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Kategorie: Zeitgeschehen

Die „Junge Freiheit“ reaktiviert Weltbilder, die in die Katastrophen von 1933 bis 1945 führten

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Staatsrechtler Carl Schmitt gilt als einer der geistigen Vorbereiter des NS-Staats und war gewissermaßen dessen Kronanwalt.


Er ersetzte die aus wissenschaftlicher Erkenntnis und Abwägung herrührenden klassischen Staats- und Rechtsmodelle durch das Fürwahrhalten politischer Vorurteile. Statt demokratischer Teilhabe aller Bürger plädierte er entschieden für einen Ständestaat und ein Freund-Feind-Denken, das von der Ab- und Ausgrenzung innerer und äußerer Gegner geprägt war. Letztere waren gekennzeichnet durch die Zugehörigkeit zu von ihm nicht akzeptierten Kulturen und Rassen bzw. die Zustimmung zu humanistischen, vor allem sozialistischen Überzeugungen. Anstelle von Gemeinwohl, Parlamentarismus, Solidarität und Rechtsstaatlichkeit setzte er die „nationale Identität“. In seiner Schrift „Der Begriff des Politischen“ hat er das im Detail beschrieben und dies sogar für eine intellektuelle Revolution gehalten. Stattdessen wurde dieses Pamphlet jedoch zu einer Offenbarungsschrift der politischen Unmoral.

So überrascht es vermutlich niemanden, dass dieser Kronanwalt des Unrechtsstaats zu den Leitfiguren der Zeitung „Junge Freiheit“ (im Folgenden JF genannt) zählt. Die wurde 1986 als Jugendorgan der „Freiheitlichen Volkspartei“ in Freiburg/Breisgau von Dieter Stein gegründet, der heute noch als ihr Chefredakteur zeichnet. Neben dieser rechtskonservativen bis offen rechtsradikalen Partei, die 1992 von der politischen Bühne verschwand, fand die JF ihre Leser und Abonnenten anfangs in konservativen und rechten Burschenschaften. Durch einen geschickten Anzeigentausch machte die eine die andere Seite populär, was inhaltlich kein Problem zu sein schien, denn offensichtlich handelte es sich um Brüder im Ungeiste.

Laut Herausgeber und Chefredakteur Dieter Stein fehle in der Bundesrepublik eine „rechte parlamentarisch orientierte Alternative, die die Leerstelle im deutschen Parteiensystem rechts von CDU/CSU“ besetze. Es sei die Aufgabe der JF, an der Bildung einer solchen Alternative mit publizistischen Mitteln mitzuwirken. Ganz offen setzte und setzt er sich für Installierung einer „kulturellen Hegemonie“ ein; ein Konzept, das er von dem Marxisten Antonio Gramsci (1891 - 1937) übernahm, dabei aber die ideologischen Vorzeichen änderte. Erst wenn die Meinungsführerschaft errungen sei, könnten extrem rechte Parteien erfolgreich sein und sich vor allem Chancen bei Wahlen versprechen. Die kulturelle Hegemonie müsse der politischen Macht vorangehen - die dann mutmaßlich als erstes freie Wahlen abschaffen würde.

1993 betrieb die JF Abonnentenwerbung mit dem Slogan „Jedes Abo eine konservative Revolution“. Damit bezog sie sich auf jene Strömung in der Weimarer Republik, die entschieden antiliberale, antidemokratische und antiegalitäre Züge trug. Das erklärte Ziel war der Sturz der Weimarer Republik. Ihr Wortführer war Arthur Moeller van den Bruck (der Titel seines Hauptwerks lautet bezeichnenderweise „Das dritte Reich“), an seiner Seite Ernst Jünger („In Stahlgewittern“), Oswald Spengler („Der Untergang des Abendlands“), Hugo von Hofmannsthal („Jedermann“) und nicht zuletzt Carl Schmitt. Nach 1945 wurde die „Konservative Revolution“ durch einen ihrer Anhänger, Armin Mohler, wieder salonfähig zu machen versucht. Mohler war auch zeitweilig als Autor in der JF zu finden; allerdings scheint ihn Dieter Stein einem nach außen notwendig gewordenen Wohlverhalten geopfert zu haben; denn die Zeitung wurde Ende der 90er Jahre vom Verfassungsschutz beobachtet. Inhaltliche Übereinstimmung gibt es auch mit den faschistischen Theorien Alain de Benoists (Aufstand der Kulturen“), dem maßgeblichen Ideologen der französischen Rechten.

