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Kategorie: Film & Fernsehen

zdf-angstüber ihre Rolle der Staatsanwältin in "GEGEN DIE ANGST" . ZDF - 25. März - 20.15 Uhr / via Mediathek bis 21. Juni 2019 

Elke Eich 

Berlin (Weltexpresso) - Bei einer Verfolgungsjagd von kriminellen Mitgliedern eines arabischen Clans wird in Berlin Neukölln ein Polizist angeschossen und erliegt später seinen Verletzungen. Beim Einsatz dabei: Die junge Polizistin Leyla (Sabrina Amali), die aus dem gleichen Clan wie die Kriminellen stammt, und im fliehenden Täter ihren Cousin Hisham erkennt. Ein dramatischer Konflikt ist für sie vorprogrammiert: Soll sie eine ehrliche Zeugenaussage Aussage, oder ihr Wissen aus Solidarität und Angst vor Bestrafung innerhalb der eigenen Großfamilie für sich behalten?


69632 2 17Die für den Fall zuständige Staatsanwältin Judith Schrader war die heimliche Geliebte des Mordopfers und ist daher persönlich betroffen. Vehement appelliert sie an Leylas Gesetzestreue und will sie dazu bringen, gegen ihren Cousin auszusagen.

Nadja Uhl, die gerne komplexe Stoffe aussucht, übernahm nach reiflichen Überlegungen die Rolle der Staatsanwältin in dem Justiz-Thriller über die Bekämpfung Organisierter Kriminalität im Milieu arabischer Clans.  In Berliner Gerichtssälen erfuhr sie einiges über die Arbeitsweise der trotz aller Professionalität oft ohnmächtigen Justiz.

Was hat Dich an der Aufarbeitung des Themas „Clan-Kriminalität“ und an Deiner Rolle gereizt?

Nadja Uhl: Das ist ein sehr kompliziertes Thema, in das ich komplett neu eingestiegen bin. Ein sehr komplexes Feld, mit dem ich bislang keine Berührungspunkte hatte.
Ich habe mich mit diesem Film auf etwas eingelassen, was meinem Erlebnisbereich bis dahin überhaupt nicht entsprach. Die Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund, die ich kenne, kommen aus ganz normalen Strukturen. Sie sind Teil unserer Zivilgesellschaft und versuchen, ihren Job gut zu machen.


Was ist neben dem Wunsch nach künstlerischen Herausforderungen Dein menschlicher Antrieb, Dich in Filmen wie „Gegen die Angst“ und „Operation Zucker“ einzubringen?

Nadja Uhl: Grundsätzlich mache ich ab und zu solche Filme, weil ich natürlich dem Gefühl folge, dass wir uns alle irgendwie auf so ein grundsätzlich humanistisches Wertesystem geeinigt haben. Und wenn man auf grundsätzliche Konflikte mit den Wertegrundsätzen unserer Gesellschaft stößt, muss man versuchen, in seinem Bereich einen Beitrag zu leisten. So empfinde ich das jedenfalls. Dabei sollte man offen bleiben und weder vorverurteilen, noch vereinfacht urteilen.


Was waren denn Deine konkreten Bedingungen, um Dich für dieses Projekts zu gewinnen?

Nadja Uhl: Als ich das Angebot für die Rolle der Staatsanwältin Judith Schrader bekam, habe ich mit dem Drehbuchautor Robert Hummel und der Produzentin Heike Streich besprochen, dass das nur differenziert und als Zerreißprobe darstellt werden kann. Bei solchen Stoffen finde ich es interessanter, den moralischen Zeigefinger wegzulassen und die Botschaft nicht gleich „mitzuliefern“.


Dein Anspruch auf differenzierte Darstellung bedeutete was für den Film als Ganzes?

Nadja Uhl: Wichtig war, dass die im Film agierenden Figuren in Konflikte verwickelt sind und auch damit beim Zuschauer das Interesse wecken. Machmoud Al-Fadi (Atheer Adel) und Hisham Al-Fadi (Burak Yigit) sind im Film die Bösen und trotzdem schaut man ihnen auch gerne zu. Dann gibt es die junge Polizistin Leyla Sharif (Sabrina Amali), die zu deren Clan gehört, aber auf der Seite des Gesetzes steht. Alle drei entwickeln eine große Kraft und eine eigene Dynamik, die die Zuschauer an einer besonderen Welt teilhaben lässt. Und die sollte nicht Schwarz-Weiß dargestellt werden.


