Horst Seehofer und die multikulturelle Herkunft der Bayern

Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es ist etwas sehr Persönliches, was Seehofer treibt. Es ist nicht das Wohl und Wehe seines Landes, das er wie einen Besitz beansprucht, sondern eine höchsteigene Motivlage. Die Flucht der von mörderischen Verhältnissen Verfolgten und Vertrieben wird ihm zum Instrument seines schillernden, schwankenden und gleichwohl nach einer festen Größe strebenden Egos.


Zu Lasten der Geflüchteten kompensiert er eine Profilneurose, die dadurch entsteht, dass er seinen sicheren Platz in den Annalen der Geschichte noch nicht erlangt hat: es zieht ihn in die Walhalla, die Ruhmeshalle bei Donaustauf. Er kompensiert, indem er seine öffentliche Person mit beständig vorgetragenen, seltsam daher gezischelten und stets von abfälligem Grinsen begleiteten Einlassungen überformt. Zu einer Lösung im Geschichtsprozess trägt er nichts bei. Er gefällt sich in Selbstdarstellung.


Seehofer gehört in die Kategorie Erdogan- und Putin-Verschnitt, er wiegt sich im  autoritär-patriarchalischen Modus, der ihn seltsam flach und schal erscheinen lässt.


Denn eigentlich ist er in Bezug auf die Problematik der weltweiten Fluchtbewegung ein Realitätsverweigerer, ein Verdränger, der nach dem Muster vorgeht: andere - die Fremden - herabstufen, sich selbst, die Eigenen, höherstellen. Damit rückt er selbst auf der Stufenleiter der geschichtlichen Annalenschreibung nach oben. Er arbeitet daran, mit der absoluten Mehrheit von der historischen Provinzbühne abzutreten, um sich ein Nachleben zu sichern. Dazu bedarf es eines künstlich aufgezäumten Gezänks, vermischt mit einem Schuss an Vorurteilen und Ressentiments, die bei den ihm geneigten Stammtischen ankommen.


Bayern – das klassische Einwanderungsland


Was er verschweigt, obwohl er davon Kenntnis haben dürfte, ist die Tatsache, dass Bayern selbst ein altes Land der Einwanderungen ist, besonders mit Zuzügen aus dem Nahen Osten, die Bayern ansteuerten. Von den Vorleistungen des Nahen Ostens für die Entwicklung Europas ganz abgesehen. Denn das zivilisatorische Niveau Roms und des Orients hat Europa erst in der Mittleren Neuzeit wieder gerade so erreicht. Es wäre schön, wenn Seehofer diesen Stränden und Gestaden im Gegenzug etwas zurückgeben wollte, wozu er aber eines menschlichen Rucks fähig sein müsste, was er nicht ist. Er ist Provinzfürst, politisch aber ein Ausfall.


Es erschreckt übrigens, welchen Stuss bayrische Hergottswinkel-Politiker zu gegenwärtigen Themen beitragen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sondert salbadernde, schönfärberische und läppische Sentenzen zur augenblicklichen, längst absehbar gewesenen Milchschwemme ab. Einen Beitrag des Staats zu einer Lösung lehnt er ab mit dem Hinweis, die Marktwirtschaft sei gefährdet, dabei ist sie im Ackerbau längst außer Kraft. Er hat für die augenblickliche Lage nur Gestammel übrig (BR-‚quer‘ 02.06.2016). Markus Söder wird selbst nach den Sturzfluten bestreiten, dass Landschaftsversiegelung und Flussbegradigung mit zur Katastrophe beigetragen haben. Warnungen tat er bislang mit Sprüchen ab.


Bayern – das klassische Land multikultureller Einwanderung


Dass die Veteranen des Imperium Romanum, sich gern in bayrischen Landschaften niederließen, um ihren letzten Sold zu verleben, ist eine alte, zutreffende Geschichte.


Zur Aufhellung der stammesgeschichtlichen Herkunft der Bayern hatte vor etlichen Jahren schon der Ahnenforscher Fritz Josef Berthold einen Beitrag geliefert. Zur Illustrierung der frühgeschichtlichen Entwicklungen aber eignet sich besser und unterhaltsamer die glossisch angehauchte Satire von Klaus Bednarz am Ende der ARD-‚Monitor‘-Sendung vom 28.2.1999. Sie ist humorvoll angelegt und beruht auf Recherchen der wissenschaftlichen Heimatforschung.
Sprecher: “Bayern, ein Land voller Schönheit“ – es hält viel auf seine Originalität, aber diese ist aus vielen Ländern stammend zusammengesetzt. Edmund Stoiber sieht man, wie er sich mit einer Ermahnung an Asyl suchende, ganz verängstigt schauende Ausländer wendet: „...also bitte geht nach Hause, es ist ein Schaden und eine Belastung für Bayern...“. - Der Sprecher konterkariert: „Historisch gesehen allerdings sind die Bayern selbst ein Volk von Ausländern, wie renommierte Heimatforscher jetzt herausgefunden haben“. Der Heimatforscher Dr. Josef Habisreuthinger: „Wenn man sich die historischen Quellen einmal anschaut, muss man feststellen, dass es den Bayer an sich gar nicht gibt. Weil, die Bayern sind ja schon vom Ursprung her ein Mischvolk aus aller Herrgottsländern.“ Tatsächlich, Bayern ist „ein historischer Schmelztiegel“, „ein klassisches Einwanderungsland“.

