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Kategorie: Film & Fernsehen

Auf Malta gab's die Europäischen Filmpreise 2012 – zum 25sten Mal

 

Roman Herzig

 

Wien (Weltexpresso) - Abräumen nennt man umgangssprachlich diesen Prozeß, wenn einer alles bekommt. Nicht alles, aber die vier wichtigsten europäischen Filmpreise räumt der Film LIEBE ab, als bester Film, die beste Regie: Michael Haneke, die bester Schauspielerin: Emmanuelle Riva, der bester Schauspieler: Jean-Louis Trintignant. Ganz ohne Preise blieben BARBARA von Christian Petzold oder ZIEMLICH BESTE FREUNDE, der gewaltige Kassenerfolg aus Frankreich.

 

Über letzteres kann man sich am meisten wundern. Denn selbst der Publikumspreis des Festivals ging nicht an diesen französischen Film, der seinen Witz durch jegliche Schönfärberei von Behinderung und abenteuerlich witzig-freche Dialoge erhält, sondern an den belgischen Beitrag HAST LA VISTA, dessen Regisseur Geoffrey Enthoven ihn in Valletta entgegennahm. Daß Maltas Hauptstadt beim Vierteljahrhundertjubiläum Austragungsort war, wird dem heimischen Tourismus hoffentlich helfen, dann tatsächlich ist Malta so etwas wie eine europäische Geschichtsstation.

 

Wer auf Malta und vor allem Gozo die Reste der neolithischen Tempelanlage besucht und die Spuren vom 5. Jahrtausend v. Chr. verfolgt, weiß, daß sie alles schon hier waren und über das Mittelmeer herrschen wollten: Die Phönizier, die Griechen, die Römer, Vandalen, Ostgoten, die Ottomanen – der von den Spanien eingesetzte Malteserorden arbeitete dagegen – später kam Napoleon, den die Engländer ablösten. Malta war also immer strategisch wichtig, obwohl die Malteser erst 1964 unabhängig von der britischen Krone wurden und seit 2004 der kleinste Mitgliedstaat der EU sind. Nun also zog der Europäische Filmpreis mit über 1000 Mitwirkenden ein.

 

Michael Haneke, dessen Film in sechs Kategorien nominiert gewesen war, nahm die Preise alleine entgegen, weil seine Darstellerin Riva erkrankt und Trintignant auf der Bühne stand; darin hat er schon Routine. Er hatte 2005 mit CACHÉ den Filmpreis und die bester Regie gewonnen und 2009 für DAS WEISSE BAND nämliches. Aber darin zeigt sich doch die Fragwürdigkeit von Preisen und dem Verteilen. Haneke hat sie völlig zurecht erhalten, aber andere völlig zu unrecht nicht. Damit meinen wir nicht SHAME von Steve McQueen, für den nur der Kamerapreis für Sean Bobbit und der für Schnitt (Joe Walker) übrig blieb, obwohl der Film für fünf Sparten nominiert gewesen war, genauso wie DIE JAGD von dänischen Regisseur Thomas Vinterberg, der nur den Preis für das beste Drehbuch erhielt. In Cannes hatte dessen Schauspieler Mad Mikkelsen den Darstellerpreis erhalten, den er in Berlin für den deutschen Arzt in DIE KÖNIGIN UND DER LEIBARZT nicht erhalten hatte. Europäisch aber war er erst 2011 ausgezeichnet worden, für die ungewöhnliche Eignung als BESTE EUROPÄISCHE LEISTUNG IM WELTKINO.

 

In diesem Jahr erhielt den Preis dafür Hellen Mirren, die sich sehr persönlich für diese für sie persönlich überaus wertvolle Ehrung bedankte. Wir fanden ihr sehr kritischen Worte über das amerikanische Kino als weltbeherrschende Firma richtig und wichtig. Da spricht gar nichts dagegen, daß sie den Amerikanern einen Großteil ihres Weltruhmes verdankt, denn es geht nie um die einzelne Produktion, sondern darum, wie die USA den Weltmarkt beherrschen und das allein seligmachende Kino sind.

 

DAME KÖNIG AS SPION, die Verfilmung des immerhin schon 1974 erschienen Spionageromans von John le Carré erhielt die Preise für das Szenenbild und Filmmusik. Als bester Dokumentarfilm wurde WINTERNOMADEN von Manuel von Stürler, als bester Animationsfilm ALOIS NEBEN von Tomas Lunak und als Kurzfilm SUPERMAN, SPIDERMAN SAU BATMAN ausgezeichnet.

 

Den Preis für das Lebenswerk erhielt Bernardo Bertolucci, dem Wim Wenders die weibliche Statue überreichte, mit der Europa auf den martialischen Oscar reagiert. Oscarreif auch die Moderation von Anke Engelke, die in jede Rolle schlüpfen kann und es auch tut. Insbesondere ihre Parodie auf SHAME, nackt, aber mit zwei schwarzen Balken an der richtigen, d.h. für Zuschauer an der falschen Stelle, war zutreffend und insgesamt eine intelligente Begleitung.

Seltsam, obwohl alles einsichtig ist, bleibt doch ein Bedauern, warum der so sehenswerte Film BARBARA mit der wunderbaren Darstellung eines sich nahekommenden spröden Paares, dargestellt von Nina Hoss und Ronald Zehrfeld, inmitten einer sich fundamentalistisch gebärdenden DDR des Jahres 1980, die gleichwohl jede Sekunde den Eindruck von Heimat ausstrahlt, außer dem Bären für die beste Regie in Berlin keinen Preissegen erhalten hat. Dieser Film ist für den Auslandsoscar benannt, dessen Nominierungen im Januar erfolgen und der dann im Februar verliehen wird.