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Kategorie: Zeitgeschehen
kurtsudeRussische Soldaten in den Fußstapfen der deutschen Wehrmacht?

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Wenn ich mich daran erinnere, wie schnell die kriegsmüden russischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg  das letzte Stück des Vormarsches auf Berlin zurückgelegt haben, kommen mir die russischen Streitkräfte von heute wie ein müder Haufen vor, dem die Ukrainer schon in den ersten Tagen den Schneid abgekauft haben. Nach sechs Wochen hat Putins Übermacht es nicht geschafft, Kiew zu erobern.                                                                                   

Als einer der 17jährigen Soldaten der deutschen Wehrmacht, die in Berlin-Stahnsdorf ihre Ausbildung als Funker absolvierten, änderte ich mehr als einmal  nachts anhand von Berichten feindlicher Sender den Frontverlauf auf der Landkarte im Erdgeschoß des Hauptgebäudes der Kaserne, der jeden Tag anders ausgesehen hat. Wie schnell es 1945 dem Ende zuging, zeigt ein Blick auf den Kalender. Am 27. Januar befreiten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz und schon wenige Wochen später setzten sie zum Sturm auf Berlin an, wo ich schließlich in Gefangenschaft geriet.

In dieser Zeit verhielten sich die russischen Soldaten gegenüber den Gefangenen völlig korrekt. Die wenigen Zivilisten, die sich damals auf der Suche nach Essbarem auf der Straße sehen ließen, blieben unbehelligt. Wir Gefangenen bekamen die erste Verpflegung – es handelte sich um unbeschriftete Blechdosen -   in einem Barackenlager in Berlin-Ludwigsfelde, wo wir in einem riesigen Barackenlager übernachteten. Ich ergatterte eine Dose Schmalz, die ich mit einem Mitgefangenen teilte, ohne davon Schaden zu nehmen.

Ich erzähle das nicht ohne Grund. Mir sind die Berichte über Gräueltaten russischer Soldaten beim Rückzug aus einer Vorstadt von Kiew in die Knochen gefahren. Dort wurden nach Angaben ukrainischer Behörden nach dem russischen Abzug rund 300 Leichen gefunden. „Alle diese Menschen wurden erschossen“, sagte der Bürgermeister der Gemeinde Butscha, Anatoly Fedoruk. Auf den Straßen stünden Autos, in denen ganze Familien getötet worden seien, Kinder, Frauen, Großmütter, Männer. „Sie haben sie mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet.“ Inzwischen seien 280 Menschen in Massengräbern beigesetzt worden. Die ukrainische Staatsanwaltschaft teilte mit, dass seit dem Abzug der Russen in den Städten außerhalb Kiews die Leichen von 410 Zivilisten gefunden worden seien. In anderen Berichten ist die Rede davon, dass manche Getöteten mit gefesselten Händen gefunden worden seien.

Sollten sich die Schilderungen bewahrheiten, haben sich die vermeintlichen Befreier der Ukraine vom Ungeist des Nazismus als dessen gelehrige Schüler  erwiesen, die auf dem Rückzug wahllos Zivilisten getötet haben, wie ein Foto in dem Bildband „Chronik des 20. Jahrhunderts“ beweist. Die Bildunterschrift lautet: „Auf der Rückzugstraße der deutschen Truppen suchen die Bewohner von Kertsch nach Angehörigen unter den Toten.“

(Zum Foto: Chronik des 20. Jahrhunderts, S.622,  Chronik-Verlag, Herausgeber Bodo Harenberg)