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Kategorie: Bücher

redondoAuf der Suche  nach dem seriellen Frauenmörders Little John geht es  von Irland erfolgreich nach Spanien

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zuerst weiß man nach 555 Seiten gar nicht, was man sagen soll. Ja, ein Kriminalroman ist das auch. Aber so viel mehr. Da sind psychologische Aussagen über Menschen, die es in sich haben. Da überlebt einer zweimal seinen eigenen Tod und kann über Nahtoderfahrungen mitsprechen, da gibt es wirklich einen Serienmörder, der es speziell auf Frauen abgesehen hat, allerdings nur während ihrer Menstruation!!, da gibt es eine Psychoanalytikerin, die man für die Aufklärung von Morden gut brauchen kann und da gibt es zuvörderst die dichte Atmosphäre von Glasgow, die sich abwechselt mit Bilbao und obwohl Irland und Spanien doch ganz schön gegensätzlich sind, sind es die Wasser und noch viel mehr, die sich auf einmal ähneln.


Das war erst gemeint damit, so einen Kriminalroman noch nie gelesen zu haben. Das fängt schon damit an, dass hier keiner nach dem Mörder sucht, denn der Polizist Noah Scott weiß genau, dass sich hinter dem legendären Frauenmörder Little John der schmalbrüstige John Clyde verbirgt. Es geht nur noch darum, wie er ihn dingfest machen kann. Und als dieser wieder einmal mit seinem Wagen in einen Wald fährt, fährt Noah Scott ihm nach. Denn er hofft, in in flagranti erwischen zu können. Es geht über Stock und Stein und wie meistens in diesem Krimi kommt das Wasser knüppeldick. Hier von oben, es regnet, dass er kaum das Clydes Fahrzeug verfolgen kann, aber er schafft es und als dieser, wie erwartet, aus dem Kofferraum eine tote Frau herauszerrt und am Ufer, mitten im Wald, ihr ein Grab gräbt und auf einmal Knochen aus der Erde emporspülen, da, genau da, schreitet Noah ein, verhaftet den völlig überraschten Clyde, legt ihm die Handschellen an – und stirbt. Herzinfarkt. Für den nun noch überraschteren Clyde ist das göttliche Vorsehung und er macht sich auf und davon.

Da schluckt man erst mal. Von so einem Zusammentreffen unglücklicher Umstände für den Ermittler und glücklicher für den Täter hat man auch noch nicht gelesen. Aber noch viel überraschter ist man etwas später, als Noah im Krimi wieder auftritt. Es ist alles mit rechten Dingen zugegangen. Denn in der Nähe war eine Gruppe Jäger unterwegs und sie fanden unmittelbar Noah und durch Reanimation wurde er wiederbelebt, was ihm jetzt aber der Kardiologe mitteilen muß, das ist, dass er nur noch kurz wird leben können, denn er hat ein so krankes Herz – Dilartative Kardiomyopathie - , dass er bald wird sterben müssen. Deshalb wird er auch ehrenvoll aus dem Dienst entlassen.

Wer Medizin studieren will oder sich in medizinischen Herzsachen auskennt, ist dieser Krimi eine wahre Fundgrube und Weiterbildung! Auch das ist völlig neu für mich, wie ausführlich später von der Herzkrankheit und den möglichen Hilfen, einschließlich Medikation die Rede ist. Sagen wir es gleich, dies Herz von Noah spielt die zweite Hauptrolle im Krimi, die erste spielt nach wie vor der Mörder Little John.

Und Noah läßt sich von seiner Pensionierung nicht abhalten, als Privatperson – seine Dienstmarke hatte er sowieso noch nicht abgegeben – den Spuren von John Clyde zu folgen. Denn der, ein Neffe, Enkel und Sohn von alten Frauen,d ie am See leben, ist nach Spanien unterwegs. Erstens hat Noah herausgefunden,d aß dieser perfekt Spanisch spricht, zweitens sind die Frauen seiner Familie auf einen Schlag verschwunden, Richtung Amerika zu Wasser, drittens hat er herausgefunden,d aß gerade ein Schiff nach Bilbao abgefahren war und einer im Frachtschiff mitfuhr, der gut Little John sein könnte. Also folgt er ihm und das können wir jetzt nicht im Detail weitererzählen. Es bleibt spannend, wenn jetzt in Bilbao noch das Volksfest dazukommt, wo die Leute sich auch vom strömenden Regen nicht abhalten lassen, sich zu amüsieren.

Wieder ist Noah einfach schlau, wenn er überlegt – und die Autorin läßt uns an den Gedanken und Absichten teilhaben – wie sich einer, der auf der Fahrt unterwegs seinen Mitreisenden umbrachte und sich unter dessen Namen nun bei der Schiffahrtsfirma meldet und arbeitet, mit seiner Vergangenheit aussöhnt. Von wegen. Er mordet weiter. Und das nach dem selben Muster. Es dauert lange und wird schwierig, aber Noah wird ihn stellen. Gleichzeitig verliebt er sich zum ersten Mal in seinem Leben in eine gestandene Frau, die ihn wiederliebt. Er kann das nicht zulassen, denn er ist ja halbtot, bald ganz tot.

Hier verlassen wir die interessante Geschichte in Bilbao, die auch medizinisch eine Einführung in Herzkrankheiten und Herztransplationen ist, vor allem aber mit dieser überraschend kundigen, sehr interessanten Dr. Elizondo auch die Psyche gehörig mitmischen läßt und können, nachdem John Clyde entdeckt und erledigt ist, staunen, was man in einem Krimi alles unterbringen kann, ohne dass dies gewollt oder irgendwie übertrieben wäre. Es ist ein Ritt über den Bodensee, dieser Roman, aber wer sesselfest ist, hat was davon.

Foto:

 

Info:

Dolores Redondo, Wenn das Wasser steigt, btb, März 2025

ISBN 978 3 442 77400 5