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Kategorie: Film & Fernsehen
paula beer jens kochelio germanokochDer iranische Film erhält den GOLDENEN BÄREN. Die Verteilung der anderen Bären durch die Internationale Jury, Teil 2/3

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) - Den Silbernen Bären für die Beste Darstellerin wurde Paula Beer für UNDINE von  Christian Petzold zugesprochen.

Wer die Sendusng am Fernsehen (3Sat) verfolgt hatte, konnte Zeuge werden, von der völligen Überraschung der Ausgezeichneten, als sie ihren Namen hörte. Das können wir verstehen. Denn sie hat wie immer ihre Rolle glaubwürdig gebracht, aber dazu waren keine besonderen Leistungen fällig. Korrekt wäre es gewesen, mit dem Preis für die Beste Darstellerin Nina Hoss auszuzeichnen im einem Film, der uns insgesamt ausgewogener, interessanter vorkam, in SCHWESTERLEIN. Aber, die beiden Regisseurinnen sind Schweizerinnen, noch dazu aus der Französischen Schweiz, wo auch weite Teile der Handlung spielen. Das Zusammenspiel des krebskranken Bruders, gespielt von Lars Eidinger, mit seiner Zwillingsschwester, hier Nina Hoss, ist so subtil und von seiner Seite aus so zurückhaltend wie es der Titel SCHWESTERLEIN ausdrückt, wo es ja ausdrücklich nicht um das BRÜDERLIN geht, Doch, im Kern schon, aber gespiegelt in der Hingabe der Schwester.


Silberner Bär für den Besten Darsteller
Elio Germano 
in Volevo nascondermi (Hidden Away) von Giorgio Diritti

Ähnlich ging es uns mit diesem Film, der einen sozialen und kunsthistorischen, aber auch individual künsterlischen Hintergrund hat. Der ausgezeichnete Elio Germano macht das ganz prima, aber seine Rolle gehört zu den Rollen, wo durch eine aufwendige Maske, verbunden mit Körperspiel die Darstellung auf der Leinwand sozusagen ein Selbstläufer ist. So sehr wir am Anfang, denn der Film lief früh schon ihn als Favn wioriten auf dem Schirm hatten, so konnten andere Darsteller uns stärker überzeugen. Oben schrieben wir schon, daß es eine Doppelauszeichnung für das Geschwisterpaar hätte sein können, aber eine andere Alternative und auch ein Deutscher wäre die Rolle des Reinhold aus BERLIN ALEXANDERPLATZ gewesen, der - wir schrieben bei der Filmbesprechung schon ausführlich darüber - in seinem Darsteller Albrecht Schuch einen derartigen schleimigen, körperlich den anderen unter die Haut fahrenden, sie dominierenden Manipulator und Verführer per se fand, daß man diese Leistung einfach bewundern muß. Ganz ohne Maske!


Silberner Bär für das Beste Drehbuch
D'Innocenzo Brothers für
Favolacce (Bad Tales) von D'Innocenzo Brothers

Dazu haben wir keine rechte Meinung. Im Gegensatz zu manchen, fanden wir den Film nicht so überzeugend, was ja einen Preis für das Bester Drehbuch ausschließt. Andererseits war klar, daß - den iranischen Film lassen wir mal außen vor - nach der Prämierung eines amerikanischen und eines koreanischen Films auch die Filmnation ITALIEN zu bedienen ist, die sich in letzter Zeit wieder aufrappelt, nachdem sie in den 90er Jahren führend in Europa war, dann aber von den erst englischen, dann zunehmend französischen Komödien in Deutschland nicht mehr groß wahrgenommen wird. Andererseits war schon der prämierte Darsteller ein Italiener. Also wir meinen, das hätte man anders lösen können, müßten uns aber über die anderen Drehbücher noch mal Gedanken machen. Aber auch hier, fällt einem dann ein, ist die Leistung des afghanistanstämmigen Regisseurs, den deutschen Klassiker von Alfred Döblin, BERLIN ALEXANDERPLATZ in eine neue Szenerie mit zumindest einer Umwidmung der Hauptperson  eine großeartige künstlerische Leistung, erst recht, wenn er sich mit der Fassbinderversion auseinandersetzen mußte. Aber, so dachten wir dann, Fassbinder hätte hier auch keinen Bären bekommen im Jahr 2020.


Silberner Bär für eine Herausragende Künstlerische Leistung
Jürgen Jürges für die Kamera in DAU. Natasha
von Ilya Khrzhanovskiy, Jekaterina Oertel

Und es kann gut sein, daß Regisseur und Reinhold-Darsteller in BERLIN ALEXANDERPLATZ auch deshalb keine Auszeichnung erhielten, weil man den Kamerapreis dem Deutschen Jürgen Jürges geben wollte und gegeben hat, der noch bekannt ist aus der Zusammenarbeit mit Fassbinder. Nun finden wir den filmischen Hintergrund für diesen Preis, den Film DAU.Natasha insgesamt so überflüssig, daß wir uns schwer tun, ihn mit dem Kamerapreis auszuzeichnen.  Vielleicht sind ja die ausgiebigen Sexszenen zwischen einem unansehnlichen Wissenschaftler mit der körpertüchtigen Bedienung Natasha von der Jury deshalb so gewürdigt worden, weil Jürges fast der ganzen Welt, aber eben nur fast und uns auf jeden Fall nicht, vorgaukelt, es habe sich um einen wirklichen Beischlaf gehandelt. Gerne erzähle ich denen, die das annehmen, woran man die Kunst der Kamera erkennt. Also dafür den Preis.?


Silberner Bär – 70. Berlinale
Effacer l’historique (Delete History)
von Benoît Delépine, Gustave Kervern

Dieser Film, der als siebter lief, ist ein kleines Kinowunder. Denn hier wird, wie im iranischen Film, mitten aus dem Leben gegriffen und auch ein gesellschaftlicher Notstand zum Thema gemacht. Zwar geht es nicht um gleichermaßen existentielle Lagen, in die Menschen kommen,  - oder doch! Überleg man sich den Hintergrund genau, dann ist der Finger auf der Wunde unserer westlichen Welt des Konsums.  Aber wie. Je länger ich darüber nachdenke, desto besser finde ich den Film. 

Bleibt also das Rekapitulieren, wie es mit den Preisen aussieht. Bei der Preisvergabe hatten wir schon darauf verwiesen, wer unserer Meinung nach stärker gewirkt hatte, den Bären eher verdiente, Preise für die Filme SCHWESTERLEIN, BERLIN ALEXANDERPLATZ hätten wir für angemessen gehalten. 

Bleibt aber unsere Freude darüber, welche Filme keine Preise bekamen, was mit unseren Rezensionen übereinstimmt. 
Das ist in erster Linie SIBERIA, trotz des immer wunderbaren Willem Dafoe ein ausgesprochener Männerschwulst. Auch DAU.Natasha ist eklig, hat den Kamerapreis erhalten, aber keinen anderen. 

Foto:
© Jens Koch