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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2025 04 05 um 04.00.57Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. April 2025, Teil 9

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - Was hat Dich daran gereizt, den Roman zu verfilmen?

Auf das Buch von Lukas Rietzschel bin ich ganz zufällig gestoßen, als ich bereits kurz vor dem Dreh meines mittellangen Diplomfilms “Lychen 92” stand, der eine kleine Sequenz einer möglichen Lebensrealität einer Familie kurz nach dem Fall der Mauer erzählt. Für mich war die Verfilmung des Buches die logische Konsequenz, weil der Roman dort anknüpft, wo “Lychen 92” aufhört – die Geschichte in die Gegenwart weitererzählt und die Zuspitzung in die Gewalt zulässt. Denn genau jene Generation der 90er und frühen Nullerjahre ist es, die später zum Teil mit Pegida auf die Straße ging. Unabhängig davon, dass der Roman mich mit seiner Sprache, seiner Atmosphäre und den großartigen Bildern zutiefst berührt hat, war er aber vor allem eine Bestätigung meiner Gedanken und eigenen Erinnerungen im Nachwendedeutschland. Fast unheimlich, wie sich manche Geschichten decken, manche Details übereinstimmen, ohne zuvor jemals voneinander gewusst zu haben. Allein das beweist die Kollektiverfahrung einer ganzen Generation, die dringend erzählt werden muss.


Wie war die Zusammenarbeit mit Lukas Rietzschel?

Mein großes Glück war erst einmal, dass die Rechte des Buches noch frei waren. Das lag einerseits daran, dass das Thema 2020 nicht so eine Dringlichkeit hatte wie jetzt, aber es lag auch daran, dass es Lukas sehr wichtig war, wer den Roman verfilmt. Wir haben uns während des ersten Lockdowns das erste Mal in Görlitz getroffen, sind an der Neiße spazieren gegangen und haben uns sowohl über filmische Visionen ausgetauscht, als auch über unsere Erfahrungen als Nachwendekinder. Zwischen uns war schnell ein Vertrauensverhältnis. Zu einer echten Zusammenarbeit kam es dennoch nicht. Ich schreibe sehr gerne alleine und brauchte das Gefühl, nicht im Dienste der literarischen Vorlage zu stehen, sondern wenn möglich, ein ganz eigenes Werk zu schaffen. Auch das war in Lukas Sinne. Ich habe ihn in alle Prozesse miteinbezogen, ihm Fassungen geschickt und ihn angerufen, wenn ich Fragen hatte. Er hat mit mir eine Motivtour, oder besser gesagt einen Roadtrip durch die Oberlausitz gemacht, mir seine Heimat und mögliche Drehorte für den Film gezeigt. Wir haben uns auch schon früh darauf geeinigt, dass er eine kleine Rolle bekommen soll, die er als Herr Richter hervorragend gespielt hat.


Wie war die Genese des Drehbuches?

Was waren die größten Herausforderungen einerseits, welche Freiheiten hast Du Dir andererseits genommen? Die größte Herausforderung war, die erzählte Zeit wiederzugeben. Im Roman umfasst die Handlung 15 Jahre. Die Kinder sind noch im Grundschulalter, später in der erweiterten Schule, noch viel später erwachsene, junge Männer. In der filmischen Umsetzung hätte das bedeutet, dass wir drei Schauspieler für eine Figur hätten besetzen müssen. Das wollte ich unbedingt vermeiden. Ich finde es schon schwierig, zwei für eine Rolle zu besetzen, weil jedes neue Gesicht eine Umgewöhnung bedeutet und die Empathie des Zuschauers mit dem Protagonisten in Gefahr ist. Also habe ich die Handlung später beginnen lassen, die Geschichte stark verdichtet und mich dabei immer wieder gefragt, was ich unbedingt erzählen möchte. Für mich sind vor allem die ersten beiden Teile des Romans sehr besonders. Sie beschreiben das Aufwachsen der Brüder, das langsame Abdriften und konzentrieren sich vor allem auf die Familiengeschichte. Das fand ich ungewöhnlich. Der dritte Teil des Buches erzählt von der abgeschlossenen Radikalisierung und beschreibt Szenen und Bilder, wie wir sie aus den Nachrichten kennen. Diese zu reproduzieren lag mir fern. Ich wollte unbedingt eine Fokusverschiebung zur üblichen Erzählung über die rechte Gewalt im Osten erreichen. Daher habe ich mich entschieden, diesen Teil nur noch als Epilog zu erzählen und den Anschlag anzudeuten, mich aber auf das Vorher und Nachher zu konzentrieren, um andere Interpretationsräume zu öffnen.