Wie zeigt sich denn die von Dir gewünschte „Zerreißprobe“ bei „Deiner“ Staatsanwältin Judith?

Nadja Uhl: Judith ist auch eine ebenso spannende, wie ambivalente Figur voller Widersprüchlichkeiten: Obwohl sie das Gesetz vertritt, ist sie auf einer Gradwanderung in Grenzbereichen zwischen vorschriftsmäßigem Dienst und ausgeprägtem Ermittlungseifer unterwegs.


Zur Vorbereitung auf Deine Rolle hast du Dich intensiv mit Staatsanwälten, Richtern und Polizisten unterhalten und warst bei einigen Prozessen als Zuschauerin dabei. Wie waren Deine Reaktionen darauf?

Nadja Uhl: Ich habe mich gefragt, ob ich bereit wäre, den Beruf als Staatsanwältin oder Richterin in diesem Spannungsfeld der organisierten Kriminalität auszuüben. Das Internet ist ja voll mit Fällen von bedrohten Justizmitarbeitern. Das heißt, um ein Gesetz umzusetzen, riskieren diese Leute, in eine permanente Bedrohungssituation zu geraten! Ich bezweifle übrigens auch, dass das, was sie leisten und liefern, immer so wertgeschätzt wird. Diese Ohnmacht, die zum Teil herrscht, wenn man gegen diese organisierten Strukturen gar nicht ankommt, plus der persönliche Preis, der bezahlt werden muss! - Das würde ich mir nicht antun!


Und wie hast Du diese fast heldenhaft agierenden Mitarbeitern der Justiz bei Ihrer Arbeit vor Gericht erlebt?

Nadja Uhl: Es sind ruhige, sachliche Menschen, denen es gelingt, im Alltag bei Gericht ihre Gefühle weitestgehend rauszulassen. Ich erinnere mich da z.B. an eine sehr beeindruckende Richterin, die heftigste Fälle behandelt hat, in denen es u.a. um kleine Kinder und Mord ging.

Als normaler Mensch und Laie fragt man sich bei solchen Prozessen: „Wie können die so ruhig bleiben, wenn es um die 5fache Vergewaltigung eines 12-jährigen Mädchens geht, die Schwester weint und die Täter lachen?“ Bei mir persönlich war bei dem Fall auch eine Toleranzgrenze erreicht, als eine Anwältin einem der Täter lachend auf den Rücken klopfte. Angesichts dieser absoluten Geschmacklosigkeit habe ich mich gefragt: „Was läuft eigentlich hier für eine Nummer?“


Eine ähnliche Wirkung auf den Zuschauer hat sicher auch eine vergleichbare Gerichtsszene mit der Anwältin des Al-Fadi-Clans im Film. Mehrere Befragungs-Szenen überraschen durch ihre unspektakuläre und unaufgeregte Systematik.

Nadja Uhl: Sich nicht emotionalisieren zu lassen, selbst wenn es um schwierige Fälle und solche Provokationen geht, ist wirklich eine große Herausforderung. Deshalb war für mich bei meinen Recherchen das Orientieren an Fakten, an Ruhe und Sachlichkeit besonders beeindruckend.

Vor allem habe ich gelernt, dass die extreme Versachlichung vor Gericht der einzige Weg ist, mit diesen Dingen umzugehen. Und falls jemand zu Unrecht vor Gericht stehen sollte, würde er es immer sehr schätzen, dass da ein ruhiger, sachlicher Richter sitzt und kein Hitzkopf.


Wie weit kommen denn diese Vertreter der Justiz mit dieser Professionalität und konsequent beibehaltenen Sachlichkeit, wenn es um Aufklärung geht?

Nadja Uhl: Ich bin ja keine Justizfachfrau, aber mein persönlicher Eindruck war, dass den Richtern und Staatsanwälten oft ein bestimmter Support, sozusagen die „Handhabe“, fehlt, um Entscheidungen, bzw. Urteile fällen können, die angemessener wären.


Könntest Du ein konkretes Beispiel für mangelnde „Handhabe“ geben?

Nadja Uhl: Mir wurde oft das Stichwort „Beweislastumkehr“ genannt! Solche Stolpersteine erschweren scheinbar den Justizalltag sehr. Den Begriff kann ich nur laienhaft erklären: Im Film finden wir ja in der Wohnung des Angeklagten diesen Schuhkarton mit 60/70.000 Euro. Ein wichtiger Fund, sollte man meinen!

