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Kategorie: Film & Fernsehen
f leuchtpatNachtrag der Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. November 2019, Teil 13

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Als das Drehbuch fertig war und die Finanzierung stand, besetzte Eggers die beiden Hauptrollen Efraim Winslow und Thomas Wake mit den einzigen beiden Schauspielern, die er sich für seinen Film vorstellen konnte:  Robert Pattinson und Willem Dafoe.

Nachdem sich die beiden in Eggers’ „look book“ und seine weiteren Recherchen über die Kultur der Seefahrer und Holzfäller des späten 19. Jahrhunderts eingearbeitet hatten, ließen sie sich die typischen Bärte dieser Zeit wachsen und studierten den Dialekt ihrer Charaktere, bevor im Frühjahr 2018, noch vor den Dreharbeiten ein aufwendiger Probenprozess begann. Es war entscheidend, dass die Szenen der beiden auf die spezifisch durchgeplante Kameraarbeit abgestimmt wurden und sich Pattinson und Dafoe außerdem den richtigen Dialogrhythmus erarbeiten konnten.

Dafoe kann neben seinen vielen Filmauftritten auf eine lange erfolgreiche Bühnenkarriere zurückblicken. „Er fühlte sich sehr wohl in diesem Probenprozess, aber Pattinson nicht“, so Eggers. „Das war aber durchaus von Vorteil, weil dieses Unwohlfühlen auch für Robert Pattinsons Charakter im Film gilt. Diese Reibung hat Robert meiner Ansicht nach geholfen, diese intensive Darstellung zu verwirklichen. Es war unglaublich, ihm dabei zuzusehen. Er wirkte wie ein Tiger, der sich selbst eingesperrt hat, bis ihn sein animalisches Wesen und eine unterdrückte Wut ausbrechen ließ. Pattinson arbeitet unglaublich hart. Er ist brillant, weil er sich komplett hingibt und gleichzeitig über eine bemerkenswerte körperliche Präsenz verfügt.“

„Dafoe hat dagegen die fast schon unheimliche Fähigkeit“, so Eggers, „jede auch noch so spezielle Regieanweisung genau umzusetzen. Als ich ihn zum Beispiel fragte, ob er das zweite Wort der dritten Dialogzeile etwas schneller sprechen und gleichzeitig den Ton etwas senken könnte, hat er im nächsten Take exakt das getan. Wie gesagt, fast unheimlich, und zudem taucht er natürlich in fast jeden Aspekt seiner Rolle ein. Er ist gleichzeitig furchteinflößend und unglaublich witzig. Er ist ein Meister. Punkt.“


Von Grund auf

Alle Gebäude, die man in DER LEUCHTTURM sieht, wurden von Grund auf errichtet. Produktionsdesigner Craig Lathrop und sein Team bauten den titelgebenden Leuchtturm in voller Größe auf der vulkanischen Landzunge Cape Forchu in Nova Scotia nach.

„Wir haben keine Anstrengungen gescheut, allen Gebäuden der Leuchtturmanlage den ikonischen New-England-Look zu geben. Der Stil des Leuchtturms ist ein akkurater Nachbau einer Leuchtfeuer-Anlage der Jahrhundertwende in Maine“, so Eggers. „Gleichzeitig wollte ich aber, dass dieser Film so wie The Witch eine märchenhafte Ausstrahlung hat. Der Leuchtturm sollte isoliert und heruntergekommen wirken, so als wäre er einem düsteren Bilderbuch entsprungen.“

Die Leuchtturmanlage, die man in einer langen Einstellung mit ihren einzelnen Teilen am Anfang des Filmes sieht, bestand aus mehreren Sets, die an verschiedenen Orten errichtet wurden. Das Äußere der Anlage wurde in der kanadischen Fischergemeinde Cape Forchu gebaut, hinzu kamen einige wenige Innensets. Die meisten Innenaufnahmen wurden in Lagerhallen und Studios außerhalb der kanadischen Hafenstadt Halifax gedreht, weil Eggers und Lathrop schon in der letzten Drehbuchphase klar wurde, dass sich die geplanten Szenen innerhalb eines echten Leuchtturms nicht verwirklichen lassen würden und man dafür einen Studionachbau benötigte.

Für die Außenaufnahmen baute das Team einen „echten“ 25 Meter hohen Turm, der selbst einem Sturm mit 120 km/h im winterlichen Kanada standgehalten hätte. „Wir begannen mit den Dreharbeiten im März in der kühlen Einsamkeit“, erinnert sich Lathrop. „Wir haben direkt in der Zeit nach dem harten Winter und kurz vor dem Frühling gedreht, damit wir diese einsame Stimmung, die wir wollten, einfangen konnten und nicht im Sommer den Set weiträumig absperren mussten. Das hieß allerdings, dass wir mitten im Winter einen Leuchtturm bauen mussten, wodurch wir eine ziemlich klare Vorstellung davon bekamen, was es heißt, den Elementen ausgesetzt zu sein.“


Vom Licht geblendet

Um den gewünschten visuellen Stil des Films lebendig werden zu lassen, arbeitete Eggers erneut mit Kameramann Jarin Blaschke zusammen, der The Witch in so denkwürdigen düsteren Tönen festgehalten hatte. Hier war allerdings eine andere Ästhetik gefragt, nicht zuletzt durch das verwendete Double-X-Schwarz-Weiß-Filmmaterial für DER LEUCHTTURM.

