tagesschau.deisraelRaam setzt wegen Unruhen auf dem Tempelberg die Koalitionszugehörigkeit für zwei Wochen aus

Redaktion tachles

Tel Aviv (Weltexpresso) -  Was für ein Glück für die aktuelle Regierung, dass die Knesset gerade im Urlaub ist und erst im Mai wieder zusammentritt. Denn nicht genug, dass Premier Bennett mit dem Überlaufen seiner Fraktionsvorsitzenden zum Likud die eine und einzige Stimme der Mehrheit, die die Koalition gegenüber der Opposition hatte, verloren hat, nun kommen die Unruhen auf dem Tempelberg und die massiven Einsätze der israelischen Sicherheitskräfte auf dem Plateau, auf dem die al-Aqsa und der Felsendom stehen, noch dazu.

Die Lage droht zu eskalieren. Der Fastenmonat Ramadan dauert noch zwei Wochen, Pessach noch diese Woche. Dann kommt die heiligste Nacht im Islam, schließlich noch der israelische Unabhängigkeitstag und vor allem noch der Jerusalem-Tag mit dem Marsch nationalreligiöser Kräfte mit Tausenden von israelischen Flaggen durch die Altstadt und den muslimischen Teil Jerusalems. Die Gefahr einer großen Explosion ist immer noch gegeben. Was im Augenblick aber geschieht, reichte schon aus, um die arabische Raam Partei, die in der Regierung sitzt, nun einen Schritt machen zu lassen, der zwar einerseits ein Kompromiss ist, andererseits das Leben von Bennett nicht einfacher macht.

Raam hat auf einen Beschluss des Schura-Rats, eines religiösen Rats, der der Partei ihre Schritte vorgibt, entschieden, die Koalitionszusammenarbeit für zwei Wochen «einzufrieren». Der Schritt wurde mit Premier Bennett abgesprochen. Er bedeutet, dass die Regierung im Augenblick eine Minderheitenregierung ist. Andererseits zeigt sich, dass Mansour Abbas, der Vorsitzende der Partei, ein pragmatischer Mann ist. Er kann als Muslim das Vorgehen der israelischen Polizei auf dem Tempelberg nicht mittragen.

Doch ihm ist klar, dass in einer Regierung Netanyahu, in der auch rechtsextreme Politiker wie Bezalel Smotrich und Itamar Ben Gvir sässen, die Lage der Palästinenser viel, viel schlimmer wäre. So hoffen nun alle, dass in 14 Tagen, wenn Ramadan und die Knessetferienzeit vorbei sein werden, die Lage sich wieder einigermassen beruhigt und Raam wieder in die Koalition zurückkehren kann. Ob diese Rechnung aufgehen wird? Oppositionsführer Netanyahu ist überzeugt, dass er schon bald wieder als alter und neuer Premier in der Balfour-Strasse sitzen wird. Die Tage von Bennett scheinen gezählt. Das glaubt zumindest die Opposition.

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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 20. April 2022