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Kategorie: Zeitgeschehen

Weltexpresso veröffentlicht einen Spitzenleserbrief aus der Frankfurter Rundschau vom 12. Juli

Hans-Georg Weigel

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Während sich die Redaktionsmitglieder noch darüber echauffieren, wie man die völlig einseitige und abfällige Berichterstattung über den Frankfurter OB in seinem Verhältnis zum Kulturbegriff  in der FR über die Frankfurter Rundschau hinaus öffentlicher machen könnte - Kollegen führen sich nur ungern gegenseitig vor - , gab es längst unsere Meinung in einem FR-Leserbrief veröffentlicht, die uns der Schreiber abzudrucken erlaubte.


Tiefe Kränkung des sich selbst feiernden Bildungsbürgertums

Irgendwann muss es auch mal gut sein. Seitdem Peter Feldmann Ende 2013 seine „Thesen zur Kulturpolitik in Frankfurt am Main“ vorgelegt hat, wird den Lesern bei jeder Gelegenheit vorgeführt, wie sehr der Oberbürgermeister in seinen kulturpolitischen Betrachtungen daneben liegt. Auch wir, die nicht zu der „das Kulturleben tragenden bürgerlichen Mitte“ gehören, haben verstanden – pures Banausentum.

Jetzt hat die FR deutlich übertrieben, in drei nacheinander folgenden Ausgaben (1., 2. und 3.7.) bringt sie die alte Leier und lässt keine Gelegenheit aus, Oberbürgermeister Feldman wegen seines mittlerweile zweieinhalb Jahre alten Kulturpapiers anzugehen – das ist Zeitung von gestern und reines OB-Bashing.

Peter FeldmannKlar, die Metapher „Schmiermittel“ ist irritierend und nicht geeignet, die komplexen Zusammenhänge zwischen Kunst, Kultur und anderen gesellschaftlichen Bereichen abzubilden. Aber dennoch, diese 4. These, in der jener Schmiermittel-Begriff verwendet wird, ist überschrieben mit „Kultur ist nicht Kunst“. Und damit markiert Feldmann eine wesentliche Leitdifferenz, die insbesondere Herrn Göpfert in seinen Angriffen entgeht.

Jüngstes Beispiel ist sein Artikel unter dem Titel „Autonomie der Kunst“ (FR vom 1.7). Er zitiert Ex-OB Roth mit „Die Autonomie der Kunst ist ein erkämpfter Baustein unserer postmodernen Gesellschaft“. Diese Formulierung positioniert er umgehend gegen die „Bestrebungen aus dem OB-Büro (…), die Kultur in Frankfurt in den Dienst einer Ideologie zu stellen“. Nicht nur, dass Göpfert genau diese Leitdifferenz von Kunst und Kultur außer Acht lässt, suggeriert er die Postmoderne, zentrale Wegbereiterin des Neoliberalismus, als ideologiefrei. Das kann doch nicht sein.

Sicherlich hat Kunst einen „ästhetischen Eigensinn“ und die Freiheit der Kunst ist in der Bundesrepublik grundgesetzlich geschützt. Kommt aber Kunst mit dem Bereich der Kultur oder besser dem Kulturbetrieb zusammen, entstehen Verbindungen und Kopplungen, die diese Autonomie einschränken oder auflösen. Eine dieser wesentlichen Kopplungen (Luhmann nennt es Kommunikationen) ist Geld oder besser Steuergeld. Damit sind wir im Bereich der (Kultur-)Politik, unterschiedliche Interessen treten zutage, und hier kann man doch mal streiten, welche Verknüpfungen zwischen Sozial- und Kulturpolitik denkbar sind.

Von Bebenburg geht einen Schritt weiter, bezieht er sich in seiner Berichterstattung über den Beitrag von Schauspiel-Intendant Oliver Reese beim hessischen Sozialforum ausschließlich auf dessen kritische Äußerungen zu Feldmanns Kulturbegriff („Zu reich für arme Kinder“, FR vom 4.7.). Von Bebenburg greift fünf Sätze aus einem 45-minütigen Beitrag, in dem Reese in einem spannenden, kulturell-sozialen „Cross-Over“ die sozialen und kulturellen Disparitäten und Paradoxien in der Stadt Frankfurt aufzeigt. Kein Wort davon in von Bebenburgs Artikel, stattdessen wieder OB-Bashing. Das ist keine Berichterstattung, sondern Meinungsmache.

Fast scheint es, als könnten die selbsternannten kulturellen Eliten der Frankfurter Stadtgesellschaft nicht ertragen, dass einer, ausgerechnet der OB, sich bewusst exkludiert und deutlich macht, in dieser Stadt gibt es auch noch anderes zu tun. Wie tief muss diese Kränkung im sich selbst feiernden Bildungsbürgertum sitzen, wenn man immer wieder auf die gleiche Stelle prügelt. Oder plagt das Versäumnis, dass Schwarz-Grün weder den freien Eintritt für Kinder und Jugendliche in die Frankfurter „Leuchttürme“ der Kultur noch ein Kinder- und Jugendtheater oder gar eine angemessene Ausstattung der freien Kulturszene angestrebt, geschweige denn umgesetzt haben? Da hätte ich bei so viel bildungsbürgerlicher Intellektualität mehr Souveränität erwartet.



Foto:
Frankfurts OB Peter Feldmann (SPD) wird das Wort von der Kulturpolitik als „Schmiermittel“ nicht los (c) Michael Schick/FR

Info:
Abdruck des in der FR und dem frblog.de veröffentlichten Leserbriefs mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.  Es gibt bisher acht, übrigens ausnahmslos zustimmende Kommentare zu diesem Leserbrief auf der Blog, deren Genehmigung wir uns nicht einholten und deshalb nicht veröffentlichen. Zitate aus den Leserbriefen, die von „Dumpfplauderei von Herrn Göpfert“, bis „Selbstgefälligkeit“ dieser Kreise, die „der neuen Kulturdezernentin 'eine Chance' geben wollten. Zu gütig.“

Interessant auch, wie der inkriminierte, von OB Feldmann benutzte Ausdruck  'Kultur als soziales Schmiermittel' in einem Leserbrief gewertet wird: „Niemand hat die Bildende Kunst stärker als Schmiermittel für private und politische Interessen missbraucht als die dem Grosskapital (zuge-)hörigen neoliberalen Kreise der Petra Roth.“ Dort heißt es auch weiter: „Dabei darf und muss Kulturim Kern elitär sein, so lang ejedem die Teilnahme möglich gemacht wird. Bitte aber nicht im Semmel-(rothschen) Sinne von 'Brot und Spiele'.“

Ein anderer äußert: „Das ist keine Berichterstattung, sondern Meinungsmache.“