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Kategorie: Film & Fernsehen
f was uns nicht umbringtSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. November 2018, Teil 3

N.N.

Berlin (Weltexpresso) – Ein Film, der nahe am Leben ist, ein Film, der Mut macht – was war die Grundidee zu WAS UNS NICHT UMBRINGT?

Die erste Idee war tatsächlich der Titel. Er hat mir so gut gefallen, dass ich mir dazu einen Film ausdenken wollte. Und er legt das Kollektive ja schon vor: Es geht um eine Gruppe von Menschen, die trotz ihrer elementaren Unterschiede auch viele Gemeinsamkeiten haben, sei es altersbedingt oder sozial bedingt, weil sie Kinder, Neurosen, Haustiere haben, Krankheiten oder Verwandte. Es verbindet sie mehr als es zunächst den Anschein hat – und beim Therapeuten laufen alle Fäden zusammen. Denn welch besserer Ort, um Menschen in der Krise zu begegnen, als das Behandlungszimmer eines Therapeuten?


Es geht um verschiedene Facetten des Unglücklichseins – irgendwo zwischen Liebe und Tod. Wie findest du deine Geschichten?

Wir denken uns die Gefühle, von denen wir erzählen, ja nicht aus, die kennt jeder. Liebe, Angst, Schmerz, Wut, Enttäuschung, Glück. Meine Geschichten drehen sich immer um die Gefühle, die mich zu der Zeit am meisten beschäftigen, sie müssen emotional von dem erzählen, was mich bewegt und womit ich mich auskenne (Hawks hat immer gesagt, „write about what you know“, und daran halte ich mich), sei es nun in Gestalt eines Piloten mit Flugangst, einer trauernden Schriftstellerin oder einer zwanghaften Zoowärterin. Ich finde aber, es geht in WAS UNS NICHT UMBRINGT viel mehr um Sehnsucht als um Unglücklichsein (auch wenn uns unerfüllte Sehnsüchte sehr unglücklich machen können). Es geht um das Wagnis, die Hoffnung nicht aufzugeben, egal wie alt wir sind oder wie viel wir schon erlebt haben oder wie oft wir schon enttäuscht wurden. Und das ist ein Grundgedanke, der natürlich aus meinem eigenen Leben kommt. Auf der Suche nach Liebe und in der Begegnung mit dem Tod. Da bin ich und das kenne ich.


Etwas, das die Figuren verbindet, ist, dass sie nicht aus ihrer Haut können. Ist das womöglich ein typisches Problem der „50something“?

Nein, es ist eher so, dass viele von uns in diesem Alter typischerweise nochmal aus ihrer Haut müssen, ob es uns nun passt oder nicht. Damit das Leben eine Chance hat, nicht alles um einen herum einschläft, trostlos oder eintönig wird, oder ungeliebt. Dass das mit 50 nicht mehr so einfach ist wie mit 20, ist klar. Aber gerade deshalb ist es natürlich auch interessanter. Weil es eine viel größere Herausforderung ist. Und in der Regel viel Mut verlangt.


Gab es eine Figur oder eine Geschichte, die am Anfang stand und um die herum du die anderen Geschichten entwickelt hast?

Der Therapeut stand von Anfang im Zentrum dieses Reigens. Alle Fäden sollten auf die eine oder andere Weise bei ihm zusammenlaufen. Trotzdem habe ich die einzelnen Geschichten zunächst getrennt geschrieben, alles andere wäre schlicht unmöglich gewesen.


Was ist die besondere Herausforderung eines Episodenfilms?

Ganz klar die Struktur. Was im Buch funktioniert, funktioniert im Schnitt oft überhaupt nicht. Ein Film hat seine eigenen Gesetze, eine eigene Dynamik, und nur der Film selbst kann sie verraten: Was funktioniert und was nicht. Das Nervenaufreibende während des Schnitts ist, dass man an einer Stelle eine Sache umstellen kann, und das dann auf eine ganz andere Stelle eine ungeplante Wirkung hat. Der Schmetterlingsflügel-Effekt. Nichts ist vorhersehbar, man muss alles ausprobieren. Ob es funktioniert, weiß man erst, wenn man den Film im Ganzen schaut.


Hast du hier eine Lieblingsfigur?

