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Kategorie: Zeitgeschehen

Offizielle Gedenkfeier anlässlich der Befreiung des KZ Auschwitz mit der Rede des Frankfurter OB Feldmann

Rede von Peter Feldmann


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mit einer Niederlegung von Tulpen über Tulpen für die Opfer des Nationalsozialismus erinnerten am Mahnmal, das an die Paulskirche angrenzt und alle KZs und Vermichtungslager aufzählt, die zur Gedenkfeier Gekommenen an das in deutschem Namen verursachte unendliche Leid.
In der Wandelhalle der Paulskirche hatten zuvor die Gedenkenden der durch eine musikalische Umrahmung eingefaßten Gedenkrede des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann gelauscht.



Der Oberbürgermeister, der das Mahnmal dann mit einem Kranz schmückte,  freute sich zu Beginn in der Paulskirche, dass mit Aviva Goldschmidt eine sogenannte Kinder-Überlebende als Zeitzeugin der Schoah in der Paulskirche zu Gast war, „die ich seit über 50 Jahren persönlich kenne, und die eine enge Kollegin meines verstorbenen Vaters im Rahmen ihrer Arbeit für die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland war.“

„Die bewegenden Berichte der Überlebenden sind für unser Erinnern wichtig. Dass wir begleitend zur Gedenkveranstaltung des heutigen Tages in Zusammenarbeit mit der Jewish Claims Conference die Ausstellung ‚Jewish Child Survivors‘ hier in der Wandelhalle der Paulskirche zeigen können, war mir persönlich wichtig“, so Feldmann. „Die Ausstellung illustriert anhand von Einzelschicksalen die Lebenssituation von Holocaust-Überlebenden, die die nationalsozialistische Judenverfolgung als Kinder durchlitten haben. Sie zeigt, dass die Betroffenen zeitlebens von den Traumata der Schoah begleitet werden, die gerade jetzt im fortgeschrittenen Alter in Form von psychischen und physischen Folgeerkrankungen zu Tage treten.“, sagte Peter Feldmann. Seine Rede im Anschluß. Die Redaktion



Rede des Oberbürgermeisters Peter Feldmann im Wortlaut

Sehr geehrte Damen und Herren!

Heute am 27. Januar dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern wir an die Befreiung von Auschwitz durch Soldaten der „Roten Armee“ vor 72 Jahren.

An die Schoa, als deren Synonym der Name „Auschwitz“ weltweit steht. Von den sechs Millionen jüdischen Opfern des Nationalsozialismus wurde über eine Million Menschen in Auschwitz ermordet.
900.000 der Verschleppten wurden direkt nach ihrer Ankunft in die Gaskammern gezwungen.
Dort erstickten sie qualvoll.

Die anderen kamen durch Krankheit, Unterernährung, Misshandlungen und medizinische Experimente zu Tode. Sie wurden infolge körperlicher Entkräftung als „arbeitsuntauglich“ erklärt und ermordet.

Tausende der Überlebenden starben in den Jahren nach der Befreiung an irreversiblen Schädigungen ihrer Gesundheit – den körperlichen wie den seelischen.

Die Züge mit dem Ziel Auschwitz kamen aus ganz Europa:
Belgien/Deutschland/Frankreich/Griechenland/Italien/Jugoslawien/Luxemburg/Österreich/Polen/Rumänien/Ungarn/aus den Niederlanden / der Sowjetunion/ der Tschechoslowakei.

Während der mehrtägigen Transporte herrschte für die in den Zügen eingepferchten Menschen drangvolle und entwürdigende Enge; es gab weder Essen noch Wasser, weder Licht- noch Wärmequellen, provisorisch aufgestellte Eimer dienten der Verrichtung der Notdurft.
In den Waggons wurden Kinder geboren und Menschen starben.
Noch vor der Ankunft in Auschwitz war der Tod allgegenwärtig.

Die Züge kamen auch aus unserer Stadt.
Erforschung des Holocaust weist etwa 2 000 Personen aus Frankfurt aus, die in Auschwitz ermordet wurden. Ihre Namen lesen wir an der Gedenkstätte Neuer Börneplatz.

