Windrad zwischen Genehmigung und Bau 5 Jahre sind, also da könnte man sagen, das geht noch auf die alte Regierung zurück“. Im Gegenzug redet sich Laschet auf Baden-Württemberg heraus; dieses Land sei im Ausbau am schlechtesten, während NRW ein ‚Entfesselungspaket‘ aufgemacht habe.


Immer auf der Seite der Besitzenden und große Ansprüche Machenden

Die Interviewerin lässt einen ins Interview eingespielten Reiner Wind zu Wort kommen, der sich Sorgen darüber macht, dass nach Laschets Wille die CO2-Bepreisung beim Heizen einseitig bei den Mietern verbleiben solle. Das verwundere doch sehr, da die CDU doch bei den Autofahrern über die Pendlerpauschale unmittelbar Entlastung vorsehe. Beim Heizen solle das plötzlich anders sein, obwohl die Vermieter durch eine ressourcenschonende Heizung und Dämmung ein Vielfaches über ein ganzes Segment hinweg einsparen könnten. „Warum wollen Sie die Immobilienwirtschaft schonen?“ - Laschet dazu: im Bundestag sei die 50:50-Regelung nicht mehr gelungen. Daraufhin Tina Hassel: „Aber die CDU-Fraktion hat die 50:50-Kompromißregelung gekippt“ und damit bewirkt, dass der Mieter überhaupt keinen Einfluss habe, „ob die Fenster ziehen oder die Heizung alt ist und er teuer zahlen muss“. Laschet: „Aber ein Vermieter hat keinen Einfluss darauf, wie der Mieter sich verhält“; er gesteht aber ein: „dass der Vermieter gar nix leistet, wird kaum Bestand haben“.

Immer also sind von CDU-Seite Einwände und Abwehrreaktionen die Regel, um die Interessengruppen, für die sie steht und für die sie vorzugsweise Politik macht, zu bedienen, weil das eben die Damen und Herren sind, denen die Welt gehören soll. Zu dem von Laschet zuletzt noch Zugestandenen meint sie aber: „Das ist doch ein Wort“. Laschet: „In der Kürze war keine andere Lösung möglich“. - Ob das wohl stimmt? – Immerhin setzt er noch hinzu: „Immobilienwirtschaft kann das leisten“. - Die Befragerin: Ok. – Übrigens aber hatte die Unionsfraktion auch die Vorgabe gekippt, Solardächer bei Neubauten vorzuschreiben. Fragwürdig ist auch das Unionskonzept, dass Häuser der Altersvorsorge der Vermieter dienten. Jede/r sollte so viel verdient haben, dass er von der gesetzlichen Rente seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Bei der Hausfrauenwitwe darf das als anders zu betrachten sein.


Konsequente Klimapolitik – eine nur schwer akzeptierbare Forderung für die Union

Das rührt daher, dass sie eine Partei von und für Wohlstandschauvinisten ist. ‚Klimawohlstandspolitik‘ (muss man sich auf der Zunge zergehen lassen) ist neuerdings ein Ausdruck der CDU, um zu verharmlosen, runterzuspielen und Wohlgefälligkeit, Allen wohl und niemand weh, zu verbreiten. Die Interviewerin fragt auch: „Was sagen Sie Menschen, die sagen, wir sind jetzt schon bei 1,2 Grad, wenn wir die 1,5 Grad halten wollen, haben wir nicht viel Zeit. Was würde Herr Laschet als Kanzler machen...?“ (außer, dass er meint, wir müssten schneller werden in Genehmigungs- und Planverfahren). Wer so beginnt, kann auch das Gegenteil von glaubwürdigem Umwelt- und Klimaschutz zum Ziel haben. „Wenn wir meinen, dass weniger Leute fliegen, müssen wir schneller Bahnstrecken bauen.- Es geht alles viel zu langsam“. Wer aber hat denn Bahnstrecken in großem Umfang über die Jahre abgebaut und selbst die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene hintertrieben, wie zuletzt noch CSU-Ramsauer. Laschet bürdet den Belzebub der Außenpolitik auf und redet sich mit den Klagen gegen Radschnellwege heraus. Immer muss selbstexkulpiert werden, so wie auch mit dem billigen Reden vom einen Prozent der Weltbevölkerung und einem Anteil von 2 Prozent bloß am Welt-CO2-Ausstoß, bei 200 Staaten. Wir gehören zu den Top Ten der globalen Emittenten. Internationale Anstrengungen bräuchte es sehr wohl.


