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Kategorie: Zeitgeschehen
gedok wupptertal.deZur Diskussion über die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) – Den meisten Menschen ist es egal, ob sie im Kapitalismus leben oder im Sozialismus, Hauptsache, es geht ihnen gut. Einen neuen Schub bekam der politische Streit darüber durch den von mittelständischen Unternehmen vorgelegten Gesetzentwurf zur Gründung von Gesellschaften mit gebundenem Vermögen (GmgV). Danach soll nicht der Profit des Unternehmers im Mittelpunkt stehen, sondern das Wohlergehen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter.

Wie wir berichteten, begrüßt die Linkspartei im Bundestag das Vorhaben. Schon Marx, Keynes und Schumpeter hätten gewusst, dass echte Unternehmer eine andere Motivation hätten als Kapitalisten, die Geld investierten und Rendite sehen wollten. Echtes Leistungseigentum müsse Unternehmern das Leben erleichtern und Kapitalisten die Möglichkeit nehmen, Firmen ihre Logik aufzuzwingen. Viele erfolgreiche Stiftungsunternehmen wie Zeiss, Saarstahl und Bosch arbeiteten bereits nach diesem Prinzip.

Kommt da ein Sozialismus auf leisen Sohlen, wie manche argwöhnen, von dem die meisten nur das im sowjetischen Machtbereich gescheiterte Zerrbild des Sozialismus vor Augen haben? Und was passiert gerade in China, wo Millionäre wie Pilze aus dem Boden schießen?  Die einen sagen, die Volksrepublik  habe sich mit der Schaffung eines neuen Eigentumsrechtes von Marx verabschiedet und formal den Schritt in den Kapitalismus getan, wie das „Handelsblatt“ vor vierzehn Jahren schrieb. Das Gegenteil behauptete die „Neue Zürcher Zeitung“ am 4. Mai 2018, der zufolge der Sozialismus und der Marxismus unter Staatschef Xi Jinping ein Comeback erlebten.

Nach Medienberichten gibt es im kommunistischen China 4.447 Millionäre, mehr als im benachbarten kapitalistischen Japan. Nach Angaben der ARD  leben in China 922 Milliardäre, ein Drittel mehr als in den Vereinigten Staaten von Amerika. Der reichste von ihnen ist Chef eines Mineralwasser-Unternehmens. Kein Wunder, dass der Kapitalismus als Lebensform immer wieder hinterfragt wird.  Albena Azmanova, eine aus Bulgarien stammende scharfe Kritikerin der kommunistischen Diktatur, die für die britische Universität Kent in Brüssel tätig ist, fällt in ihrem Buch  „Kapitalismus an der Kippe“ ein vernichtendes Urteil.  Der Kapitalismus bedrohe nicht nur die „Armen und Ausgegrenzten“, bei ihm sei „potentiell jedes Leben von Armut bedroht“,  („Süddeutsche Zeitung“, 9. 7. 22021)

Wissenschaftler am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung haben herausgefunden, dass auf das reichste Prozent der deutschen Bevölkerung rund 35 Prozent statt der wie bisher angenommen 22  Prozent des individuellen Nettvermögens entfallen. Etwa 40 Prozent vom Vermögen der Millionäre steckt in Firmenanteilen.

Als neuer Finanzminister wird Christian Lindner von den Freien Demokraten den Gesetzentwurf für Gesellschaften mit gebundenem Vermögen als einer der ersten auf den Tisch bekommen. In ihrem Wahlprogramm bekennt sich die FDP zur Grundidee des Entwurfs. „Wir setzen uns für die Einführung einer Unternehmensform für Verantwortungseigentum ein“, heißt es darin. „Immer mehr Unternehmer*innen verstehen ihr Unternehmen nicht als individuell konsumierbares Vermögen. Sie wollen, dass der Zweck ihres Unternehmens nicht dem kurzfristigen ShareholderValue dient, sondern langfristig dem Sinn und Zweck des Unternehmens.“  Oder wie Heinrich Heine es im „Wintermärchen“ beschreibt: „Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, was fleißige Hände erwarben.“

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