Eggers und Blaschke entschieden sich für ein Verhältnis von Bildbreite zu Bildhöhe von 1,19:1 – also ein fast quadratisches Format, das in den frühen Tonfilmjahren von Filmemachern wie Fritz Lang und G.W. Pabst genutzt wurde. Für den erfahrenen Fotograf Blaschke, der viel mit quadratischen Formaten gearbeitet hatte, war dieses Format fast ein Heimspiel.

„Es ging uns darum, die Einengung auch durch das Format spürbar zu machen“, so Blaschke. „Der großartige Nebeneffekt war, dass dadurch die unglaublichen Gesichter von Dafoe und Pattinson noch mehr Raum einnehmen konnten. Das Breitwand-Format kam in den 1950er-Jahren auf, wir wollten aber zurück in die Zeit davor.“

Blaschke drehte den Film mit einer Panavision Millennium XL2 Kamera, ausgestattet mit alten Baltar-Linsen aus den 1930er-Jahren, die sehr spannende Effekte hervorrufen. „Helle Fenster beginnen zu glühen“, so Blaschke, „der Himmel glüht in voller Breite, Wasser schimmert und Hauttöne scheinen eher zu verlaufen.“

Um die „alte Fotos“-Wirkung noch zu verstärken, nutzte Blaschke außerdem einen Cyan-Filter, der den Look und die Stimmung orthochromatischer Filmaufnahmen aus dem späten 19. Jahrhundert nachahmt. „Ich wollte diese extra Struktur und diesen Look, den wir hundert Jahre lang nicht mehr gesehen haben“, so Blaschke.


Eine Sinfonie der Spannung

Ein wiederkehrendes Motiv des fesselnden Sounddesigns von DER LEUCHTTURM ist ein brüllendes Nebelhorn, das man in den ersten Szenen hört und das den Ton für die folgenden mysteriösen und unerbittlichen Torturen angibt. „Unser Nebelhorn soll das Publikum fast in den Wahnsinn treiben“, so Eggers.  Für den richtigen Klang wandte sich Sound Designer Damian Volpe an J.J. Jamieson, einen Handwerker aus Schottland, der YouTube-Videos über den Betrieb und die Wartung von Nebelhörnern macht. Mit seiner Hilfe fand man Aufnahmen von historischen Nebelhörnern, deren Klang Volpe so manipulierte, dass er genau die gewünschte Wirkung im Film erzeugte. Ähnlich wurde auch mit den anderen entscheidenden Tönen und Geräuschen verfahren: Möwen, Regen, Donner, Wind, Wellen, Bodendielen, Uhren oder Schritte auf nassen Felsen. Volpe besuchte dafür einen Leuchtturm in Cape Cod, nahm die echten Geräusche auf und passte sie in das Klang-Szenario von der leuchtturm ein.

Für die atonale und von Blechbläsern bestimmte Filmmusik arbeitete Eggers erneut mit Mark Korven zusammen, der den Soundtrack für The Witch mit kreischender und von Streichinstrumenten beherrschter Musik gestaltet hatte und diesmal einerseits experimenteller und andererseits traditioneller vorgehen konnte.

„Ich wollte Elemente der Aleatorik in meiner Filmmusik, kombiniert mit Anspielungen auf altertümliche griechische Musik“, so Eggers. „Ich wollte weg von Streicherklängen und hin zu Blech- und Blasinstrumenten. Ich wollte, dass die Musik wie der Ozean klingt. Dabei bin ich zunächst etwas zu weit gegangen, und so entschieden wir uns, dass es neben diesem ‚Klang der Elemente‘ auch eine Ebene geben sollte, die die Musik alter Filmklassiker ins Gedächtnis ruft.“


Kampf mit den Elementen

DER LEUCHTTURM wurde an 32 Tagen im März und April 2018 in Novia Scotia und in der Nähe von Halifax gedreht. Besonders die Außenaufnahmen stellten die Crew und die beiden Stars des Films immer wieder vor große Herausforderungen – der kalte Atlantik, die kühle Luft und andauernd starker Wind.

„Es war wirklich ein schwieriger Drehort“, erinnert sich Eggers. „Das Wetter war extrem und wir haben ständig gefroren. Unser Seefahrt-Berater Captain William Flower hatte uns nicht umsonst vorgewarnt und darauf hingewiesen, dass schon einige Menschen auf Cape Forchu umgekommen sind.“

Foto:
© Verleih

Info:
Die Schauspieler
- Robert Pattinson
- Willem Dafoe

Die Filmemacher
- Robert Eggers (Regie, Drehbuch)
- Max Eggers (Drehbuch)

Abdruck aus dem Presseheft