Aufgrund der „Beweislastumkehr“-Regel muss aber die Justiz beweisen, dass dieses Geld aus dubiosen Quellen stammt, um im Fall weiterzukommen. Das deckt sich mit dem Dilemma, auf das ich in einer Dokumentation aufmerksam wurde: Darin ging es häufiger um jemanden, der trotz Bezugs von Sozialleistungen z.B. ein Auto im Wert von € 100.000 € fährt: Statt dass der Verdächtigte nachweisen müsste, woher ungewöhnlich hohe Geldsummen oder solch ein Auto kommen, liegt die Beweislast bei der Behörde.


Du erwähntest Angeklagte, die vor Gericht auch mal provokativ lachen. Fühlen sich die Clan-Kriminellen denn nahezu unantastbar?

Nadja Uhl: Jedenfalls erschien mir, dass es schwer ist, an die Leute ranzukommen oder Rechtsprechungen zu finden, die wirkungsvoll sind. Es gibt Täter die wiederholt vor Gericht stehen und das fast schon sportlich sehen, selbst wenn es zu Verurteilungen kommt. So, wie das in unserem Film auch thematisiert wurde: „Knast macht Männer!“ - übrigens eine Originalaussage aus einer Dokumentation! Noch kritischer finde ich, wenn solche Aussagen von den Müttern kommen. - Das ist trostlos!


Eines der Hauptprobleme im Umgang mit Menschen aus solchen kriminellen Clan-Strukturen, ist die Existenz einer fest etablierten Parallelgesellschaft, die massive Drohkulissen aufgebaut hat. Und die ist nicht über Nacht entstanden. Was denkst Du darüber?

Nadja Uhl: Da denke ich an die Malami-Kurden, die in den 70iger Jahren über Ostberlin nach Westberlin eingereist sind. Wenn man die Geschichte der Libanesen-Clans historisch betrachtet, die im Libanon wie in der Türkei als Ausgegrenzte nie an den Gesellschaften teilhaben durften, muss man erkennen, dass ihr über Jahrzehnte gewachsenes Überlebens- und Lebensmodell möglicherweise eine Folge genau dieser Ausgrenzungen ist.

Sie haben sich „erfolgreiche“ Strukturen aufgebaut. Also, „erfolgreich“ gemessen in der heutigen Zeit am Geld. Die Frage ist jetzt allerdings: Wie kompatibel ist das mit den Werten unserer Gesellschaft, und wo gibt es überhaupt einen Ansatz für Veränderung?


Diese filmische Auseinandersetzung mit der Ohnmacht des Staates angesichts der Strukturen eines Clans, der nur seine eigenen Gesetzte befolgt, ist sehr unbequem und beunruhigend.

Nadja Uhl: Dieser Konflikt ist real und ein Spiegel der Gesellschaft, und wie damit umgegangen wird ist interessant.

Leyla ist für mich ein Symbol für den Wunsch nach gesellschaftlicher Integration und Einbindung in ein System jenseits der Interessen ihres Clans. Letztlich scheitert sie.


Nadja Uhl: Unser Film zeigt, dass es einen großen Interessenskonflikt zwischen unterschiedlichen Wertvorstellungen gibt, der sich u.a. auch in dem Konflikt um Leyla zeigt. Scheinbar sind die daraus entstehenden Konflikte gesellschaftlich ein viel relevanteres Thema, als mir und vielen anderen das lange bewusst war oder ist.

Anfangs erwähntest Du den hohen persönlichen Preis, sprich große Beeinträchtigungen und Angst, die Vertreter der Justiz aufgrund ihrer Tätigkeiten im Segment der Clankriminalität in Kauf nehmen müssen. Auch Leyla muss einen hohen Preis zahlen. Sie ist in einem liberalen Familienmilieu aufgewachsen, lebt mit ihrer Mutter und den Schwestern zusammen und landet wegen ihrer Zeugenaussage als Polizistin unter vehementen Druck, quasi in Sippenhaft, ihres arabischstämmigen Clans.

Nadja Uhl: Ein solcher Interessenskonflikt, wie der von Leyla, scheint in der Tat sehr realistisch zu sein. Mir haben Polizisten häufiger gesagt, dass das wirklich ein Thema ist.


Leyla spiegelt als Figur ebenso wenig das traditionelle Rollenbild für arabische Frauen wider, wie ihre Mutter und ihre Schwestern. Welche Bedeutung hat dieser Aspekt für Dich?