Steuererhöhung – der Gottseibeiuns der Union

Wo sich doch die Millionaires for humanity für eine Vermögenssteuer ausgesprochen haben (ver.di publik 04/2021). Zumal auch die Kapitalanlagen proportional zur Verarmung der meisten der Erdbewohner in der Krise gestiegen sind. Lukas-Leon Essel, 20 Jahre alt, Stadtrat und Mitglied der Jungen Union, die Wahlkampfmotor im konservativen Rechtsüberholen in der CDU ist, wird als Fragesteller zugeschaltet: Er macht sich Gedanken als einer von denen, die in 40, 50 Jahren in die Rente eintreten und sich bange fragt: „Wer soll das alles finanzieren? Wer soll das alles bezahlen?“ - Laschet gibt die Verluste durch die Pandemie zu bedenken und spricht sich daran anknüpfend nicht dafür aus, Steuern für die, die es haben und in den Portefeuilles schlummern lassen, zu erhöhen. Ganz im Stil des Wachstumskapitalismus, der so einseitig wie dumm ist, bemüht er die Leier des Wachstums als etwas allem Voranzustellendes. Ziel sei es, Liquidität zu erhalten, wobei doch diese leer ist, wenn sie nicht mit sinnvollen Zielen ausgestattet wird. Dass die Vermögensblase mit der Schuldenblase korrespondiert, will ihm schon gar nicht in den Sinn kommen. Also keine Steuererhöhung im Sinne des Ausgleichs zwischen den Klassen. Eher noch Senkung für die, die es schon haben. Von Karl Marx ist die Sentenz überliefert: „Die Steuersenkung ist das Steckenpferd aller radikalen Bourgeoises“.

Hier wird es Tina Hassel zu bunt und sie stellt ihm eindringlich die Frage. „Aber Herr Laschet, nochmal. Wir haben gigantische Summen für Investitionen, die aufzunehmen sind und die Union sagt eben, keine Steuererhöhung und sie sagt: milliardenschwere Entlastung, Soli für oberste Einkommen und Unternehmen abschaffen - und ‚Schwarze Null‘ [bleibt] unantastbar. – Woher soll denn das Geld kommen?“

Laschet besteht auf das Reagieren mit wirtschaftlichem Wachstum (das doch auch wieder Umweltprobleme zeugt), er will aus der Kurzarbeit raus in die Vollbeschäftigung; „dass wir dadurch mehr Geld einnehmen werden“. Eine andere Antwort bestünde darin, „die Schuldenbremse fallen zu lassen“ – „dazu müssten wir die Verfassung ändern“ – „das würde wieder zu Lasten der kommenden Generationen gehen [...]“. Und eine andere Antwort könnte sein: „Steuererhöhungen - die jetzt im Moment Gift wären“. Nichts also damit, dass der Staat als Unternehmer agieren könnte und die für öffentliche Projekte aufgenommenen Schulden mit den Gewinnen und Erträgen gegenrechnen dürfte. Denn der Erfolg von Investitionen lohnt die Schulden. Das nennt man Nettoinvestitionen. *)

Die Interviewerin hält Laschet entgegen: „Die SPD wirft der Union soziale Kälte vor und der DIW hat nachgerechnet, dass Besser- und Hochverdienende profitieren, Entlastung für Geringverdiener aber weitgehend fehlen“. Das verwundert Laschet aber jetzt. Er bestätigt, dass keine Entlastung im Programm steht, weil es eben auch nicht konkret sein soll. Was dann aber tatsächlich soziale Kälte ausstrahlen würde, was er jedoch bestreitet. Sein einsilbiges Fazit lautet: „Denn es ist nicht die Zeit für Steuerentlastungen“. Das Verfassungsgericht verlange nun endlich die völlige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Dabei wäre dies doch die Signatur für steuerlich angelegte Solidarität. Laschet arbeitet mit Händen und Füssen gegen die Soli-Verlängerung und soziale Ausgleichspolitik. Das sind die Steckenpferde. Und für „Steuerentlastungen“ (gar für die untersten Einkommensgruppen) „haben wir kein Geld“. Hier zeigt sich glasklar, wie sozialpolitisch abgehoben eine Union aufgestellt ist. In Reih´ und Glied, wie beim Kommiss.

Entsprechend befragt, bekundet Laschet, dass er, wenn er die Wahl verliert, als Oppositionsführer nach Berlin kommt. Zum Stichwort Frauen, ob es die erste Bundespräsidentin geben werde, hält er sich bedeckt, da Steinmeier weitermachen wolle. Aber Parität und Diversität ist ihm ein Anliegen.

Er wird auch zu Pandemiedingen befragt. Hierzu verweist der Autor auf das in der Mediathek bereitstehende Sommerinterview. Als „großer“ Italien-Fan hat Armin Lachet den Sieg der Italienmannschaft bei der EM 2021 sehr genossen. Auf die Frage hin, ob der Wahlkampf schmutzig werde, antwortet er: „Es ist ein Epochenwechsel an dem Deutschland steht“. Er will nicht persönlich attackieren, aber hart streiten. Da offenbart sich der Rheinländer auch wieder.

Foto ©
t-online.de

Info:
Sommerinterview mit Laschet in ARD, 11.07.2021

Schon behandelt:
*) https://weltexpresso.de/index.php/messe-a-maerkte/3955-schwarze-null-oder-nettoinvestitionen

Laschet im ARD-Sommerinterview:

„Die Wundertüte für alle“

„Klimaschutz ja, aber nicht um jeden Preis. Die Steuern nicht rauf, aber auch nicht runter. Das ARD-Sommerinterview hat vor allem eines gezeigt: Unions-Kanzlerkandidat Laschet will bloß nicht anecken“.

Kristin Schwietzer, ARD-Hauptstadtstudio