Ava Glass’ Codename EMMAs zweiter Streich
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dieser Krimi zeigt solides Handwerk, angelehnt an die Vorliebe so vieler Krimileser für den britischen Geheimdienst M16 in London, der insbesondere im Kalten Krieg, dem wir uns derzeit wieder annähern, die wichtigste Quelle für Spionage war, sowohl für das Selberspionieren wie auch dafür, die feindlichen Spione dingfest zu machen. Selbst der Namen der Hauptfigur, Emma Makepeace, funkelt vor Anspielungen, denn wem fiele nicht sofort Miss Moneypenny ein, die unvergessene Sekretärin von M., der Chefin von James Bond. Und der Vornamen erinnert an eine ebenso unvergessene britische Agentin Emma Steel aus der englische Fernsehserie "Mit Schirm, Charme und Melone" aus den 1960ern.
Emma Makepeace ist nicht administrativ tätig, sondern ist selber Spionin und damit etwas Neues dazukommt, ist sie Agentin der völlig frei erfundenen geheimen Regierungsorganisation Agency, die speziell das Infiltrieren des russischen Geheimdienstes in die englische Gesellschaft zu verhindern sucht, aber dem M16 zugeordnet ist. Dies ist Emmas zweiter Einsatz, der literarisch begleitet wird und sie ist um die Erfahrungen reicher, die ihr Erstling JEDE SPUR WIRD DICH VERRATEN mit sich brachten, wo sie erfolgreich den Sohn eines russischen Dissidenten vor den russischen Verfolgern rettet. Und auch diesmal hat sie bald den Eindruck, dass in den eigenen Reihen ein Verräter ihr Tun hintertreibt und sie selbst gefährdet. Diesmal heißt, in ein paar Stunden aus dem Nichts die Koffer zu packen und nach Frankreich zu fliegen und auf der exklusiven Jacht des russischen Oligarchen Andrei Wolkow, die an der Côte d’Azur im Mittelmeer unterwegs ist, unter dem Namen Jessica Anne Marshall die englische Bedienstete, als Mädchen für alles, zu ersetzen, die überraschend wegen einer überraschenden schweren Krankheit der Mutter (ein Fake!) nach England zurückmußte.
Doch als sie auf die Yacht Eden kommt, schlägt ihr großes Mißtrauen entgegen. „Wir wissen, dass sie nicht die sind, für die Sie sich ausgeben.“, schleudert ihr der berüchtigte Wolkow entgegen und seine Adlati Cal Grogan und Jason untersuchen sie und ihr Handy, in dem ein Tracker sicher versteckt ist. Erst, als sie zum Beweis für ihre Harmlosigkeit ihre Mutter anrufen soll, in Wirklichkeit ihre Kollegen der Agency, die als ihre Eltern liebevoll auf die Tochter reagieren und ihr versichern, wenn es ihr nicht gefiele, solle sie sofort nach Hause kommen, läßt das Mißtrauen ihr gegenüber nach. Aber dieser Empfang war wichtig, denn nun weiß sie, sie muß übervorsichtig sein. Nur gegenüber der Geliebten des Wolkow, Madison, einer schönen, einsamen, fast immer angetrunkenen oder schlimmer, jungen Frau kann sie einfach nett sein und dieser helfen, denn diese wird mehr als schlecht behandelt. Sie stellt sich allerdings auch zu doof an, so dass sich das Mitleid der Leserin in Grenzen hält.
Lange geht es im Krimi jetzt darum, dass Emma/Jessica zum einen ihre Harmlosigkeit nach außen zeigt, aber insgeheim das ganze Schiff erkundet und waghalsige Dinge unternimmt, als sie den Safe knackt, wo ihr abgenommenes Handy liegt und sie die SIM-Karte holt, die sie in das von der Kollegin geliehene Handy steckt und endlich mit London telefonieren kann, denn der Austausch ist wichtig und gibt ihr zudem einfach Sicherheit. In der Tat geht Merkwürdiges an Bord vor. Da werden Gäste empfangen und alles auf harmlos, Reichtum und Alkohol getan, aber irgendetwas Düsteres bereitet sich vor und als Erstes ist Madison dran. Daß Wolkow eigentlich verheiratet ist und zwischendurch auch seine Frau und die Kinder aufsucht, die an Land in einer prächtigen Villa leben, wäre nicht Grund genug, Madison loszuwerden. Sie ist nicht mehr kontrollierbar, zu viel Alkohol und zuviel Sehnsucht nach mehr, als nur am Pool zu liegen und ein Schaustück an der Seite des Russen zu sein, für den sie echt was übrig hat, was ihn nicht schert. Denn sie wird ermordet, das Ganze aber als Drogen-Überdosis ausgegeben und so wird sie ‚entsorgt‘.
