visitberlin.deberlinDAS JÜDISCHE LOGBUCH  Ende September 

Yves Kugelmann

Berlin (Weltexpresso) - Welche Stadt steht für Europa? Zumindest in diesen Tagen vor den Wahlen in Deutschland mag es Berlin sein. Das 20. Jahrhundert vereint: Diktatur, Hauptstadt der Nationalsozialisten, Kalter Krieg, Mauerfall, heimliche Hauptstadt Europas. Die abtretende Kanzlerin Angela Merkel hat die Rolle Deutschlands international neu formuliert, mit dem Führungs- bzw. Mitspracheanspruch die deutsche Idee des multilateralen Wegs zum internationalen Taktgeber gemacht.

Mit Erfolgen und Misserfolgen. Deutschland ist heute eine der stärksten Demokratien weltweit und es wird sich in diesen Tagen zeigen, ob das System extremistische Parteien partizipieren lässt oder ausschliesst. Der Ausgang der Wahlen in Deutschland muss für Europa keine Bedeutung haben – kann aber.

Bedeutung hatte die Ära Merkel auf jeden Fall für jüdische und andere von der Mehrheit zu vermeintlichen Minderheiten definierten Gesellschaftsgruppen. Ihre Solidarität mit jüdischen Gemeinden abseits des Antisemitismusdiskurses und ihre Standhaftigkeit bei der Integration nicht christlicher Ethnien auf Augenhöhe ist für Europa zur Messlatte geworden – gerade in einem politischen Umfeld, in dem das christliche Abendland wieder vermehrt beschworen wird. Dieses Credo muss verbindlich bleiben, nicht der Willkür ausgesetzt sein. Der soziale Frieden ist mit dem Klimawandel die grösste Herausforderung der Gegenwart. Der Sonntag wird auf beides Antworten bringen.

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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 24. September 2021
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.