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Kategorie: Film & Fernsehen
revouzerSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. September 2021, Teil 8

Redaktion

Wien (Weltexpresso) – Karin Schiefer im Gespräch mit Johanna Moder: Normalität kennt kein Entrinnen. Johanna Moder wirft in „Waren einmal Revoluzzer“ einen subtilen Blick darauf, wo sich im schönen Leben der weltgewandten Mittdreißiger doch auch die Kleinbürgerlichkeit einschleicht. Auch in ihrem zweiten Spielfilm zeichnet sie ein gewitztes Portrait ihrer eigenen Generation, die ebenso hart an alternativen Lebensentwürfen wie am optimalen Selbstbild arbeitet, um letztlich doch nur ein recht unzulängliches Selbst zu verwirklichen.

Der Einstieg in den Film ist eine Aufsicht auf eine Siedlung von Einfamilienhäusern – ein Bild der Gleichförmigkeit und möglicherweise auch der Lebensform, die die Generation der Protagonisten von WAREN EINMAL REVOLUZZER auf keinen Fall reproduzieren will.

Geht es Ihnen in diesem Film vor allem um die Frage, ob ein Lebenskonzept möglich ist, das die engagierte Lebenshaltung der Jugend nicht verrät und man irgendwann, ob man will oder nicht, in der Schleife der Normalität landet?


JOHANNA MODER: Mir kommt nur meine Generation besonders verloren vor, ich nehme sie als Generation wahr, die sich selbst nicht auskommt. Yuval Noah Harari bezeichnet in seiner Kurzen Geschichte der Menschheit unsere Epoche als die des „romantischen Konsumismus“, was ich für einen sehr treffenden Gedanken halte. Im alten Ägypten galt das Grab in der Pyramide als höchstes zu erreichendes Glück, auf das man hingearbeitet hat. Heute stehen dafür die schöne Eigentumswohnung, der geräumige SUV oder die romantische Liebe, denen wir hinterherlaufen. Gleichzeitig wissen wir, dass die Erfüllung nie die erhoffte Zufriedenheit bringt, daher sind wir in einem Zustand der Getriebenheit und ersehnen etwas, das uns nicht glücklich macht, sind die ganze Zeit unglücklich und kommen aus diesem Hamsterrad nicht heraus. Das Bemühen, durch Konsumartikel Seelenheil zu finden, widerspricht ja dem Kapitalismus. Würde man das ersehnte Glück finden, hätte der Kapitalismus ausgedient.


Sie haben bereits in High Performance einen ironischen Blick auf ihre Generation geworfen, die zum damaligen Zeitpunkt eher Anfang dreißig und gerade auf der Suche war, im Leben Fuß zu fassen. Nun, fünf Jahre später, sind Ihre Protagonistinnen etabliert. Wie würden Sie den Lebensmoment von Helene, Jakob und Volker beschreiben?

JOHANNA MODER: Das, wo die gerade in ihrem Leben stehen, würde ich mit dem Hineinfahren in eine Garage vergleichen. Sie sind haben es gerade geschafft, ihren Wagen in der Garage einzuparken und stellen fest, dass es da nicht so spannend wie erhofft und noch dazu dunkel ist.


Jede Abgrenzung von Lebensmodellen einer vorangehenden Generation führt wieder in neue Konventionen. Auch in dieser Generation gibt es wieder einen Konsens über das „gute“ Leben, den guten Geschmack und subtile Statussymbole, die beweisen, dass man wieder wo dazugehört. Wie schwierig ist es, da eine Kritik anzubringen?

JOHANNA MODER: Es ist gewiss schwieriger, weil ich nicht mehr weiß, wen genau ich mit meiner Kritik anspreche. Auch das war früher klarer. Jetzt ist es so vielfältig und jeder versucht, seinen individuellen Weg, auch abseits von Vorbildern zu finden. Und es stimmt: Jetzt gelten der Selbstfindungstrip nach Indien oder die Vinylsammlung als Statussymbole. Man entscheidet sich für eine Schicht und muss darauf schauen, dass man ihr mit allem Für und Wider entspricht. Eine Anpassung an eine unsichtbare Codierung, die nur diejenigen verstehen, die Teil dieser Gesellschaft sind, so wie bei den Superreichen. Wenn ich sage, meine Generation scheint mir so verzweifelt, dann möchte ich betonen, dass das meine Sichtweise ist.

Es gibt wohl genug VertreterInnen meiner Generation, die zufrieden sind. Wenn ich z.B. mit Hinblick auf die Klimakrise einen Blick auf die Welt werfe, dann ist der mit Katastrophen bestückt und die Zukunftsaussichten sind recht trübe. Es ist höchst fraglich geworden, wie man sein Glück finden kann. Eine Lösung wäre, sich biedermeierlich zurückzuziehen. Das Haus am Land ist ein Symbol dafür, dass man sich einen Ort erschaffen kann, an dem die Welt in Ordnung ist und man dort sein Glück finden kann. Man kreist allerdings auch dort nur um sich selber. Ich hatte schon bei High Performance das Gefühl, dass meine Figuren verzweifelt sind, sie sind es ganz eindeutig geblieben. Sie sind halt sehr beschäftigt, deshalb sieht man’s nicht so deutlich.

Fortsetzung folgt

Foto:
©Verleih

Info:
CAST
Julia Jentsch (Helene) Manuel Rubey (Jakob) Aenne Schwarz (Tina) Marcel Mohab (Volker) Lena Tronina (Eugenia) Tambet Tuisk (Pavel)
Österreich 2019 / Spielfilm / 104 Minuten