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Kategorie: Zeitgeschehen
Bildschirmfoto 2022 05 14 um 00.02.55Irrwitzige Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) - Was Putins Krieg gegen die Ukraine einerseits so  brandgefährlich und andererseits selbst für einen gutwilligen Tölpel unbegreiflich macht, ist die ihm innewohnende Irrationalität. „Das Ziel der russischen Spezialoperationen ist es“, erklärte der Präsident der Russischen Föderation  am 24. Februuar, „die Menschen zu schützen, die acht Jahre lang vom Kiewer Regimes misshandelt und ermordet wurden. Zu diesem Zweck werden wir versuchen, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren.“

Mit dieser Argumentation  lässt sich jeder beliebige Staat überfallen von dem behauptet wird, dort führten Nazis politisch die Regie. Es ist eine Art Freibrief  für die Anwendung militärischer Gewalt. Wie Putins „Spezialoperation“  in der Praxis aussieht, zeigen uns jeden Tag die Aufnahmen von bombardierten Wohnhäusern ja sogar von  Friedhöfen, auf denen Überlebende des Holocaust ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. (Siehe Weltexpresso vom 13. Mai 2022). Bereits am 18. März  hatte die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora berichtet,  dass der ehemalige Buchenwald-Häftling und Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos für die Ukraine,  Boris Romantschenko, Opfer eines Bombenangriffs auf sein Wohnhaus im ukrainischen Charkiw geworden ist.

In der jüngsten Ausgabe des Magazins „antifa“  äußert die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) sich entsetzt über das Geschehene.  „Wir sind zutiefst erschüttert und betroffen vom Tod des NS-Überlebenden Boris Romantschenko“, heißt es in einer Pressemitteilung der größten deutschen Verfolgtenorganisation. Der Getötete  habe die KZs Buchenwald, Peenemünde, Dora und Bergen-Belsen überlebt und sei nun im Rahmen des neuen Krieges in Europa getötet worden. „Als Vereinigung, die den Schwur von Buchenwald als politisches Vermächtnis und als Handlungsanleitung betrachtet und die unter anderen von Buchenwaldhäftlingen gegründet wurde,  stürzt uns diese Nachricht in tiefe Trauer.“  Mit jedem Tag, den dieser Krieg voranschreite, werde weiteres Blut vergossen. „Deshalb fordern wir: Die Waffen nieder! Der Krieg gegen die Ukraine muss sofort beendet werden. Die russischen Truppen müssen sich zurückziehen!“

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an den ehemaligen Buchenwald-Häftling Nikolaj Poljakow, mit dem mich nach dem Zweiten Weltkrieg eine kurze Brieffreundschaft verband. Von ihm erfuhr ich, dass ehemalige Soldaten der Roten Armee, die das Naziregime als Gefangene eines deutschen Konzentrationslagers überlebt haben, während des Stalin-Regimes in der Heimat erneut in ein Straflager gesperrt wurden, weil ihr Überleben als Kollaboration mit dem Feind gedeutet wurde. Dass diesem Wahnsinn 69 Jahre nach Stalins Tod, verbrämt als militärische Spezialoperation und angeführt vom Präsidenten der Russischen Förderation, Wladimir Putin,  der Wahnsinn eines kriegerischen Überfalls auf die benachbarte Ukraine folgen würde, wer hätte das je für möglich gehalten. Aber wie heißt es doch bei Friedrich Schiller: „Das  eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären.“

Foto:
Borris Romantschenko auf einem Stellplakat der Weimarer Ausstellung  DIE ZEUGEN.
Entnommen der Zeitschrift ©„antifa“, Ausgabe Mai/Juni 2022