Sprecher: „‘Provincia Transalpina‘, das heutige Bayern wurde zuerst besiedelt von keltischen Boiern und Illyrern aus Albanien. Mit den römischen Besatzungstruppen kamen dann vor allem Legionen aus Nordafrika und Vorderasien. Zusammen mit den durchziehenden Germanenstämmen der Osier, Vandalen und Ostgoten entstand ein multikulturelles Völkergemisch, das im 6. Jahrhundert erstmals als Bajuwaren bezeichnet wurde. Im berühmten mittelalterlichen Annolied - einem Dokument von unschätzbarem historischen Wert - werden besonders die armenischen Wurzeln der Bayern hervorgehoben“. Auszug: „Das bayerische Geschlecht war vormals gekommen aus dem hoch gelegenen Armenien“. (Monitor 18.02.1999)

Habisreuthinger: “Schaun´s, die Schwaben oder Franken, das sind schon seit Urzeiten völlig homogene Germanenstämme. Bei uns Bayern ist das ganz anders.“ Besonders an den symbolträchtigen Dingen zeige sich der „fremdländische Einfluss“.


Vieles, das Bayern ausmacht, ist mit den Einwanderern nach Bayern gekommen. „Beispiel: die Zither, das wichtigste Instrument der bayrischen Stubenmusi  [Theo Waigel wird an der Zither gezeigt]: Archäologische Funde aus Straubing um 15 v. Chr. belegen eindeutig, es waren syrische Einwanderer, die […] die Cithar über die Alpen mit nach Bayern brachten“ [auf einem Mosaik zu erkennen].- „Auch die Brezn [F.-J Strauß mit Brezn und Moaß im Bild], unerlässlicher Bestandteil jeder zünftigen Brotzeit, ist in Wirklichkeit ein römisches Legionärsgebäck“ [ein Mosaik belegt das].- „Besonders stolz sind die Bayern auf ihre Braukunst. Doch auch das Bier stammt nicht aus Bayern, sondern es handelt sich um ein Rauschgetränk aus Altbabylonien, dem heutigen Irak“. - „Sogar das Kruzifix, nicht nur für Innenminister Beckstein der Inbegriff bayrischen Glaubens, ist nichts anderes als die Darstellung einer Foltertechnik römischer Legionäre“. (Monitor, 28.2.1999)


Warum wenden sich CSU-Politiker so sehr gegen die neue Herausforderung aus der Fremde – so als ob ihnen der Leibhaftige gegenüberträte? Handelt es sich um eine unterschwellige ‚Überkompensation‘, nach dem bekannten psychoanalytischen Muster: durch Betonung des Gegenteils (des ‚Eigenen‘) das Verdrängte und Unangenehme des Fremdartigen und der Abstammung aus der Fremde vom Bewusstsein auszugrenzen, vom Bewusstwerden fernzuhalten?
Im Epilog fragt der Beitrag noch, ob denn nicht Edmund Stoiber womöglich der Nachfahre eines Syrers (genannt ‚Stoibir‘) sei und daher sein Aufenthaltsrecht in Bayern streng rechtlich gesehen eventuell noch auf wackeliger Grundlage stehe.

 

Foto: Ausländer in Bayern

 

Kommentar: Recht hat er unser Autor. Dabei hat er noch nicht einmal berücksichtigt, daß das, was heute als typisch bayrisch gilt, die Weißwurst, der Löwe, das Blau-Weiß und sogar das Oktoberfest mit Karl Theodor aus der Pfalz kam, denn 1777 übernahmen die pfälzischen Wittelsbacher das Kurfürstentum, das von Napoleons Gnaden dann 1805/06  zum Königtum avancierte, so daß schon der erste König von Bayern, Maximilian I., geboren in Schwetzingen, aus der Linie der pfälzischen Wittelsbacher kam, wie auch Ludwig I und II. Die Redaktion