Zumeist waren es ältere Frauen und Männer - auch Kinder - die bereits in den Massendeportationen des August und September 1942 von der Großmarkthalle aus gewaltsam in das Ghetto Theresienstadt, dann nach Wochen und Monaten weiter in die Vernichtungslager verschleppt worden sind – Ziel Auschwitz-Birkenau.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Heute möchte ich an zwei Persönlichkeiten erinnern, deren gegensätzliche Biografien sich irgendwann kreuzten; die Mitte der 1990er Jahre dafür stritten, dauerhaft ein Datum zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zu schaffen.
Ignatz Bubis war es, der als Überlebender der Schoa und seinerzeit Vorsitzender des
Zentralrats der Juden in Deutschland 1994 gefordert hatte, ein solches Gedenkdatum von europäischer Dimension zu etablieren.

Auf Ignatz Bubis selbst ging dann auch der Vorschlag zurück, anlässlich des 50. Jahrestags der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch sowjetische Soldaten den 27. Januar als Gedenktag zu bestimmen.
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1996 proklamierte schließlich Bundespräsident Roman Herzog mit Zustimmung des Deutschen Bundestags diesen „nationalen Gedenktag“. 1996 in seiner ersten Rede hatte Roman Herzog ausgeführt – ich zitiere: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muß künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“


1996 in seiner ersten Rede hatte Roman Herzog ausgeführt – ich zitiere: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 10. Januar dieses Jahres verlieh die Stadt Frankfurt am Main in der Paulskirche den „Ignatz-Bubis-Preis für Verständigung “ an Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Mit dem Preis würdigt die Stadt Frankfurt seit 2001 die Persönlichkeit von Ignatz Bubis. Die Verleihung des Preises drückt unsere Verpflichtung aus für die von Ignatz Bubis verkörperten Werte einzutreten.

Am gleichen Tag, dem 10. Januar, erreichte uns die Nachricht vom Tod Roman Herzogs.
Eine zeitliche Koinzidenz, die nachdenklich stimmt.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland würdigte das Engagement Herzogs für das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen. Mahner und Versöhner sei er gewesen. Dafür erhielt Roman Herzog 1998 den Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden –
seinerzeit noch aus der Hand des Vorsitzenden Ignatz Bubis.

Herzog habe - ich zitiere Schuster – „mit seiner klaren Haltung und seinem Engagement viel zur Versöhnung zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und der jüdischen Gemeinschaft sowie zwischen Deutschland und Israel beigetragen“.

Roman Herzog setzte sich bereits während seiner Amtszeit als Präsident des Bundesverfassungsgerichts dafür ein das Leugnen der Schoa als Straftatbestand zu bewerten.
Denn wer sich seiner Vergangenheit nicht stellte, der sei in Gefahr die Vergangenheit zu wiederholen.
Darum können die Konsequenzen, die wir aus dem Erinnern an das Menschheitsverbrechen der Schoa für unser Land, für unsere Stadt ziehen, doch nur
unser Gefühl für die Würde eines jeden Einzelnen Menschen stärken.

Darum zielen Jene, die uns von unserer Geschichte abschneiden - einen Schlussstrich ziehen – wollen, nicht auf unsere Geschichte, sondern sie wollen eine andere Zukunft.
Sie wollen nicht, dass wir lernen und verstehen, aus den 12 Jahren der Nazidiktatur Folgen für unser Tun und unsere Verantwortung ziehen.
Dabei ist doch die geistige, menschliche, politische, gesellschaftliche Überwindung schrecklicher deutscher Irrwege das größte Glück unseres Landes.
Das Fundament auf dem wir zurück in die Gemeinschaft der Völker und der Tradition europäischer Aufklärung finden konnten.

Erinnerung meine Damen und Herren, ist kein Ballast für die gute Zukunft unseres Landes, sondern Voraussetzung.

Sehr geehrte Damen und Herren,
darum werden wir uns auch an Ignatz Bubis und Roman Herzog immer dankbar erinnern – besonders am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

Sie haben sich beide um unser Land verdient gemacht.

 

Foto: Links das Mahnmal, direkt an der Paulskirche. OB Peter Feldmann mit Aviva Goldschmidt (c) stadt-frankfurt, Bernd Kammerer