Außerdem war es mir wichtig, die Hoffnung und das Glück mit in die Geschichte einzuweben. Der Roman hat einen sehr melancholischen Ton, der für den Film schwer aushaltbar gewesen wäre.. Also beginnt die Geschichte bei mir im Sommer, mit einem Witz, mit einer leichten Szene, mit dem Aufstieg der Familie. Ein wirklich großer Unterschied zum Roman ist vor allem der Umgang mit dem Haus. Bei mir wird es nicht fertig. Das Haus meines Vaters wurde auch nie fertig. Die Autorin Paula Fürstenberg hat einmal über meine und ihre OstGeneration geschrieben: „Wir Kinder von der Baustelle.“ Für mich ist es das Leitmotiv des Films. Bei mir wird der Vater außerdem arbeitslos und fängt an zu trinken. Auch das sind meine Erfahrungen, auch das gibt es im Roman nicht, beziehungsweise ist es dort auf andere Figuren verteilt, die im Film keinen Platz hatten. Mir war es außerdem wichtig, in der Perspektive stringenter zu sein, ausschließlich bei den Kindern zu bleiben und sie in jeder Szene zu sehen. Große Teile der Szenen finden sich so im Roman nicht wieder. Sie sind zum Teil nur noch assoziativ verbunden oder frei erfunden. Das war irgendwann Teil des Prozesses und für Lukas Rietzschel zum Glück absolut in Ordnung, weil der grobe Hauptplot erhalten blieb, die Atmosphäre des Buches wiedergegeben wurde und die erzählte Welt die gleiche ist. Die Geschichte hat irgendwann ihr Eigenleben entwickelt. Sie ist auch persönlicher geworden und für mich mittlerweile mehr als „nur“ eine Literaturverfilmung. Mein Vater ist unerwartet gestorben, während ich gerade das Drehbuch schrieb, und so wurde der Film auch zu einer Art Trauerverarbeitung.


Warum hast du die Geschichte an einem fiktiven Ort angesiedelt?

Im Roman heißt der Ort Neschwitz, aber Lukas hat mir erzählt, dass es bei Lesungen manchmal Probleme gab, da es Neschwitz tatsächlich gibt, das aber sehr wenig mit dem Ort zu tun hat, den er in seinem Buch beschreibt. Aus diesem sehr pragmatischen Grund habe ich mir “Bleschwitz” ausgedacht. Allerdings war mir auch wichtig, generell nicht zu konkret zu werden. Die Geschichte soll stellvertretend für viele stehen und nicht zu sehr reduziert werden auf eine bestimmte Region. Und damit meine ich nicht nur den Osten Deutschlands. Strukturschwache Regionen gibt es vermehrt in Ostdeutschland, aber eben nicht nur. Ich fand es wichtig, einen universellen Film zu schaffen, der überall auf der Welt spielen könnte, mit dem sich nicht nur Ostdeutsche identifizieren können, der dennoch sehr spezifisch charakterisiert ist.


Was war dir bei der Erzählung der beiden Brüder wichtig?

Das Elend ist immer Ansichtssache und eine Frage der Perspektive. Im Roman spricht für mich mehr ein erwachsener Erzähler, der sich in ein Kind hinein denkt, aber aus der Reflexion heraus erzählt. Den Film wollte ich jedoch zum großen Teil mit den Augen eines staunenden Kindes erzählen, das nicht deutet, nicht wertet, sich nicht ständig vergleicht. Dadurch erfährt er an manchen Stellen eine gewisse Leichtigkeit, die mir wichtig war. Die Kinder sollten nicht zu reinen Mitleidsobjekten werden, sondern zu ernstzunehmenden Persönlichkeiten. Kein Leben ist nur schwarz oder weiß und in jedem Leben gibt es Raum für Glück. Auch wird niemand böse geboren. Der Unterschied sind jedoch die kleinen Narben, die anfangs schnell verheilen, jedoch durch neue negative Erfahrungen immer wieder aufgerissen werden
können, sich zu einer Hornhaut verdichten und irgendwann eine so dicke Schicht bilden, die kaum mehr zu verletzen ist. Auch deshalb stehen im Mittelpunkt eben jene kindlichen Seelen, nicht junge Erwachsene, die bereits abgeklärt und verhärtet ihrer Wut folgen. Zwei Kinder mit Träumen, Gefühlen und Ängsten. Angst vor Uwe, Angst vor Alkohol, Angst vor Waffen, Angst vor Dunkelheit. Kinder, die ihre Eltern lieben, an die Familie glauben und an die Berechtigung des Ortes, in dem sie aufwachsen. Weil er Heimat ist. Kinder, die eine Zukunft vor Augen haben, die Lust auf das Leben verspüren und sich nicht als Abgehängte fühlen – die auch in ihren Eltern keine Abgehängten sehen, sondern einfach ihre Eltern.


