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Kategorie: Film & Fernsehen
berl18 16iranDer Wettbewerb der 68. Berlinale vom 15. bis 25. Februar, Film 16

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Das ist schon fast ein Gütesiegel, iranischer Filmemacher zu sein. Ob es ein Gen gibt oder doch nur die guten Vorbilder und eine politische Situation, in der Filme eher als Worte Subversives transportieren können?

Der Trick von Mani Haghighi, der schon mehrfach in anderen Sektionen der Berlinale Filme vorgeführt hatte, und zum ersten Mal im Wettbewerb dabei ist, liegt nun darin, daß er die eigene Klientel, also die Filmemacher, vorführt, noch dazu indem er einen nach dem anderen sterben läßt. Nein, sie sterben nicht dahin, sondern werden von irgendeiner Macht einen Kopf kürzer gemacht, wobei immer nur die Köpfe aufgefunden werden und die Körper unbestattet irgendwo entsorgt worden sind. Von wem? Vom Mörder.

Es geht also ein Regisseurmörder in Teheran um und ausgerechnet Regisseur Hasan Kasmai (Hasan Majuni) bleibt verschont. Dieser Bär von einem Mann, mit breitem Kreuz und kräftigen Beinen, auf denen er Standfestigkeit vermittelt, mit lockigem längerem Haupthaar, das konturlos in den Vollbart übergeht, was bleibt ihm übrig, als beleidigt zu sein, weshalb der Regiemörder ihn schont. Soll das etwas heißen, er kann nichts?

Die Regierung auf jeden Fall ist nicht dieser Meinung, sonst hätte er nicht Drehverbot für Spielfilme. Seit Jahren steht er auf der schwarzen Liste von oben und muß lächerliche Werbefilmchen drehen. Seine Muse, die er sich neben seiner Ehefrau leistet, also eben auch seine Geliebte, ist es leid, seines Drehverbotes wegen ihren Beruf als Schauspielerin nicht mehr ausüben zu können. Deshalb läßt sie sich erst heimlich, dann ganz offen vom Konkurrenten anheuern. Dennoch: Die Frauen hat er im Griff, scheint es von Hasan. Nur eine Frau, bei der ist es umgekehrt, da wird er der kleine Junge, der Hilfe sucht: seine Mutter.

Nein, diese Konstellation ist in der testosterongesteuerten Welt nicht neu, aber sie macht immer wieder etwas her, wie hier, wo die bürgerlich mit Kopftuch erscheinende ältere Hausfrau mit dem Gewehr umgehen kann wie mit dem Kochlöffel, nur mit schlimmeren Folgen. Doch, die hat was, diese Mama, die in ihrem Sohn den Halbgott sieht, für den sowieso keine Frau gut genug ist. Die Ehefrau wird zu Managerin des Mannes und die gemeinsame Tochter nabelt sich gerade ab. Von der Stalkerin, einer leicht irren, aber sehr erfolgreichen Frau wollen wir jetzt nicht sprechen, denn erst muß vom Kinogenuß, von den glühenden Farben der Leinwand gesprochen werden.

Dieser Film ist eine Symphonie in Rot. Er hat einen Beginn, den man kaum glauben mag und auch nicht, daß dies in Persien gedreht wurde. Erst sind es die jungen Dinger, die mit ihren Handys die soziale Realität der Jugend der Welt in Teheran genauso abbilden, wie sie auch in anderen Ländern, eben denen des Westens stattfinden, wobei das Internet und die sozialen Medien sicher in Ländern wie dem Iran eine viel wichtigere Funktion haben als bei uns, wo Radio, Fernsehen und Zeitungen Nachrichten und Kommentare vielfältig verbreiten.

Damit sind wir eingestimmt darauf, daß das Netz alles sieht und alles weitersagt. Ein Grundtenor des Films. Und wie es gebührt, geht das mal für mal gegen unseren Hauptdarsteller, den selbstverliebten Regisseur aus, dem bitter mitgespielt wird. Aber noch waren wir bei der Farbsymphonie zu Beginn, die gleich nach den Schulmädchen kommt, die übrigens sofort an die Nichte von Jafar Panahi im Film TAXI TEHERAN erinnern. So selbstbewußt, ja frech, unternehmungslustig und unerschrocken. Dann kommt die Bühne. Man glaubt, die Leinwand birst, so wirbelt es hin und her, diese Gestalten, die wie Käfer mit roten Kostümen nicht anderes bewirken sollen, als daß ein bestimmtes Produkt gekauft wird, das ihnen beim Niederfallen aus dem Munde läuft. Kein Wunder, daß der Auftraggeber entsetzt ist.

Zurück zum Netz, zurück zu den sozialen Medien. Ja, das ist auch anderen aufgefallen, daß ein Regisseur nach dem anderen einen Kopf kürzer wird, nur Hasan nicht. Was tun? Als er dann noch erfährt, daß seine Geliebte wirklich mit seinem Konkurrenten drehen will, dreht er durch und sucht diesen des Nachts heim. Aber er kommt zu spät oder zu früh. Je nachdem. Denn der gute Mann ist tot. Ein abgeschnittener Kopf zeigt das. Nichts wie weg. Leider ist auf den Überwachungskameras sein Eindringen ins Haus festgehalten, das er mit einem Freund unternahm. Also nimmt ihn die Polizei folgerichtig und weil sie eben nicht besonders schlau ist, fest.

Das nun wiederum wurmt den echten Mörder. Der schreibt dem Kommissar, er solle doch das Videoband mal genau betrachten, denn er sei auch drauf und habe sich versteckt, als der unschuldige Hasan aufkreuzte. Und um die Unschuld des Hasan und die Schuld des vielfältigen Mörders zu beweisen, wird nun auch noch der Kopf seiner Geliebten aufgefunden, während Hasan im Gefängnis sitzt. Nein, der Mörder läßt sich nicht lumpen.

Nun war Hasan längst von den sozialen Medien zum Schuldigen für alles und jedes erklärt worden, ein Shit-Sturm wie er im Buche steht. Doch mit Hilfe seiner Tochter bäumt sich der aus dem Gefängnis entlassene Hasan auf und schlägt mit den Mitteln des Internets zurück. Nein, mehr wollen wir jetzt nicht verraten, von diesem feurigen Werk, das zeigt, welche kleine weiche Seele in so einem gekränkten Mannsbild steckt. Das wußte man zwar schon vorher, aber nicht so schön rot und mit vielen abgeschnittenen Köpfen.

Uns kam beim Zuschauen immer wieder der SCHUNDROMAN in den Sinn, wo der Frankfurter Schriftsteller Bodo Kirchhoff im Stile der Schundliteratur über Liebe, Verbrechen und Gewalt schrieb. Dieses deftige Stück Kino von Mani Haghighi hat was davon. Und außerdem ist das Thema Mann und das Kind im Mann nicht totzukriegen.

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© berlinale.de