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Kategorie: Film & Fernsehen
f freies2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. Januar 2020, Teil 9

Christian Alvart

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nach nunmehr 30 Jahren Nachwendezeit zeigt sich mit wachsender Deutlichkeit, was für ein radikaler Bruch die Wiedervereinigung für die meisten Deutschen, vor allem (aber nicht nur) im Osten bedeutete. Im Freudentaumel der Wende kamen Ängste, Erschütterungen, Traumata nur leise und das Wunder-Narrativ störend zur Sprache. Doch dieses fundamentale Ereignis schickt auch heute noch Schockwellen durchs Land.

Wir müssen immer wieder neu erfahren, wie nachhaltig es Menschen prägt, wenn Systeme zusammenbrechen, Lebenswirklichkeiten über den Haufen geworfen werden und, im Falle der DDR, ein ganzes Land abgewickelt wird. Renovierte Straßen und Fassaden täuschen nicht länger über tiefgehende Verletzungen hinweg. Manchmal entsteht ein unverstellter Blick erst in der Distanz. Anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums, aber auch der politischen Zerrissenheit des Landes, beschäftigt sich die Nation mit den Geburtsstunden des wiedervereinten Deutschlands. Was lief damals falsch? Was hat Narben hinterlassen? Wo ist man sich unehrlich begegnet, hat seine Vorurteile in die „neue“ Beziehung mit eingebracht?

Viele Filme beschäftigen sich mit den Ereignissen der Wende, andere mit dem Erstarken der Rechten im ehemaligen Osten. Es gibt starke Sozialdramen und historische Komödien. Das Wesen des Thrillers ist die Beschäftigung, die Auseinandersetzung mit der Angst.

FREIES LAND nähert sich dem Thema mit den Werkzeugen des Genres. Mit LA ISLA MÍNIMA – MÖRDERLAND (2014) fand sich eine starke Vorlage, die ihrerseits anhand des Kriminalfalls ein Portrait Spaniens in der Post-Franco-Ära zeichnet. Für die deutsche Version bot sich in der Begegnung der beiden Kommissare die Möglichkeit, sie als eine Begegnung von Ost und West zu erzählen, als ein Aufeinanderprallen unterschiedlicher Charaktere mit radikal entgegengesetzten Lebensläufen – nicht nur exemplarisch, sondern auch als Individuen. Und es geht nicht um urbane Wirklichkeiten, sondern die Landstriche, die seit Jahrzehnten ausbluten. Dort, wo junge, hoffnungsvolle Menschen nur die Tage zählen, bis sie weg können. Und wo man sich vielleicht nicht so schnell wundert, wenn junge Frauen verschwinden. Die Ängste des Westlers vor dem unbekannten Osten und des Ostlers vor der unbekannten Zukunft begleiten die Ermittlungen und finden ihren Ausdruck in teilweise mystisch überhöhten Begegnungen. Unsere gebrochenen Helden jagen ein Phantom in einem kargen Landstrich, der von Frost und Rost überzogen ist, als ob der Ereignissturm der Nachwende das Land in einem buchstäblichen Schockzustand festgefroren hält. Unsicherheit prägt nahezu alle Figuren, es gibt keine Gewissheiten mehr, und hinter jeder Antwort lauert die nächste Frage.


Über Christian Alvart (Regie, Drehbuch, Kamera, Produktion)

Geboren 1974 in Seeheim-Jugenheim in Hessen. Während der Kindheit und Jugend filmte er auf Super-8 und Video und tat sich mit einem Kreis filmbegeisterter Geeks zusammen. Gemeinsam gründeten sie das Filmmagazin X-TRO, dessen Chefredakteur er mit 19 Jahren wurde. Alvart besuchte nie eine Filmhochschule – dennoch gelang dem Autodidakt der Sprung zur Regie. Er brachte sich das Handwerk als Assistent in verschiedenen Funktionen bei, gründete 1997 seine Produktionsfirma Syrreal Entertainment mit Sitz in Berlin und gab sein Spielfilm-Debüt 1999 mit CURIOSITY AND THE CAT, der für den Max Ophüls Preis nominiert wurde. Nach seinem zweiten Spielfilm ANTIKÖRPER (2005), einem Psychoduell zwischen einem einsitzenden Serienkiller (André Hennicke) und einem Dorfpolizisten (Wotan Wilke Möhring), wechselte er nach Hollywood, wo er im großen Stile seine Vorliebe für Genrefilme beweisen konnte:

Er inszenierte 2007 für Paramount den Horror-Thriller FALL 39 mit Renée Zellweger und Bradley Cooper sowie 2008 den Science-Fiction-Thriller PANDORUM mit Dennis Quaid und Ben Foster. Zurück in Deutschland arbeitete Alvart als Tatort-Regisseur an zwei hochgelobten Borowski-Einsätzen („Borowski und der Coole Hund“ u.a. mit Mavie Hörbiger, „Borowski und der Stille Gast“ u.a. mit Lars Eidinger) und wurde 2012 als Regisseur für die „Tatorte“ mit Til Schweiger als in Hamburg ermittelnder Kommissar engagiert. Der Thriller BANKLADY kam 2013 ins Kino: Nadeshda Brennicke, die in mehreren Filmen Alvarts spielt, verkörpert Gisela Werler, die in den 60er Jahren durch dreiste Banküberfälle in Deutschland bekannt wurde.

2015 folgte die Buddy-Komödie HALBE BRÜDER u.a. mit Sido und 2016 der Kino-Tatort TSCHILLER: OFF DUTY. 2018 demonstriert Christian Alvart seine Begeisterung für das Genrekino erneut in der Verfilmung des Psychothrillers ABGESCHNITTEN der Erfolgsautoren Sebastian Fitzek und Michael Tsokos mit Moritz Bleibtreu und Jasna Fritzi Bauer, sowie der Inszenierung des Thrillers STEIG.NICHT.AUS! mit Wotan Wilke Möhring in der Hauptrolle. Ebenfalls seit 2018 ist „Dogs of Berlin“ auf Netflix abrufbar. Eine düstere 10-teilige Serie, in der Alvart als Showrunner zwei Polizisten in den Abgründen der komplexen Berliner Unterwelt ermitteln lässt. Aktuell dreht er die Serie SLØBORN, die 2020 veröffentlicht werden soll. Außerdem arbeitet er u.a. an einer Realverfilmung der Serie CAPTAIN FUTURE, deren weltweite Rechte Alvart mit seiner Produktionsfirma erworben hat.

Foto:
© Verleih

Info:
Besetzung
Markus Bach   Felix Kramer
Patrick Stein    Trystan Pütter
Katharina Kraft Nora Waldstätten
Richy Horn   Ben Hartmann
Charlie    Ludwig Simon
Horst      Uwe Dag
Ein Film von Christian Alvart ,128 Minuten

Abdruck aus dem Presseheft