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Kategorie: Zeitgeschehen

Die Frankfurter Rundschau titelte: „Schröder giftet gegen Lafontaine“ (03.04.2017)

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Dass Gerhard Schröder, der größte Arbeiterverräter aller Zeiten in Deutschland, sich wie ein Übervater der SPD - der er machomäßig zu sein beansprucht - sich in den gesellschaftlichen Diskurs zurückmeldet, nachdem er ein soziales und ziviles Zerstörungswerk hinterlassen hat, ist eine Dreistigkeit sondergleichen.

Was dieser Mann Menschen angetan hat, ist abscheulich. Da will einer, der sozial dissoziativ gepolt ist, über das Leben von Millionen befinden. Ein Abgrund des Politischen!

Dieser Mann der Blasenökonomie ließ Banken den Rheinischen Kapitalismus zerschlagen und damit das hübsche Sümmchen auf den Markt der ‚Bubble-Ökonomie‘ werfen. Diesen hatte er liberalisiert. Es wurden gebündelte Subprime-Schrottimmobilien-Papiere gekauft und im Back-Office gestylte schräge Produkte aus dem Hause ‚Finanzmarktinnovationen‘ kreiert.



Eine gesellschaftliche Rolle abwärts

Die alte Elite der Industriegesellschaft war seit den frühen Siebziger Jahren erschöpft. Gemäß ihrer Dürftigkeit verlegte sie sich auf die Virtualität der Finanzmärkte, die von neokonservativen, neoklassischen Stichwortgebern aus dem Hause Friedman und Hajek beworben wurde. Gesellschaft bekam den Laufpass, sie sollte auf den Götzen Kapital umformatiert werden. Die Macht des neu-paganen Geldadels läutete das neue Jahrtausend ein. Die neue angemaßte Elite war von Anfang an genauso verrottet wie die alte.
 
Im Verlauf der Siebziger Jahre setzte sich die neue, schlichte Losung einer selbsternannten Macht- und Geldelite durch: Erhöhung der Kapitalrendite hat Vorrang! Sie sollte durch strukturierte Finanzmarktprodukte, die sich von der Realwirtschaft gelöst hatten, maximalen Drive bekommen, mehr als durch das Investieren in neue, schlaue Produkte, in Arbeit – Wissen – und Menschen, also die vielzitierte Humanressource. Seriöses Investieren wurde out. Folge: Wir bekommen jetzt keine konsequente Verkehrswende hin. Mit dem Rendite-Vampyrismus, der die Parias am unteren Ende der gesellschaftlichen Skala am härtesten trifft, hub das Niederlegen von Werktätigen an. Diese sollten qua höherem Beschluss Schröders degradiert werden. Die Technik-Konzerne wurden zu Spielmarken einer Kapitalrenditementalität, zu Cash-Cows. Die ehrbare Arbeit kam in Verruf.


Die Technik-Konzerne haben immer weniger in Arbeit, Produkte und Real-Innovationen gemacht, sondern Firmengelder auf die Finanzmärkte transferiert und in den „Finanzmarktinnovationen“ arbeiten = spekulieren lassen. Ausgegründete Finanztöchter erhielten Vorrang. Sie haben den geschmälerten, vorenthaltenen Lohn – Stichwort Lohndumping - der ehrlich Arbeitenden vorzugsweise in Luftbuchungen gelenkt. Der damit verbundene sozialwahnsinnige Schwindel kollabierte im Herbst 2008. Dann kam Rettung für die Banken, eine Wirtschaftskrise und ein an DDR-Sprache angelehntes ‚Wachstumsbeschleunigungsgesetz‘. Ist das alles schon vergessen?


Der absurde Wahn der Finanzmärkte


Indem Konzerne der Spekulation dienten, haben sie ihre eigene Überlebens- und Erfolgsbasis untergraben (Folge: Fusionen und feindliche Übernahmen, Ausgründungen und Verkäufe, Kaputt-Umstrukturieren mit „Hüh & Hott“ und Kostensenkung als Meilenstein - seit Rot-Grün-Zeiten völlig ausgeufert) und die Gesellschaften praktisch überall dem Rand des gesellschaftlichen Abgrunds näher gerückt. Und besonders durch rigiden Personalabbau (50-jährige Telekom-Beschäftigte wurden ausgemustert und aufs Altenteil geschickt) haben sie schon damals die Börsen-Kapitalisierung rücksichtslos hochgejagt. Es war ein Spiel zu Lasten jener, die immer noch die arbeitende Basis stellen - und wieder stellen werden, das ist das Gesetz der Geschichte von unten!


