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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2020 02 28 um 00.33.2770. Berlinale vom 20. 2. - 1. 3.2020, WETTBEWERB, Teil 15/18

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Ein solcher Film, ohne Not voller Gewalt und ohne Sinn ein primitiver Porno hat auf einem Filmfestival, hat auf der Berlinale nichts zu suchen. Da hilft auch nichts, daß man offen in die Pressevorführung ging und lange vor sich selber alle möglichen Entschuldigungen für das Gehampel auf der Leinwand suchte – und dann nicht mehr fand.

In aller Kürze, was es mit DAU auf sich hat. Zwischen 1938 und 1968 gab es in der UdSSR ein Geheiminstitut für Physikalische Probleme der Sowjetischen Wissenschaften. Fünfzig Jahre nach der Schließung hat der russische Regisseur Ilya Khrzhanovskiy mit dem Geld eines dubiosen russischen Oligarchen in der Ukraine das Institut als Filmset aufbauen lassen und dort mit führenden Wissenschaftlern – so die Aussage des Regisseurs – das originale DAU-INSTITUT nachbauen und arbeiten lassen. Das war in den Jahren 2009 und 2011 und alle Filmaufnahmen stammen aus dieser Zeit und haben zu unendlich viel Filmmaterial geführt, das nun nach und nach als Einzelfilme veröffentlicht werden.

Der Film NATASHA hat nun mit den wissenschaftlichen Forschungen zur Entdeckung des neuen Menschen, worum es bei DAU historisch ging, überhaupt nichts zu tun, sondern nimmt die zwei weiblichen Angestellten in der Kantine in den Focus, was ja interessant sein könnte, denn beim Essen werden die Menschen, vom wichtigen Wissenschaftler bis zur Putzfrau einander viel ähnlicher. Nur geht es nicht um die Kantine und auch nur um einen einzigen Gast dort, den französischen Wissenschaftler Luc Bigé.

Es geht um einen Konkurrenzkampf der beiden Frauen, von denen die eine die Chefin Natasha (Natalia Berezhnaya), die andere die untergeordnete jüngere Olga (Olga Shkabarnya) ist, die am Ende des Tages den Boden wischen soll, was sie verweigert und dies am nächsten Morgen tun will. Da aber muß längst alles wieder ordentlich auf der Theke stehen, was nun von Natasha in den Kühlschrank gebracht wurde.

Das ist eine absurde und langweilige Passage, lang dazu, die in erst einmal verbalen Streitigkeiten, dann in Gewaltexzessen der beiden Frauen mündet. Ja, das haben Männer gerne, denn es sind ausschließlich Männer, die das Ganze verkörpern, mit der Einschränkung, daß beim Drehbuch eine Frau beteiligt war.

Der Film dauert 145 Minuten und die ziehen sich. Denn nach den häßlichen Streitigkeiten zwischen den Frauen, geht es jetzt um eine kurzzeitige Affäre der sich für etwas Besseres haltenden Natasha mit dem französischen Wissenschaftler Luc. Über die endlos und endlos langweiligen Sexszenen ist dann überwiegend geschrieben wurden, wenn der Film erwähnt wurde. Die Hauptfrage galt und gilt immer dem Naturalismus, besser Realismus der dargestellten Koitusversuche, der dann Entsetzen auslöst. Das Entsetzen wäre völlig verständlich, angesichts dessen, was man an körperlichen Mühen miterleben muß, aber das wirklich Komische ist, daß es dann nur noch darum geht: „Haben die wirklich...oder tun die nur so.“

Liebe Männer, fragen Sie dabei am besten Frauen. Zuvörderst die Darstellerin der Natasha, die ganz schön süffisant auf der Pressekonferenz die Kunst des Kameramanns rühmte, also eine ganz eindeutige Antwort gab. Aber auch wir könnten ihn ganz genau ‚beweisen‘, daß dies ein Leinwandkoitus ist und kein ‚echter‘. Sei es drum, ärgerlich, daß einen auf einem sich politisch verstehenden Filmfestival so was beschäftigen muß. Gibt es an der damaligen UdSSR und den heutigen Situationen in Rußland und der Ukraine nicht anderes zum Thema zu machen und auf die Leinwand zu bringen.

Daß sich die Schauspielerinnen, die in diesem Film alle Laiendarstellerinnen sind, noch ganz anderen Problemen stellen mußten, auch sehr entwürdigenden Darstellungen mit Folterungen, auch Sexfolterungen etc., ist inzwischen auch bekannt. Das war für die beiden, die Film Natasha und Olga, auch ein Thema.

Das ist alles schrecklich, warum wir aber diesem DAU-Projekt, mit dem die Städte Paris und Berlin aus guten Gründen nicht zu tun haben wollten, nun auf der Berlinale begegnen, wäre nicht nötig gewesen. Fehl am Platz, unserer Meinung nach.

Foto:
Natasha © Verleih

Info:
Ein Projekt von: Sergey Adonyev, Ilya Khrzhanovskiy
Drehbuch und Regie: Ilya Khrzhanovskiy, Jekaterina Oertel
Kamera: Jürgen Jürges 

Besetzung
Natasha: Natasha Berezhnaya
Ermittler: Vladimir Azhippo
Olga: Olga Shkabarnya
Luc: Luc Bigé
Prof. Blinov: Alexey Blinov

UDSSR 1952  in der Darstellung im Presseheft
Oberfläche: 22 402 200 km²
Bevölkerung: 181 600 000
Männer: 82 000 000
Frauen: 99 000 000
Durchschnittliche Lebenserwartung: 68.5 years
(Männer 64,42; Frauen 71,68)
Berufstätige Frauen im Jahr 1952: 47 605 000

Regierung:
Joseph Stalin
Generalsekretär der Kommunistischen Partei
Vorsitzender des Ministerrates

Präsidium des Zentralkomitees:
Lavrenty Beria
Nikolay Bulganin
Kliment Woroschilow
Lazar Kaganowitsch
Georg Malenkow
Michail Pervukhin
Maxim Saburow
Nikita Chruschtschow

Kaufkraft Rubel(₽)/Monat:
Durchschnittlicher Einkaufskorb: 500 - 1000 ₽
Arbeiterlohn: 800 - 3000 ₽
Einstiegsgehalt leitende Ingenieure: 900-1000 ₽
Minister: bis zu 5000 ₽
Minenarbeiter: bis zu 8000 ₽
Professoren und Mitglieder der
Wissenschaftsakademien: bis zu 10,000 ₽
Stalins Gehalt: 10,000 ₽
einschließlich 300 ₽ als obligatorischer kommunistischer Beitrag.
Der Preis für ein neues Auto „Pobeda“: 16,000 ₽