Helmut Kellershohn vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) sah in der Mehrheit der JF-Redakteure „Exponenten einer breiten Strömung im Übergangsfeld zwischen Rechtsextremismus und Rechtskonservatismus“. Die JF versuche erkennbar bisherige Themen und Positionen des traditionellen konservativen Spektrums in Richtung eines völkischen Nationalismus zu verschieben und diesen als die neue konservative Normalität auszugeben. Ein anderer Forscher, Armin Pfahl-Traughber, sieht in der JF einen Teil der extremen Rechten mit intellektuellem Anspruch.

Dem Ziel der Meinungsführerschaft versucht die JF durch die Abhaltung von Seminaren, als „Sommeruniversität“ bezeichnet, nach dem Vorbild der „Juni-Klubs“ von Moeller van den Bruck näher zu kommen. Unverhohlen wird zugegeben: „Nach dem Vorbild des Politischen Kollegs der zwanziger Jahre bieten Repräsentanten verschiedener konservativer Richtungen Material für künftige Führungskräfte in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.“

In der JF wird entsprechend den erwähnten Vorbildern die Nation nach völkisch-rassistischen Kriterien definiert. Sie rechtfertigt den „starken Staat“ als Instrument der herrschenden und besitzenden Klasse, überhöht den Begriff des Volks im Sinn eines Kollektivs und betreibt die Heroisierung des „Volksgenossen“ als patriotischen und „anständigen“ Deutschen. Dem gegenüber entwirft sie Bilder vom inneren Feind, der u.a. als Unangepasster, vor allem als Fremder in Erscheinung tritt und als Sündenbock für alles herhalten muss. In diesem Zusammenhang sieht sie in der angeblichen Überfremdung ein Indiz für das Aussterben des deutschen Volks. Migrantenfamilien mit mehreren Kindern werden der einheimischen Kleinfamilie, gar den Singles, als Warnung gegenübergestellt. Dass die Wandlung der Familie im Kontext der arbeitsteiligen und hochproduktiven Gesellschaft zu bewerten ist, wird von diesen Rechtfertigern völkischer Homogenität nicht gesehen. Kann es auch nicht, denn ihr Volks- und Staatsverständnis hat den deutschnationalen Plunder aus den Zeiten der preußischen Anti-Napoleon-Politik nicht verarbeitet und nicht überwunden.

Da ist es auch nicht verwunderlich, dass JF-Sprüche insbesondere bei den besonders Armen im Geiste, den rechten Totschlägern und Mördern, gefragt sind. Kaum eine Neonazi-Aktion kommt ohne den Aufkleber „Achtung. Sie verlassen jetzt den politisch korrekten Sektor“ aus, der häufig in trauter Nachbarschaft zu Hakenkreuzen und den diversen Hassparolen der „Identitären“ sowie der „Querfront“ an Laternenpfählen und Verkehrsschildern prangt. Diese Klientel wähnt sich im so genannten „Vorbürgerkrieg“ und versteht sich als neu SA im Kampf gegen den „Multikulturalismus“. Den Segen der Brüder und Schwestern vom gleichen Ungeist erhalten die JF-Sturmtruppen dann von Hetzblättern wie dem „Wetzlarer Kurier“ des CDU-Rechtsaußen Irmer.

Gerade im Zusammenhang mit der JF gilt die alte Erkenntnis: Sage mir, was du liest, und ich sage dir, wer du bist. Im konkreten Fall ein brutaler Dummkopf.