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Kategorie: Film & Fernsehen
Drehstart für das ZDF-Dokudrama, das im Jubiläumsjahr 2018 ausgestrahlt wird

Katharina Klein

Berlin (Weltexpresso) - Ob Sie das wissen, daß Trier von Chinesen überrannt wird, die alle das Karl Marx Haus besichtigen wollen? Wenn Gregor Gysi in seinen richtig spannenden Memoiren gerade davon sprach, daß kein westdeutscher Politiker und auch keiner des angeblich wiedervereinten Deutschlands je am Grab der Clara Zetkin in Moskau eine Blume niederlegte, noch ihrer gedachte, was den Franzosen nie unterkäme, die unabhängig von Parteizugehörigkeit die Eigenschaft, Franzose zu sein national herausstellten, so hat er ja recht.

Und geradezu anachronistisch, kleinbürgerlich und mittelmäßig ist der Umgang der Deutschen mit Karl Marx. Lächerlich, daß der mit Goethe berühmteste Deutsche, eigentlich sogar ein bißchen berühmter, in seinem Vaterland zur persona non grata erklärt ist. Denn er spielt einfach keine Rolle. Ob sich das ändert? Das konnte man hoffen, als im letzten Jahr der wirklich unterhaltsame und aufklärerische Film DER JUNGE MARX in die deutschen Kinos kam. Aber letzten Endes wurde er nicht angemessen wahrgenommen. Er ist nicht nur ein richtig guter Film, sondern macht Spaß, weil er die Akteure Marx und Engels als junge Bengels zeigt. 

Nun sind wichtiger zur 'Volkserziehung' und zu einer Sicht auf eine historische Figur die millionenfach ausgestrahlten Fernsehfilme, wichtiger als Kinofilme. Und da kommt nun ein Film in Form eines Doku-Dramas, der vom alten Marx handelt und der schon durch den ihn verkörpernden Schauspieler eine neue Chance für die Wahrnehmung der historischen Figur Karl Marx hat.

Mit Blick auf den 2018 anstehenden 200. Geburtstag von Karl Marx widmet nämlich das ZDF einem der wirkmächtigsten Deutschen ein 90-minütiges Dokudrama mit Mario Adorf in der Hauptrolle. In Prag und Umgebung haben die Dreharbeiten für den Film mit dem Arbeitstitel "Der deutsche Prophet. Die letzte Reise des Karl Marx" begonnen. Unter Regie von Christian Twente spielen – neben Mario Adorf – Sarah Hostettler, Nina Petri, Ruth Marie Kröger, Johannes Klaußner, Lutz Blochberger, Jele Brückner und andere. Autor des Drehbuchs ist Peter Hartl.

"Wir freuen uns, dass wir mit Mario Adorf einen Hauptdarsteller haben, der diese Rolle nicht nur hervorragend verkörpert, sondern sich damit auch einen Lebenswunsch erfüllt", sagt Peter Arens, Leiter der Hauptredaktion Geschichte und Wissenschaft.

Die Rahmenhandlung folgt den Stationen im letzten Lebensjahr von Karl Marx, in dem er und seine Tochter Eleanor gemeinsam auf seinen Werdegang und sein Werk zurückblicken.

"Der Film zeigt Marx, der Weltgeschichte schrieb, auch als Privatmann und Familienvater, wie ihn kaum jemand kennt", sagt Stefan Brauburger, Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte, "und es wird deutlich, wie sich manche Annahmen von Marx in den Finanz- und Wirtschaftskrisen heute widerspiegeln."

Das Dokudrama aus der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte zeigt den berühmten Denker in seiner Zerrissenheit: als Deuter des Welt- und Wirtschaftsgeschehens, der für das praktische Überleben nur wenig Geschick aufbrachte. Als hingebungsvollen Familienvater, der, auch als Folge seines Daseins als politischer Flüchtling, vier seiner sechs Kinder zu Grabe tragen musste und dem Hausmädchen einen verborgen gehaltenen Sohn bescherte. Marx erhob die Stimme für das "geknechtete Proletariat", wusste aber selbst auch gutbürgerlichen Lebenswandel zu schätzen.

Erst nach seinem Tod entfaltete sich die Sprengkraft seiner oft umgedeuteten Ideen. Das "Kommunistische Manifest" bot das Rüstzeug für eine internationale Arbeiterbewegung, die später in sozialdemokratisch orientierten Parteien ihren Siegeszug antrat, es diente aber auch als ideologisches Fundament totalitärer Diktaturen, die Mitte des 20. Jahrhunderts die halbe Welt beherrschten. Von ihm selbst ist der Spruch überliefert: "Ich bin kein Marxist."

"Der deutsche Prophet. Die letzte Reise des Karl Marx" ist eine ZDF-Auftragsproduktion der Gruppe 5 Filmproduktion. Produzent ist Stefan Schneider. Die Redaktion liegt bei Stefan Brauburger und Stefan Mausbach, die Leitung bei Peter Arens. Die Dreharbeiten in der Tschechoslowakei und in Marokko dauern bis zum 23. November. Ein Sendetermin steht noch nicht fest.

Foto: Mario Adorf als Marx © ZDF/ Julie Vrabelova