Die Wahlen in den Niederlanden vom 15. März 2017

Gerhard Wiedemann

Berlin (Weltexpresso) - Noch erfolgen die Ergebnisse auf Grund erster Hochrechnungen. Um Mitternacht steht fest, daß Amtsinhaber Mark Rutte  stärkste Kraft ist. Seine Partei ist die konservativ-liberale VVD. Geert Wilders von der rechtspopulistischen PVV ist entgegen den Vorhersagen deutlich abgeschlagen auf dem dritten Platz, hat aber deutlich gegenüber 2012 dazugewonnen.



Die zweitmeisten Stimmen haben die der CDU ähnlichen Christdemokraten CDA. Vervierfacht haben sich die Stimmanteile der Grünen unter Jesse Klaver. Dezimiert haben sich die Stimmen der Sozialdemokraten PvdA, die mit der Rechtsliberalen Volkspartei unter Rutte bisher eine Koalitionsregierung führten.

Das niederländische Parlament hat 150 Sitze, für die sich 28 Parteien bewerben!

Davon entfielen in der alten Legislaturperiode die Hälfte auf die Koalitionsregierung: 75 Sitze, 40 für die Rechtsliberale Volkspartei, 35 für die Sozialdemokraten. Die Sozialisten hatten 15 Sitze, die Wilderschen Rechtspopulisten 12, Christdemokraten 13, Demokraten 66 (Linksliberale), GroenLinks 4 Sitze und Sonstige 19 Sitze.



Nach dieser Wahl ist die Sitzeverteilung mit Stand 1. 10 Uhr folgende:

VVD-Rechtsliberale Volkspartei: 31
CDA-Christdemokraten:             19
PVV-Rechtspopulisten                19
D 66:                                            19
GroenLinks:                                 16
Sozialisten:                                  14
PvdA-Sozialdemokraten:              9

Weitere                                         23



Das zersplitterte Parteiensystem in den Niederlanden hatte bei dieser Wahl durch die außen/innenpolitischen Ereignisse eine deutliche Prägung erhalten. Das entschiedene Auftreten der Regierung, die die türkischen Minister nicht in Holland hatten Wahlkampf machen lassen, sondern sie in die Türkei zurückschickten, hat sich nur für die Regierungspartei des Ministerpräsidenten ausgezahlt, nicht für die Koalitionspartei der Sozialdemokraten.

Das liegt auch daran, daß im wichtigen Fernsehduell am Montagabend es als Kontrahenten Ministerpräsident Rutte und Populist Wilders gab. Schon dort gab sich Rutte als Sieger und warnte direkt vor den Folgen, sollte Wilders mehr Stimmen als bisher erhalten. Da sich alle anderen Parteien nicht zu einer potentiellen Koalition mit Wilders bereit erklärten, war schon vor der Wahl deutlich, daß dieser keine Regierung wird bilden können. Dennoch kam gut an, ihn als Schreckgespenst eines potentiellen Regierungschefs dazustellen. Das wäre er ja auch.

In den Wahlumfragen lag Wilders vor Tagen besser da, als unmittelbar vor der Wahl, was sicher am deutlichen Auftreten von Rutte liegt. Diese Wahl ist die erste nach dem BREXIT und vor der französischen Wahl, die keine Mehrheit für Rechtspopulismus oder eine Absage an Europa aufweist. Das ist wahrscheinlich das wichtigste Ergebnis dieser Wahl, daß ein Land nicht zwangsläufig nach rechts rutschen muß, wobei der Absturz der holländischen Sozialdemokraten untersucht werden muß.

Daß Jesse Klaver dagegen so zulegen werde, war schon im Vorfeld klar, wo ihm das Vierfache prognostiziert wurde, was auch deshalb leicht zu erreichen ist, weil die Ausgangsbasis nur 4 Sitze waren.

Sicher werden die Wahlkampfstrategen die verbalen Schläge aus der Türkei und staatliches Handeln in den Niederlanden noch genauer untersuchen. Schon jetzt kann man sagen, daß Erdogan ja nur für seine türkische Wahl, in der er von den Türken das Präsidialsystem absegnen lassen möchte, handelt. Je entschiedener er auftritt, desto mehr wachsen seine Chancen, daß ihn sein Staatsvolk das tun läßt, was er als Autokrat gerne will. Welche positive Auswirkung auf türkische Wähler ein solches Auftreten zeitigt, erkennt man daran, daß die Opposition ihren Gegner Erdogan darin noch unterstützt, ja von ihm noch entschiedeneres Auftreten wünscht!

Eigentlich, das ist längst klar, profitieren auf beiden Seiten nur die Scharfmacher, wobei Erdogan einsame Spitze in der Verbreitung von Lügen über andere Völker ist. Den Niederlanden hat er STAATSTERRORISMUS vorgeworfen und von NEONAZISTISCHER GESINNUNG  gesprochen. Auch wenn in Holland noch manches Dunkle über Vorgängen in der Zeit der Besetzung durch die Deutschen vor und im 2. Weltkrieg herrscht, so sind die so dumm dahergesagten Worte von Erdogan doch eine Unverschämtheit. Daß er am Dienstag in Ankara sagte: „Wir kennen Holland und die Holländer noch vom Massaker von Srebrenica.“ Und fuhr fort: „Wie verdorben ihre Natur und ihr Charakter ist, wissen wir daher, daß sie dort 8 000 Bosniaken ermordet haben.“

In gleicher Weise wachsen in Holland und anderen europäischen Ländern die Chancen für rechtspopulistische Parteien, die sich gegen die Kampfansage aus der Türkei deutlich aussprechen.

Foto: Wahlsieger Mark Rutte VVD (c)