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Kategorie: Zeitgeschehen
canvas geldsacke Stock FotografieBedeutende Philanthropen der Diaspora warnen vor einer Gefahr für die israelische Demokratie

Redaktion tachles
 

Tel Aviv (Weltexpresso) - Sie haben unzählige Millionen gespendet, um Israel zu entwickeln und vor seinen Gegnern zu schützen. Jetzt hat sich eine Gruppe bedeutender Philanthropen in Nordamerika zusammengetan, um davor zu warnen, dass die israelische Demokratie in Gefahr ist, da die neue Regierung versucht, die Justiz zu überarbeiten und sich selbst ein Vetorecht bei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs einzuräumen.


Fünfzehn große Spender und wohltätige Stiftungen, darunter die Mitbegründerin von Birthright, Charlies Bronfman, haben am Sonntag einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie Israels Premierminister Binyamin Netanyahu auffordern, die Pläne seiner Regierung zu überdenken und in einen Dialog über die vorgeschlagenen Justizreformen einzutreten, wie sie letzte Woche vom Präsidenten des Landes, Itzchak Herzog, empfohlen wurden.

Netanyahus Regierungskoalition hat die Justizreform angesichts von Massenprotesten, die Hunderttausende Israelis auf die Straße brachten, vorangetrieben. Die vorgeschlagene Reform wurde auch von Rechtswissenschaftlern, Intellektuellen und ausländischen Politikern, darunter US-Präsident Joe Biden, kritisiert.

«Aufgrund unserer Liebe zu Israel sind wir zutiefst beunruhigt über diesen Versuch, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden, eines der wichtigsten Merkmale, die Israel zu einer der lebendigsten Demokratien der Welt machen», heißt es in dem Brief der Spender.

Zu den Unterzeichnern gehören neben Bronfman auch Adam Bronfman, die Samuel Bronfman Foundation, Lester Crown, Jeffrey Solomon, Marcia Riklis, Daniel Lubetzky, die Harry und Jeanette Weinberg Foundation, die Leichtag Foundation, Georgette Bennett, die Joyce & Irving Goldman Family Foundation, die Russell Berrie Foundation, die Joseph & Harvey Meyerhoff Family Charitable Funds, Dana Raucher und Jeremy und Anne Pava - die Gründer von Micah Philanthropies. (Raucher sitzt im Vorstand von 70 Faces Media, der Mutterorganisation von JTA.)

In dem Brief wird argumentiert, dass dem politischen System Israels viele der Kontrollmechanismen fehlen, die es in anderen Ländern gibt, wie z.B. ein Zweikammer-Parlament, so dass die Unabhängigkeit des Obersten Gerichtshofs ein wesentlicher Bestandteil der israelischen Demokratie ist. In dem Brief heisst es aber auch, dass einige Reformen am Gericht notwendig sind.

«Das einzige Gegengewicht zur Legislative und Exekutive ist eine unabhängige Justiz, die – auch wenn sie unvollkommen und verbesserungsbedürftig ist – eine entscheidende Rolle beim Schutz der Rechte und Freiheiten aller Israelis spielt und sicherstellt, dass die Gesetze des Landes fair und gerecht angewendet werden», heisst es in dem Brief.

Weiter heißt es: «Wir sind uns zwar bewusst, dass die Justizreform ein Wahlkampfthema war und dass viele Israelis für die Regierungskoalition gestimmt haben, weil sie auf Veränderungen im Justizwesen des Landes hofften, aber wir sind der festen Überzeugung, dass die Demokratie einen Diskurs erfordert. Eine schnelle Gesetzgebung ohne angemessenen Dialog kann die Kontrollmechanismen untergraben, die den Kern der israelischen Demokratie ausmachen, und die kritischen Beziehungen sowohl innerhalb Israels (zwischen Juden und zwischen Juden und Arabern) als auch zwischen Israel und der Diaspora gefährden.»

Als die am weitesten rechts stehende Koalition in der Geschichte Israels im Dezember an die Macht kam, äusserten viele jüdische Philanthropen und Gemeindeleiter privat ihre Besorgnis über die Zukunft Israels. Doch im Laufe der Zeit haben die Spannungen zwischen der israelischen Regierung und Israels Unterstützern in der Diaspora zugenommen.

In einem durchgesickerten Memo aus der Partei eines stellvertretenden Ministers in der israelischen Regierung wurden beispielsweise viele amerikanisch-jüdische Spender für die israelische Zivilgesellschaft als ruchlose Kräfte dargestellt, die israelischen Schulkindern pluralistische Werte aufzwingen wollen. Und bei Veranstaltungen amerikanisch-jüdischer Organisationen haben Netanyahu und sein Minister für Diaspora-Angelegenheiten, Amichai Chikli, Kritik an den Entscheidungen der Regierung abgewiegelt.

Der Brief ist der jüngste in einem wachsenden Stapel offener Appelle von Gruppen, die sagen, dass die vorgeschlagenen Reformen Israels Zukunft bedrohen. Ebenfalls an diesem Wochenende wurden neue Briefe von der konservativen / Masorti-Bewegung des Judentums, 200 US-amerikanischen jüdischen Wissenschaftlern und arabischen israelischen Führern verteilt.

Foto:
©canvas, Stock Photographie

Info: 
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 21. Februar 2023