Revolvermänner und Spekulanten sind prädestiniert für das höchste Amt der USA

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Mann, von dem hier zunächst die Rede ist und dessen Name Wyatt Earp lautete, ging vielen Berufen, aber stets einem Prinzip nach, dem des eigenen Vorteils.


Er war Postkutschenfahrer, Büffeljäger, Saloonbesitzer, Teilhaber eines Bordells, Minenbesitzer und Revolvermann („Gunman“). Regelmäßig verdiente er am Glücksspiel und versah häufig parallel dazu das Amt eines Polizeichefs (Marshall) bzw. das eines vereidigten Polizisten (Deputy-Marshall) in mehreren Städten des „wilden“ Westens der USA. Er verstand diese Stellungen, zu denen er trotz seiner vielfach halbseidenen Betätigungen gelangte, als die Fortsetzung seiner Geschäfte mit anderen Mitteln.
Und diese Geschäfte bestanden neben der Profitmaximierung, bevorzugt in eher anrüchigen Branchen, in der manchmal kalkuliert eingesetzten, manchmal blindwütig ausgeübten Gewalt gegen Konkurrenten und - eher vereinzelt - gegen Gesetzesbrecher.

Im Sommer 1890, nach der ersten Hälfte seines durchaus erfolgreichen Lebens, schrieb Wyatt Earp mit Hilfe eines Ghostwriters seine Memoiren, die zur allmählichen Verklärung seiner Person beitrugen. Bereits ab den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts galt er vielen seiner amerikanischen Landsleute als untadelig und moralisch integer. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zog er nach Hollywood, wo er die Bekanntschaft einiger berühmter Schauspieler machte. Im Jahr 1926 traf er bei Dreharbeiten mit dem Nachwuchsschauspieler Marion Robert Morrison zusammen, der später unter dem Namen John Wayne bekannt wurde.

Am 13. Januar 1929 starb Wyatt Earp im Alter von 80 Jahren in Los Angeles. Die Westerndarsteller William S. Hart und Tom Mix waren Sargträger bei seiner Beerdigung.

John Wayne gestand später ein, dass das Zusammentreffen mit Earp sein Selbstverständnis als Westerndarsteller geprägt hätte. Inwieweit sich seine politische Einstellung an der seines Vorbilds Wyatt Earp orientierte, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Immerhin gab sich Earp in seinen späteren Jahren bewusst als amerikanischer Patriot aus. Das geschah aber möglicherweise, um dadurch seine kriminelle Karriere zu verschleiern.

Wayne trat 1960 der rechtsgerichteten John Birch Society bei und unterstützte den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater, der als reaktionärer Hardliner galt und 1964 dem Amtsinhaber Lyndon B. Johnson unterlag. Außerdem setzte er sich noch kurz vor seinem Tod für den ebenfalls rechtsgerichteten Schauspielerkollegen Ronald Reagan ein, der 1980 Präsident der USA wurde.
Wayne, der den Vietnamkrieg rechtfertigte, hatte auch kein Problem mit dem Genozid an den Ureinwohnern, den Indianern. „Ich denke nicht, dass wir etwas falsch gemacht haben, als wir ihnen dieses große Land weggenommen haben. Da waren eine Menge neuer Menschen, die viel Land brauchten. Die Indianer waren egoistisch und wollten es behalten“ äußerte er in einer öffentlichen Diskussion. Seine rassistischen Vorbehalte gegenüber Schwarzen gab er unumwunden zu: „Ich glaube so lange an die weiße Überlegenheit, bis die Schwarzen gebildet genug sind, Verantwortung zu übernehmen.“

Nun sind Wyatt Earp und Johne Wayne nie Präsidenten der USA gewesen, sie haben sich auch nicht danach gedrängt. Obwohl sie zu ihrer jeweiligen Zeit vermutlich repräsentativ waren für die Einstellungen jener mindestens 30 Prozent Nationalisten, Rassisten, Waffenliebhaber und weiteren Dummköpfe unter den Wählern, von deren Stimmen ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat abhängig ist.

Der Mann, der am 20. Januar 2017 nach gewonnener Wahl in das Präsidentenamt eingeführt wird, machte sich in seinen bisherigen öffentlichen Bekundungen die erwähnten Vorurteile direkt und indirekt zu Eigen. Und sein künftiges Amtsverständnis scheint sich kaum zu unterscheiden von dem des Marshalls, Revolvermanns und Glücksspielers Wyatt Earp, der seine amtlichen Tätigkeiten immer den eigenen geschäftlichen Interessen unterordnete.

Letzteres scheinen viele Amerikaner als Vorteil zu sehen. Vor allem jene, die durch den neoliberalen Kapitalismus abgedrängt wurden, setzen ihre Hoffnungen auf einen Geschäftsmann, der als Glücksspielunternehmer und Immobilienspekulant exakt jener Gesinnung folgt, die Millionen an den Rand der Gesellschaft drängt. Die Ethik des Revolverschwingers Wyatt Earp scheint längst elementarer Bestandteil des „American Way of Life“ geworden zu sein. Was aber, wenn durch einen Präsidenten, der sich vorrangig als Erster Geschäftsmann seines Landes versteht, die Widersprüche des Kapitalismus so offen zu Tage treten, dass selbst der Einfältigste darüber stolpert?

Ist Präsident Donald Trump möglicherweise jener Überwinder wider Willen, der eine historisch überständige Gesellschaft auf jene Spitze führen wird, von der aus es nur noch in eine Richtung weitergehen kann - nämlich in die Richtung des demokratischen Sozialismus? Erweist sich dieser skrupellose Macho, Sexist und Erzkapitalist als historisch notwendig für die Geschichte der USA, um das Land vor seiner endgültigen Zerstörung zu bewahren?
Oder führt seine Präsidentschaft zum unabwendbaren Ende der bewohnbaren Erde?

Foto: Whyatt Earp Romanheft (c) Kelter Verlag