Nein, das kann ich nicht sagen. Aber ich glaube, Hannes, gespielt von Bjarne Mädel, ist von allen der Beneidenswerteste. Vielleicht auch der Liebenswerteste. Er weiß so genau, was er will und wen er liebt und hat keine Angst zu sagen, was er denkt, nichts steht ihm im Weg. Ich bewundere ihn, und deshalb kriegt er auch das Mädchen, das sich partout nicht kriegen lassen wollte.


In gewisser Weise ist auch WAS UNS NICHT UMBRINGT ein „Hundefilm“. Nach dem Familienfilm SERGEANT PEPPER schon der zweite. Ist das Zufall?

Nein, ein Hundefilm ist es nicht, aber ein Hund kommt wieder vor. In HELEN kam auch ein Hund vor. Hunde, als Begleiter, als Teil der Familie, haben in meinem Leben schon immer eine Rolle gespielt, und kurz vor den Dreharbeiten habe ich mir meinen ersten eigenen geholt. Sie ist eine wunderbare Hündin aus Rumänien. Aber es ist auch eine große Verantwortung. Ich kann mir nicht vorstellen, sie jemals wegzugeben. Max tut das. Weil er weiß, dass Panama es bei Ben besser haben wird als bei ihm. Und manchmal suchen sich die Hunde eben ihre Menschen aus und nicht umgekehrt. Es ist ein großes Glück, wenn dem nichts im Weg steht.


Verändert ein Hund die Stimmung am Set?

Auf jeden Fall. Ich hatte bisher ganz großes Glück mit den Hunden in meinen Filmen, Buddy in WAS UNS NICHT UMBRINGT kam aus dem Büro nebenan und freute sich eigentlich nur, mit uns zusammen zu sein, und Cleo aus SERGEANT PEPPER kam damals von und mit einer ganz tollen Trainerin aus Amsterdam. Leider neige ich dazu, mehr auf den Hund zu achten als auf die Schauspieler... das ist auch nicht immer so günstig. Die Herausforderung hier war, dass August Zirner keine Bindung zu dem Hund aufbauen durfte – was weder für August noch für den Hund eine leichte Aufgabe war. Aber er hat seine Sache ganz toll gemacht. Der Hund. August natürlich auch.


Du schreibst deine Drehbücher selbst. Was ist der Unterschied bei der Inszenierung eines Drehbuchs, das nicht von Sandra Nettelbeck stammt?

Das kann ich nicht beurteilen, da ich das noch nie gemacht habe. Aber umgekehrt, ein Drehbuch schreiben und nicht selbst inszenieren – das war bisher immer eine sehr angenehme und erfreuliche Arbeit. Es macht mir großen Spaß, nicht nur, weil ich so gern schreibe, sondern weil es viel für sich hat, nicht jahrelang an einem Projekt zu hängen: Man schreibt ein paar Wochen am Drehbuch, reicht es weiter und kann selbst gleich was Neues anfangen. Den Kampf der Umsetzung tragen die anderen aus. Das ist eine willkommene Abwechslung.


WAS UNS NICHT UMBRINGT versammelt die crème de la crème deutscher Schauspieler. Hattest du die Besetzung beim Schreiben schon vor Augen?

Ein Teil der Rollen war den Schauspielern auf den Leib geschrieben, August, Oliver, Barbara, Christian, Jenny. Das war ein schönes Privileg und hat beim Schreiben sehr geholfen. Johannas Rolle war ursprünglich für Sophie Rois geschrieben, sie musste leider ganz kurz vorm Dreh absagen. Aber dann kam Johanna, buchstäblich über Nacht, und sie hat nochmal eine ganz andere Farbe in den Film gebracht, sie hat die Rolle schlicht neu erfunden. Und uns gerettet! Für August die Rolle zu schreiben, war einfach, ich kannte den Therapeuten ja schon aus Martha und Sergeant Pepper, und es war eine wunderbare Aufgabe, hier zum ersten Mal aus seinem Privatleben und von seinen Gefühlen zu erzählen, statt nur von seinen Patienten. Und dabei gefällt mir besonders, dass er heute 20 Jahre älter ist als damals, als Martha noch für ihn gekocht hat.