Doch ihr Mitgefühl darf Emma nicht ablenken von ihrer Aufgabe, für den bisherigen Verdacht, dass Wolkow mit chemischen Waffen handelt, Beweise zu sichern. Und dann gibt es wieder Hinweise darauf, dass es einen Maulwurf gibt, denn ihre Angaben nach London werden bekannt, ohne dass sie aber selbst angegangen wird. Längst ist Emma sicher, dass ein ihr nicht angenehmer Mitarbeiter in London der Verräter ist, doch als sie das gegenüber London andeutet, wird ihr Schweigen verordnet. Dann kommt Bewegung ins Ganze. Denn auf einmal hat die Yacht, die bisher entweder anlegte oder im Mittelmeer schipperte, ein richtiges Ziel: es geht nach Barcelona. Zwei Tage bleibt man dort und die Mannschaft darf an Land. Als es jedoch heißt, dass jemand an Bord bleiben muß, bietet sich Emma an, denn dann könnte sie weiter nach Beweisen für die kriminellen Aktivitäten des Wolkow suchen. Aber kaum bekommt dies der brutale Grogan mit, bleibt auch er an Deck und beäugt sie mißtrauisch.
Trotzdem traut sie sich erneut an den Safe, kann ihn auch öffnen und findet neben sehr viel Geld und Drogen eine große Anzahl von Papieren, die sie fotografiert und auf einmal sicher ist, das große Los gezogen zu haben: eine handschriftliche Aufstellung von Zahlungen im hohen Millionenbereich: Iran, Rußland, Syrien, Nordkorea. Das sind Waffenverkäufe, damit haben sie ihn, diesen Wolkow. jetzt brauchen sie Federow.
Doch so einfach ist das nicht. Denn als sie am nächsten Tag dann nach Barcelona darf, verschafft sie sich Zutritt zu dem Hotel, wo, wie sie glaubt, das Treffen von Wolkow mit seinen Waffenkäufern stattfindet, und tatsächlich entdeckt sie dort Federow, den größten russischen Waffenschieber, den sie auf der Party der Yacht schon mal gesehen hatte, der nun Wolkow begrüßt und dann gibt es einen Dritten, den sie aber nur vorbeihuschen sieht.
Es gibt einen Londoner Vertrauensmann in Barcelona, Don, den mag sie und umgekehrt. Den weiht sie ein, er warnt sie vor Eigenmächtigkeiten. Doch sie fühlt sich stärker. Und dann wird sie doch entdeckt, auf die Yacht zurückgebracht und dort mißhandelt und mit Kabelbindern festgezurrt. Doch damit kann Emma umgehen, sich befreien und waghalsig – längst wieder in London – den Kontakt zu Federow suchen, ihn stellen und so nebenbei auch noch den Verräter dingfest machen.
Es geht eben alles etwas glatt bei Emma. Sicher ist das genauso ein Anreiz für Leserinnen wie für andere, Emma auf die Seite zu legen.
Was man als Leserin allerdings gar nicht will, ist, schon lange zuvor zu wissen, wer der Verräter ist. Erst beim letzten Krimi wurde angemahnt, daß man sich düpiert fühlt, wenn man die ganze Zeit, auf jeden Fall lange vor dem Ermittler weiß, wer der Mörder ist. Das macht einen nicht froh, sondern man sieht dann im Nachhinein die Lektüre eher als überflüssig an.
Foto:
Umschlagabbildung
Info:
Ava Glass, Codename Emma. Du kannst niemandem trauen, Thriller, Goldmann Verlag 2024
ISBN 978 3 442 49308 1
Ava Glass, Codename Emma. Jede Spur wird Dich verraten,, Thriller, Goldmann Verlag 2023
ISBN 978 3 442 49307 4