Fridays for Future Demo am 13. August in Frankfurt am Main 1Lehren aus der jüngsten „Fridays for Future“-Aktion in Frankfurt

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Demo war bunt, laut und stellenweise kreativ. Aber sie machte keinem Klimakiller wirklich Angst.

Daran änderte auch der Marsch durch das Frankfurter Bankenviertel mit überwiegend faden Sprüchen nichts. „Our future ist not for sale“. Diese und ähnliche Parolen standen im seltsamen Kontrast zu dem, was vor über 50 Jahren damalige Schüler und Studenten skandierten:

„Ja, das ist Dreck
und der muss weg,
den wollen wir nicht haben.
Leute denkt um,
seid nicht so dumm,
denn sonst fressen euch die Raben.“

Die schönen Vögel mussten herhalten, weil sie so schwarz waren wie der christliche, vor allem katholische, Kapitalismus, dessen parlamentarischer Arm die CDU war. Die Industriebarone von Ruhr und Rhein, von Saar und Oberpfalz hatten bereits seit Jahrzehnten die Luft verpestet und wer dies kritisierte, legte faktisch Hand an die Grundfesten einer Gesellschaft, die auf Profit ausgerichtet war. Die Mächtigen, die seit Bismarck ihrer Sache sicher waren, ließen sich nicht hineinreden. Als Willy Brandt, der Spitzenkandidat der SPD, im Bundestagswahlkampf 1961 einen blauen Himmel über der Ruhr forderte, wurde er belächelt. Seine Rede im April 1961 in der Bonner Beethovenhalle fand selbst in der Arbeitnehmerschaft wenig Resonanz:
„Erschreckende Untersuchungsergebnisse zeigen, dass im Zusammenhang mit der Verschmutzung von Luft und Wasser eine Zunahme von Leukämie, Krebs, Rachitis, Blutbildveränderungen sogar schon bei Kindern festzustellen sind. Es ist bestürzend, dass diese Gemeinschaftsaufgabe, bei der es um die Gesundheit von Millionen Menschen geht, bisher fast völlig vernachlässigt wurde. [...] Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden!“

Willy Brandt und seine SPD verloren die Wahl. Erst nach dem Wahlerfolg von 1969 und vor allem nach dem von 1972 konnte der Schutz vor Industrieemissionen in Gesetze einfließen. Das lag auch an den 68er Protesten, welche die Systemfrage – Kapitalismus oder Sozialismus – zum ersten Mal in aller Deutlichkeit gestellt hatten. Und dass Veränderung zumindest einer revolutionären Gesinnung bedarf.
1972 hatte der „Club of Rome“ seine epochale Studie „Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht. Doch auch 49 Jahre danach scheinen weite Teile der Bevölkerung, der politischen Parteien, der Medien, aber auch der Wissenschaft (vor allem der Wirtschaftswissenschaften) noch immer nicht begriffen zu haben, was auf dem Spiel steht. Nämlich das Leben auf dieser Erde.

Wenn am Rand des Protests von „Fridays for Future“ ein Vertreter des Instituts für sozio-ökologische Forschung (ISOE) äußert, dass die roten Fahrradstreifen auf der Friedberger Landstraße in Frankfurt ein Beispiel für großen Fortschritt im Kampf gegen die Klimakatastrophe seien, ahnt man, wie weit man noch von einem Systemwechsel entfernt ist.

Leider ist auch vielen Aktivisten von „Fridays for Future“ vorzuwerfen, dass ihr Protest von allzu viel Naivität geprägt ist. Es besteht sogar die Gefahr, dass die Bewegung zu einer „Fridays of Simpletons“ retardiert. Denn Meinungen wie „Das Überleben der Menschheit hängt von der Zerstörung des Kapitalismus ab“ waren bei der Demonstration am letzten Freitag die Ausnahme. Eine beträchtliche Anzahl der „Fridays for Future“-Demonstranten sympathisiert mit den Grünen. Doch exakt diese Partei schreckt davor zurück, notwendige radikale Veränderungen überhaupt in Erwägung zu ziehen. Überspitzt formuliert scheinen sie sich mit der Gartenzwerg-Idylle im eigenen Heim am Rand der Städte zufriedengeben zu wollen.

Es lässt sich nicht mehr bestreiten, dass die Klimakatastrophe längst begonnen hat und dass es einer Revolution des Denkens und Handelns bedarf, um noch etwas retten zu können. Hierzu wird es nicht ausreichen, in nachhaltige Produkte zu investieren. Gemeinnützigkeit muss jeden Profit verdrängen. Deswegen ist deutlicher als je zuvor die Eigentumsfrage zu stellen: Wem gehören Boden, Natur, Luft, Atmosphäre und Weltall? Die einzig richtige Antwort lautet: Allen Menschen gemeinsam, niemandem allein!

Darum, liebe „Fridays for Future“-Aktive, enteignet beim nächsten Mal deklamatorisch Banken, Großunternehmen, die Eigentümer von Luxuswohnanlagen sowie sämtliche Immobilienspekulanten und setzt Termine für die Inbesitznahme. Das kleine Häuschen der Großeltern und Eltern könnt ihr außen vor lassen, es ist meistens vom Munde abgespart.

Wie heißt es doch: Und setzt ihr zu wenig Kampfgeist ein, nie wird euch die Zukunft gewonnen sein. Ein Satz von Friedrich Schiller? Oder von Karl Marx? Oder von beiden?

Foto:
Fridays for Future-Demonstration am 13.8.21 in Frankfurt am Main
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