Bildschirmfoto 2023 01 06 um 04.42.38Minister Ben-Gvirs Tempelberg-Eskapad und die Reaktionen

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Am Dienstag um 7 Uhr morgens bliesen Itamar Ben-Gvir, neugebackener Minister für Israels innere Sicherheit, und seine Gefolgschaft ihr Halali zur Jagd auf politische Punkte mit ihrer Visite auf den Jerusalemer Tempelberg. Mit dümmlichem Stolz verwiesen seine Gesinnungsgenossen auf das Ausbleiben jeglicher Unruhe trotz des frühen Beginns des ungebetenen «Besuchs» des Ministers auf dem Tempelberg. Diese Ruhe könnte schon bald noch wackliger werden, gibt es auf beiden Seiten doch nicht wenige Aktivisten, die sehnsüchtigst auf einen Anlass wie den provokativen Besuch eines israelischen Ministers auf dem Tempelberg gewartet haben.


Kommt hinzu, dass Ben-Gvir mit geschwellter Brust darauf verweisen konnte, dass bei einem letzten Besuch vor dem «Höhenflugsabenteuer» der alt-neue Premier Binyamin Netanyahu seinem Verantwortlichen für die innere Sicherheit gegenüber sagte, er könne ihn nicht am Besuch des umstrittenen Hügels im Zentrum von Jerusalem hindern. 

Damit war auf national-israelischer Seite der Weg frei für eine vorerst nur verbale Schlacht zwischen Israeli und Arabern, auch jenen erbitterten Feinden von gestern, die eigentlich nichts lieber sehen würden als eine Fortsetzung des vorsichtig eingeschlagenen Friedens- und Koexistenzkurses. Itamar Ben-Gvir hat offenbar aber anderes vor. So kam es aber, wie Ben-Gvir es sich in seinen kühnsten Träumen nicht zu erhoffen wagte: Jordanien machte den Anfang mit der Zitierung des israelischen Botschafters, um ihm die scharf formulierte Rüge für das offenbar unkontrollierte Treiben des Ministers für innere Sicherheit zu übermitteln. Andere Staaten werden folgen, wobei die Amerikaner, Franzosen und Ägypter bereits den Anfang gemacht haben.

«Ich werde den Drohungen der Hamas nicht nachgeben», frohlockte Ben-Gvir nach seiner Tempel-Visite. Muss er auch nicht, denn letztlich macht Israel seinen politischen Frieden nicht mit den Terroristen von Irans Gnaden, sondern mit Vertretern von Staaten, die Zuguterletzt zusammen mit Israel dafür sorgen wollen, dass die Pro-Iraner von allen Fronten rund um Israel endgültig vertrieben werden. Dieses Mal waren es nicht Angehörige der Jerusalemer Regierung, die sich an den Kopf griffen, sondern es waren der sefardische Oberrabbiner Yitzchak Yosef und sein Kollege Shlomo Amar, die darum baten sondern es polternd foderten: Das Gebet von religiösen Gebeten auf dem Jerusalemer Tempelberg zu politisch-religiösen Zwecken sei zu verbieten, wie es eigentlich schon lange verboten ist. Solche Vergesslichkeit kann heute unweigerlich Leben kosten.

Wollen Minister, wie Ben-Gvir oder Smotrich, im Hintergrund durch den Regierungschef gedeckt, Gewalt in Kauf nehmen? Kaum zu glauben, aber in diesen Tagen wird das Unglaubliche immer mehr zur traurigen Wirklichkeit. Aus Ben-Gvirs Büro heisst es, schon andere Minister seien auf dem Tempelberg zum Gebet gegangen. Erstens ist Ben-Gvir nicht ein unbekannter Minister X, sondern ein politisch rotes Tuch für halb Israel, drei Viertel der ganzen und praktisch der ganzen arabischen Welt. Zum anderen musste der Regierungschef erst einmal die geplante Visite in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf unbestimmte Zeit vertagen. 


Foto:
©tachles
 
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 3. Januar 2023