Statt innovativ zu investieren hat Siemens – nur als Beispiel genommen - 2008 17 600 Leute (lt. Financial Times von damals) ‚freigesetzt‘. Immer wieder und überall wird locker „freigesetzt“, um kurzfristig die Aktienrendite zu erhöhen und dem entsprechend Gehälter, Boni und Aktienoptionen hochzutreiben und dabei ums Goldene Kalb des eigenen Egos zu tanzen. Die Politik der Schröder-Ära hat diese Perversion ‚gecoached‘ und den Abbruch-Gesellen Ehre und Geleit erteilt. Und zwar aus Autoritätsgläubigkeit und Ergriffenheit vor tatsächlicher oder eingebildeter Macht, an der teilzuhaben die politische Klasse sich nicht zu schade war. Krönendes Beispiel: Gerhard Schröder.

Schröder war als Aufsteiger gehandicapt. Er wollte so gern bei den Großkopferten lieb Kind sein, bei ihnen oben zu Tisch sitzen und Rabbi genannt werden. Damit hat er gerade die fallen lassen, die ihn ahnungslos gewählt hatten - Facharbeiter, deren sich die Großkonzerne in großer Zahl entledigen wollten, durch Vollzug von Entlassungs-, Abwicklungs- und Ersetzungsorgien und dann Einstellung von prekär Beschäftigten. Es war ein Programm des Bauernlegens, wie es der neu aufgelegte Finanzkapitalismus präferierte. Es wurde zur Agenda von Maggie Thatcher und Tony Blair. Gerhard Schröder hat dieses angelsächsische Programm kopiert.

Die Verleugnung der Eigenen hatte Schröder nicht mal vorher geplant, er ist reingeschlittert, hat sich aufs Kreuz legen, sich beschwatzen lassen. Er wollte auf der Messe in großen Karossen schippern, um sich angehimmelt selbst zu bespiegeln. Aber er war auch Machtmensch, der Köpfe rollen ließ, um die innere Bestimmung zu erfüllen. Lafontaine war so ein unliebsamer Kopf, der sich nicht verbiegen ließ. Volkswirtschaftlichen Sachverstand hatte Schröder nicht, hatte aber ein Gespür für das, was die angemaßten Lenker und Bestimmer über die Schicksale dieser Welt von ihm erwarteten. Lohn für ihn war, dass er Teil ihres Systems wurde (glaubt er!). Damit hatte er seine Bestimmung erfüllt und lebt nun begriffslos bis zum Ende seiner Zeit dahin. Zuweilen gibt er den Elder Statesman, der Lehren erteilt.



Lohndumping ist Raubtierkapitalismus

Das jedem Busfahrer wohlbekannte – wesentlich durch die Politik von Wolfgang Clement/SPD verhängte - Lohndumping gehört in die Kategorie Sozialvergessenheit. Es ist Ausdruck der infamen Masche, die Kapitalrendite durch aggressives Drücken von Löhnen hochzutreiben. Die Löhne waren unter Schröder nicht zu hoch. Die Weltwirtschaft schwächelte, belebte sich 2005 aber wieder. Auch wurden dauernd Überschüsse in die Finanzmärkte gelenkt, blieben der Konjunktur entzogen. Lohndumping ist Chiffre für den Verfall von Fairness und Gesellschaftskultur.

Gerhard Schröder wurde von Helmut Schmidt vorbereitet: dieser hatte schon Brandts Reform-Modell beiseitegetreten. Was Helmut Schmidt noch nicht klar war, an ihm vorbeiging: mit dem seit den Siebzigern neu eingefädelten Finanzkapitalismus wurden die Konzerne zu Objekten einer Kapitalrendite-Mentalität. Nachhaltiges Investieren in „intelligente Produkte“ (Volker Hauff/SPD), in menschliche Arbeit und 'Humankapital', wurde unschick, doof. Gesellschaft wurde abgeblockt. Schmidt sah sich als Teil des Systems der alten Wirtschaftskapitäne, deren Zeit aber zu Ende ging.

Generell kam ein negativ konnotierter Begriff des geschickt, umsichtig und verantwortungsvoll tätigen Menschen auf, sei er/sie nun Arbeiter/in, Ingenieur oder IT-Experte. Zu den Opfern der kollabierten Lehman Brothers gehörte auch Siemens mit 142 Millionen Dollar (n24-Text 31.12.2009). Finanzgeschäfte übernahmen die Rolle der Leitkultur. Diese Entwicklung war von der Politik nicht nur begleitet, sondern war von ihr gewollt. Heute ziert sie sich, sich kritisch zu sehen.
Entwertung der Arbeit, Desorientierung der Konzerne, Abgründigkeit der spekulativen Finanzwirtschaft hatte Helmut Schmidt noch nicht auf dem Schirm. Helmut Schmidts Tochter Susanne hat, mit dem angelsächsischen Erfahrungshintergrund vertraut, vor einiger Zeit die Entwicklung – wie aus dem Nähkästchen geplaudert - aus ihrer praktischen Anschauung erklärt.

Foto: (c) SPD