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Kategorie: Zeitgeschehen

Oberbürgermeister Peter Feldmann und der von ihm eingeladene Ehrengast Daniel Cohn-Bendit

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) -  Im letzen Jahr wurden die gewaltigen 25 Jahr- Feiern in Frankfurt und demgemäß natürlich ebenfalls im Römer und in der Paulskirche abgehalten. Aber auch in diesem Jahr war die Paulskirche voll. Hintergrund war ein stadtpolitischer Eklat. Dazu gleich mehr. Im Rahmen des Festaktes zum Tag der Deutschen Einheit in der Paulskirche betonte Oberbürgermeister Peter Feldmann „Europa ist unsere gemeinsame Geschichte. Europa ist unsere gemeinsame Zukunft.“

In seinem engagierten Plädoyer hob er hervor, dass Frankfurt aufgrund seiner Internationalität neben Brüssel und Straßburg die dritte europäische Hauptstadt sei. Feldmann hierzu: „Neben der heutigen Europäischen Zentralbank, zahlreichen weiteren europäischen Institutionen und dem zentralen Verkehrsdrehkreuz – dem Flughafen- muss man auch große Denker, wie Johann Wolfgang von Goethe, nennen, die den europäischen Gedanken getragen und früh Frankfurts Stellung in Europa geprägt haben.“

Freiheit und Wohlstand, so Feldmann,sei nur durch ein geeintes, ein solidarisches Europa möglich. „Ich halte es für essentiell, dass wir uns dies am 3. Oktober bewusst machen. Kein anderer Feiertag ist dafür so geeignet wie der Tag der Deutschen Einheit“, sagte das Stadtoberhaupt und betonte : „Wir stehen heute vor gewaltigen Herausforderungen: Klimawandel, Terror, Rechtspopulisten, Bankenkrise, demographische Entwicklung, Migrationsbewegungen. Sie betreffen uns alle und sie treffen Frankfurt als zentrale Stadt im Herzen Europas besonders.“

Er könne verstehen, wenn Bürgerinnen und Bürger vor diesem Hintergrund verunsichert und verängstigt seien, jedoch sei die richtige Antwort darauf Europa zu stärken und zu demokratisieren. „Europa ist unsere gemeinsame Geschichte. Europa ist unsere gemeinsame Zukunft“, so der Oberbürgermeister.

Das eigentlich Ereignis war aber die Rede von Daniel Cohn-Bendit, für den Frankfurt und die Pauslkirche sozusagen ein Heimspiel ist, denn er hat den größten Teil seines Lebens hier gelebt und "hier Fußball gespielt", würden Eingeweihte sagen. Wichtiger für die Stadt war seine Tätigkeit als erster Stadtrat, der für Integration (1989-1997) zuständig wurde und dieses Amt so fundiert aufgebaut hatte, daß er es getrost in andere Hände übergeben konnte und weiterwanderte nach Brüssel. Dort ist er Fraktionsvorsitzender der europäischen Grünen.