Mit vielen der Schauspieler verbindet dich eine jahrelange Zusammenarbeit. Hier u.a. Johanna Ter Steege, Barbara Auer, August Zirner, Oliver Broumis – macht das das Arbeiten leichter?

Ja klar. Es ist sehr schön, wenn man sich kennt, vertraut ist, sich mag. Wir sprechen die gleiche Sprache und ich glaube, uns verbindet vor allem unser Humor und zugleich der Ernst, mit dem wir bei der Sache sind. Ich glaube zu wissen, was die Schauspieler brauchen, und ich weiß, dass sie mir (Gott sei Dank) vertrauen, sie wissen, dass ich auf sie aufpasse.


Langjähriger Wegbegleiter ist auch dein Kameramann Michael Bertl. Was schätzt du an ihm?

Oh, wo soll ich da anfangen? Ich liebe seine Arbeit, sein Talent, seine Kunst, seine Farben, seine Bilder. Ich weiß, dass wir zusammen passen, dass wir uns ergänzen, dass er mit seinen Bildern genau das erzählt, worauf es mir ankommt, was im Buch steht. Ganz wichtig für mich persönlich ist seine sagenhafte Ausdauer, sein klarer Blick, sein herrlicher Humor, und dass er so oft genau das richtige Wort im richtigen Moment für mich hat. Er ist außerdem mein bester Freund und das seit vielen Jahren. Ich kann mir nicht vorstellen, ohne ihn einen Film zu machen. Und das Schönste daran ist, es wird immer besser. Und immer vergnüglicher.


Beim letzten Film hat Hans Zimmer die Musik gemacht. Diesmal ist es Volker Bertelmann, bekannt als Hauschka. Wie habt ihr zusammengefunden und zusammengearbeitet?

Es war nicht geplant, ich hatte eigentlich einen anderen Komponisten. Aber als sich die Dinge in der Postproduktion verzögerten, sprang der Komponist ab und wir mussten einen neuen finden. Ich kannte Hauschka nicht. Er war einer von mehreren Vorschlägen. Und es reichten ein paar Takte seiner Musik und ich wusste sofort, dass er der Richtige ist. Dann hatte ich das große Glück, dass ihm der Film gefiel und er Lust hatte, ihn zu machen. Wir mussten ein paar Monate auf ihn warten, aber das Warten hat sich gelohnt. Die Arbeit mit ihm war absolut großartig, so wie man es sich eigentlich immer wünscht! Ich hoffe sehr, dass wir noch viel zusammen machen werden.


Du sagst, dieser Film mache dich besonders stolz. Warum? Was ist anders als bei deinen anderen Filmen?

Ich glaube, es ist ein sehr erwachsener Film, der sehr ernst und zugleich sehr leicht ist. Es war höllisch schwierig, die vielen Geschichten so ineinander zu verschränken und nebeneinander zu erzählen, dass es funktioniert, und dabei eine Art Lebensgefühl zu vermitteln, ohne moralisch zu werden, von Befindlichkeiten zu erzählen ohne sich zu wiederholen oder zu langweilen. Ich hoffe zumindest, dass mir das gelungen ist. Ich wünsche mir, dass die Leute erfüllt und gut unterhalten aus dem Kino gehen ohne für dumm verkauft worden zu sein. Es ist ein sehr persönlicher Film, der eine Leichtigkeit hat, die ich in meinen letzten beiden Filmen nicht gefunden habe. Ich habe in den letzten Jahren so einiges überlebt. Dieser Film ist das Ergebnis davon. Und wenn es der letzte wäre, wäre das auch ok.

Foto:
© Verleih

Info:
BESETZUNG
Max              AUGUST ZIRNER
Sophie          JOHANNA TER STEEGE
Loretta          BARBARA AUER
Fritz              OLIVER BROUMIS
Sunny           JENNY SCHILY
Hannes         BJARNE MÄDEL
Mark             CHRISTIAN BERKEL
Henriette      VICTORIA MAYER
Isabelle         DEBORAH KAUFMANN
Ben               MARK WASCHKE
David            PETER LOHMEYER
Fabian          DAVID ROTT
Eleonor        LEONIE HÄMER
Esther          MARIE JECKE
Lars              KRISTO FERKIC
Laurie            LAUREN LEE SMITH
Robert          MICHAEL IHNOW

Abdruck aus dem Presseheft