Nadja Uhl: Ich persönlich empfinde es als sehr schwierig, wenn archaische Rollenbilder weiter transportiert werden, nach denen Mädchen z.B. am Schulbesuch gehindert werden können oder sogar Ehrenmorde denkbar sind.


Nun geht es in Eurem Stoff ja NICHT um Konflikte innerhalb unserer Gesellschaft, die in einer strengen bzw. extremen Auslegung des Islam wurzeln. Zumindest nicht in einem vordergründig religiösen Sinn.  Der Fokus liegt vielmehr auf dem Dogma des tribalen Zusammenhalts als Rückgrat und Basis für die Existenz einer Gruppe. Einer Gruppe, die halt mit organisierter Kriminalität erfolgreich. Ist der Sog in die Kriminalität übermächtig?


Nadja Uhl: Unser Film behandelt ausschließlich die Clan-Kriminalität. Es fängt immer mit dem Geld an: Wenn ein profitables Geschäftsmodell „sich rechnet“, sind immer viel mehr Menschen und Gruppen daran beteiligt, als wir wahrhaben wollen.

Erst ist alles kriminell, und wenn genug Geld gewaschen ist, kommen die Leute in der Mitte der Gesellschaft an. Da muss sich die Gesellschaft auch hinterfragen und aufdecken, warum das so möglich gemacht wird.


Gruppen, die durch organisierte Kriminalität Macht ausüben, gibt es überall auf der Welt. Welche – meist ethnisch definierte - Gruppen das dann jeweils sind, variiert ja stark. Auch kriminell unterwanderte Polizeistrukturen und Justiz-Apparate sind ja genauso wie die Bildung von Parallelgesellschaften ein universelles Phänomen... Der Geldwäsche-Mechanismus neutralisiert den Gestank von schmutzigem Geld auch schon seit Ewigkeiten... Das lässt leider nicht gerade Hoffnung aufkommen!

Nadja Uhl: Ganz nüchtern betrachtet verdienen einfach zu viele an diesen Strukturen sehr gut, und zwar bei weitem nicht nur – wie in unserem Fall - die Clan-Mitglieder. Auch unsere Clan-Anwältin im Film rechnet sicher nicht nur nach Gebührenordnung ab.

Es ist doch wie immer bei all diesen Sachen: Follow the Money! Und Du wirst die Motive, die Hintergründe und auch die Beteiligten erkennen! Es ist zu leicht, mit dem Finger immer auf die offensichtlich bösen schwarzen Schafe zu zeigen. In der Herde gibt es einfach ganz viele Beteiligte!



Es ist schwer, solch üble Teufelskreisläufe aufzulösen, in denen die Agierenden kaum bis gar nicht mehr frei und vernünftig entscheiden können! Ich denke dabei auch an solche Vorstellungen, wie: „Knast macht Männer!“.


Nadja Uhl: Wie man solche Kreisläufe unterbrechen und Menschen aus solchen Zwängen herausholen kann, weiß ich auch nicht! Auf jeden Fall müssen wir darüber diskutieren, und zwar ehrlich darüber diskutieren. Und wir müssen ehrlich und offen hinschauen! Vielleicht hilft der Film dabei.

Fotos:
Staatsanwältin Schrader (Nadja Uhl) vor Gericht beim Prozess gegen den des Mordes Angeklagten © ZDF / Christoph Assmann

Staatsanwältin Schrader (Nadja Uhl) bangt um ihren Geliebten, Kommissar Wiegand (Andreas Pietschmann), der offenbar von einem kriminellen Clanmitglied niedergeschossen wurde
© ZDF / Lars Liebold


Info:
heute 20.15 im ZDF GEGEN DIE ANGST, Kriminalfilm
anschließend um 21.45  DIE MACHT DER CLANS, Dokumentation


"GEGEN DIE ANGST" ist für den Deutschen FernsehKrimi-Preis nominiert.

Es spielen neben Nadja Uhl unter anderem: Dirk Borchardt, Andreas Pietschmann, Atheer Adel, Altamasch Noor, Patrick Güldenberg, Sabrina Amali, Judith Engel und Irene Rindje.

Buch: Robert Hummel
Regie: Andreas Herzog
Casting Director: Tina Böckenhauer
Produktion: Real Film, Berlin
Produzentin: Heike Streich
Redakteurin: Esther Hechenberger (ZDF)

Der Film ist bis 21. Juni 2019 / 23:59 in der ZDF-Mediathek zu sehen:
https://www.zdf.de/filme/der-fernsehfilm-der-woche/gegen-die-angst-100.html