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Kategorie: Bücher
zdf peter handke.jpga tokarczukDie Nobelpreise für Literatur gehen an Europa, an Ost und West

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Doch, das ist eine Überraschung, diese beiden Benennungen: Peter Handke am 6. Dezember 1942 in Kärnten geboren, ist seit Ende der Sechziger Jahre eine verläßlich Größe in der Literatur, der unentwegt schreibt und schreibt und seine großen Tage hinter sich hat, die Polin Olga Tokarczuk, geboren am 29. Januar 1962 in Sulechów bei Zielona Góra ist die Frau der Zukunft.

Anders kann man das nicht ausdrücken, wenn man ihren eigenwilligen Lebens- und Schaffensweg verfolgt. Und das hatten hierzulande nur wenige. Was sich ändern wird, dazu sind Nobelpreise für Literatur schließlich da. Und rechtzeitig diesmal vor der Buchmesse verliehen, so daß die Preisträger dort schon eine Rollen spielen werden. Ob sie wollen oder nicht.

Kurzfassung: Olga Tokarczuk studierte Psychologie in Warschau, arbeitete mit verhaltensauffälligen Jugendlichen und als Therapeutin. Sie ist nicht Freudianerin, sondern Carl Gustav Jung verpflichtet, den sie auch als geistigen Mentor benennt. Sie lebt seit 20 Jahren in einem kleinen Dorf, gründete einen Verlag, fing dann aber mit dem Schreiben an und das sehr erfolgreich. In Polen ist sie eine Größe. In der Welt, die heute fast nur noch englischsprachige Literatur (original und Übersetzungen) aufnimmt, war sie unbekannt, denn es gab nur eine einzige englische Übersetzung von ihr. Dann erhielt sie im vorigen Jahr für den Roman Bieguni/Flights den Man Booker Interantional Prize. Und jetzt den Nobelpreis. Von daher geht jetzt das Geschachere um Verlagsrecht los. Aber es lohnt sich.

Glückwunsch also an die Verlage. Für Olga Tokarczuk ist das jetzt der Kampa Verlag, der im Frühjahr den Roman UNRAST in einer Neuauflage herausgab und nun gerade den Roman DIE JAKOBSBÜCHER veröffentlicht hat. Wie schön für den Verlag, denn der Nobelpreis ist ein Geschäft, dieses Jahr verkaufen sich die Bücher gut, aber, so denke ich mir, wenn ich mir die wirklich interessanten Erläuterungen zu den Büchern anschaue, wer diese Polin gelesen hat, liest sicher weiter.

Und da hat nun Kampa das Glück, denn überblickt man die auf Deutsch erschienenen Romane, staunt man über das Hin und Her in unserer Verlagswelt. Erst im Berlin Verlag, eine gute Adresse, dann DVA, dann wiederum Matthes & Seitz, derzeit eine besonders gute Adresse, wo auch inzwischen nach dem Verlöschen von Roter Stern/Stroemfeld Verlag beispielsweise Klaus Theweleit erscheint. Dann gab es die nun neu aufgelegte UNRAST im Schöffling Verlag 2009. Bei Schöffling, einem Verlag der immer wieder Romane von Frauen veröffentlicht, ist - und das lese ich zum ersten Mal – 2011 DER GESANG DER FLEDERMÄUSE erschienen, dessen Verfilmung unter dem Titel DIE SPUR/POKOT von Agnieszka Holland auf der Berlinale 2017 für mich eine Sensation war und seitdem entsprechend in mehreren Artikeln herausgehoben wurde. Aber nie war mir die Autorin ein Begriff. Das hat sich geändert und wird nachgeholt. Wie gesagt, dafür sind Nobelpreise auch da.

Anders verhält es sich bei Peter Handke, dem heute schweigsamen Liebhaber von Gedanken und Filmen, dessen Werk hauptsächlich im Suhrkamp Verlag erscheint, der sich freuen kann. Ähnlich wie Olga Tokarczuk schreibt Handke nicht nur Romane, sondern nutzt alle Formen der Vermittlung, sei es Gedichte, Märchen, Novellen, Theaterstücke, Filme, Verfilmungen von seinen Theaterstücken. In die Mangel genommen und gescholten wurde Handke international durch sein Eintreten für Serbien und für die Wahl eines serbischen Nationalisten, was wirklich schwierig ist, wobei die gesamte Auflösung, sprich Zerschlagung des ehemaligen Jugoslawien auf dem Hintergrund von Vergewaltigungen und vergossenem Blut eine Tragödie ist.

Interessant, daß beide Nobelpreise – warum zwei ist fast langweilig erneut zu erzählen. Darum nur kurz: durch Korruption und mehr in der Jury des Literaturpreises, gab es Rücktritte und letztes Jahr keinen Nobelpreis für Literatur. Inzwischen ist die Jury neu gewählt und hat die Preisträger für zwei Jahre erwählt – interessant also, daß weder Margret Atwood, noch einer der Weltschriftsteller in englischer Sprache den Preis erhalten haben, sondern daß er nach Europa geht und zwar zweifach. Peter Handke, der lange in Paris lebte, steht einfach mit seinem Werk für Westeuropa.

Der letzte Nobelpreis für einen Schriftsteller Deutscher Sprache ging 2009 an Herta Müller, die so wie keine für Osteuropa und seinen westlichen Teil steht. Sie erschien erst hauptsächlich bei Rowohlt, dann im Hanser Verlag.

Der letzte Literaturnobelpreis für einen Österreicher ging im Jahr 2004 an Elfriede Jelinek, die im Rowohlt Verlag erscheint.

Der letzte Nobelpreis für eine Dichterin Polnischer Sprache ging 1996 an Maria Wisława Anna Szymborska, was eine Sensation war, weil es wirklich um Dichtung und nicht um Massengeschmack geht. Auch sie hat der Suhrkamp Verlag veröffentlicht.


P.S. Der Nobelpreis für Literatur ist mit neun Millionen Schwedischen Kronen dotiert, das sind rund 828 000 Euro. Der letzte Preis 2017 ging an Kazuo Ishiguro. 2016 an Bob Dylon.