Nun hatte sich im Vorfeld in Frankfurt ein regelrechter Eklat ergeben, weil wichtige Mandatsträger der CDU, mit der die Grünen über zehn Jahre eine Stadtregierung gebildet hatten, den von Peter Feldmann persönlich eingeladenen EU-Gast ablehnten und kundtaten, deshalb der Einheitsfeier in der Paulskriche fernbleiben zu wollen. Diejenigen, die dies angekündigt hatten und dementsprechend fehlten, war u.a.  der Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler (CDU), was seiner Stellvertreterin Renate Wolter Brandecker (SPD) zu gute kam, die damit die ganze Stadtverordnetenversammlung vertrat. Es fehlte aber auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael zu Löwenstein, der wie andere CDU-Stadtverordnete fernblieb. Daß auch die FDP diese Feierstunde ignorierte, hat wahrscheinlich kaum einer bemerkt. Und daß rechte Gruppieren nicht kamen, ehrt eher den Redner. Grund der Absagen, die im Vorfeld zur Aufforderung an OB Feldmann führten, den von ihm eingeladenen Cohn-Bendit wieder auszuladen, waren sehr schwammige Vorwürfe von Pädophilie, die zu Löwenstein sogar mit 'pädophiler Vergangenheit' verschärfte. Schwammig deshalb, weil sie im Dunklen ließen, wessen sie ihn anklagen. Denn daß Daniel Cohn-Bendit in den Siebzigern beim Aufsteigen der Partei der Grünen aus der Alternatiszene gegen die Ewiggstrigen auch steile Thesen aufstellte, die mit frühkindlicher Sexualität und dem Umgang damit - im Buch Der große Basar" von 1975 - heute seltsam anmuten, ist das eine, was schon immer bekannt war. Daß ihm aber niemand pädophile Handlungen nachsagen kann, das andere. Gerade zu  Löwenstein, der gerne ein CDU-Bundestagsmandat erringen möchte, hat sich damit abseits gestellt. Und Stephan Siegler galt bisher als besonders koalitionstüchtig und war in der Tat derjenige, der mit dem OB Feldmann (SPD) sehr gut kooperierte, als noch die Stadtregierung auch CDU und Grünen bestand, was Konflikte programmierte, was heute durch die Dreierkoaltion mit der SPD eine andere politische Grundlage zur Zusammenarbeit besitzt.

In dieser Gemengelage ließ sich OB Feldmann von einigen CDU-Würdenträgern nicht erpressen, hielt am Gast fest, was ihm viele, insbesondere aus dem grünen Lager dankten, die zahlreich erschienen waren und ansonsten in der Stadtpolitik längst nicht mehr zu sehen sind. So kam der ehemalige hessische Justizminister Rupert von Plottnitz, sogar aus Prag Milan Horacek, einer der Grünenmitbegründer, Tom Koenigs, der einst sein Erbe dem Vietnam spendete, dann aus der Stadtpolitik in die Weltpolitik ging und gerade aus Kolumbien zurückkam, wo er zwischen Regierung und Farc, der Guerilla-Bewegung, vermittelt hatte, was zum Friedensabkommen führte, nun aber vom Volk per Volksabstimmung abgelehnt wurde. Daß diese Grünen gekommen waren, ist ihrer Verbindung zum gemeinsamen Kampf mit Cohn-Bendit geschuldet, von daher nichts besonderes.

Als wichtigen Schritt empfanden viele Gäste stattdessen das Dabeisein vom CDU-Kreisvorsitzenden und Bürgermeister Uwe Becker und daß auch der gerade mit einer großen Geburtstagsfeier im Frankfurter Römer geehrte 95jährige Frankfurter CDU-Ehrenvorsitzende Ernst Gerhardt anwesend war, war dann ein Eklat gegen die Nichtgekommenen, die sicher ihre lautstarke Entscheidung noch bereuen werden. Das liegt eben nicht nur an der Person Daniel Cohn-Bendit, der einfach ein Frankfurter ist, der in die Welt ging, sondern auch an seiner Rede, in der er mit vielen Emotionen von dem Europa sprach, für das er politisch lebt und was - hört man genau hin - doch jeder in der Paulskriche auch möchte. Keine allein formale Einigung, kein Abschotten gegen die Welt, sondern ein gerechtes, den Status der Nationalstaaten überwindendes geeintes Europa, daß selbstverständlich nicht nur den Staaten ihre Eigenheiten läßt, sondern sogar noch stärker die Vielfalt im Detail stärken will, die immer die andere Seite einer Einheit sein muß.

Cohn Bendit lobte ausdrücklich den Merkelschen Satz "Wir schaffen das" und setzte ihn in eins mit Artikel 1 des Grundgesetzes "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Seine Rede wurde durch viel Beifall immer wieder unterbrochen und führte am Ende zu langem stehenden Applaus. Peter Feldmann dankte dem Festredner Daniel Cohn-Bendit für seine Teilnahme und betonte abschließend: „Ich bin froh, daß heute mit Daniel Cohn-Bendit ein echter Frankfurter, ein wahrer Europäer zu uns spricht.“


Foto:
OB Peter Feldmann mit Daniel Cohn-Bendit(c) Kammerer pia