Mit welchen Überlegungen hast Du den Film besetzt? Was war Dir wichtig?

Mir war Authentizität wichtiger als auf große Namen zu setzen. Das ist ein Risiko - für den Film hat es sich ausgezahlt, für den Verkauf der Kinokarten hoffentlich auch. Der Cast besteht im Großen und Ganzen aus einer Mischung aus Laiendarsteller*innen und aus Profis. Viele haben wir zufällig getroffen, auf einer Recherchereise, in der Schule oder im eigenen Hausflur. Fast alle Darsteller*innen, auch die Kinder, kommen aus Ostdeutschland. Sie bringen etwas ganz Spezifisches mit, was wichtig ist, um mindestens die Sprache der Dialoge so natürlich wie möglich wiederzugeben. Ich wusste von Beginn an, dass ich Christian Näthe als Vater besetzen will. Mit ihm habe ich bereits in „Lychen 92“ zusammengearbeitet. Für mich ist er sowas wie der jüngere Milan Peschel und ich bin mir sicher, dass eine große Karriere noch vor ihm liegt. Ich wusste auch, dass Uwe von Meinhard Neumann gespielt werden soll. Ihn habe ich in Valeska Grisebachs „Western“ gesehen, wo er als Laiendarsteller die Hauptrolle übernahm. In seinem echten Leben fährt er Pakete für DHL aus. Er wohnt selbst in der Oberlausitz und ist quasi ein Original. In seinem Gesicht, seiner Mimik, seinem ganzen Habitus zeichnet sich ein Leben ab, das man nicht einfach
nachspielen kann, egal, wie gut die Schauspielausbildung war. Den Rest des Ensembles hat vor allem die Casterin Johanna Hellwig gefunden. Sie hatte ein großartiges Gespür für den Film und seine Atmosphäre. Sie hat mir Anja Schneider vorgeschlagen und Camille Moltzen als Tobi. Kindercasting ist oft recht müßig. Man muss sehr lange suchen, sich sehr viele Kinder anschauen, weil man in der Regel nicht einen guten Schauspieler sucht, sondern die Rolle in der Person selbst finden muss. Camille ist beides - ein grandioser Schauspieler und ein authentischer Tobi. Er hat bereits in großen Kinofilmen mitgespielt, zuletzt in „Wann wird es endlich wieder so wie es nie war“ von Sonja Heiss. Anton Franke hingegen, der Philipp spielt, stand noch nie vor einer Kamera. Ihn haben wir auf dem Fußballplatz gefunden, weil wir irgendwann aus lauter Verzweiflung Streetcastings gemacht haben. Ähnlich wie Meinhard, ist er ein starker Charakter, ein Typ, der einerseits eine große Tiefe ausstrahlt, gleichzeitig aber niemand ist, der sein Leben permanent wegreflektiert. Für mich sieht er aus wie ein englischer Working-Class-Boy, der aus einem Ken Loach Film entsprungen sein könnte, und das liebe ich. Eine Sache
muss ich noch erwähnen. Bei der Darstellung der Nazis wollte ich ganz bewusst auf Klischees verzichten, um mehr auf das Innere denn das Äußere zu fokussieren. Deswegen haben wir ein Anti-Type-Casting gemacht und sind so auf Johannes Scheidweiler gestoßen, der Menzel eine wahnsinnige Vielschichtigkeit geben konnte.


Dein Film hat eine intensive Bildsprache. Wir sehen auf der einen Seite eine unglaublich schöne Landschaft, auf der anderen Seite diese absolute Tristesse der Provinz ohne Strukturen. Kannst du uns hier einmal mitnehmen in deine Überlegungen dazu?

Das erste Mal habe ich so etwas wie eine Heimat vermisst, als ich in Osnabrück Musik studierte. Das Studentenwohnheim, in dem ich lebte, war so ein schönes Reihenhaus am Rande eines Feldes, das an einen See grenzte. Ich ging dort oft spazieren und fragte mich, warum ich trotz der Idylle eine Fremdheit empfand. Irgendwann fiel mir auf, dass die Wege zu gerade waren, die Felder zu klein, die Wälder aus Buchen und nicht aus Kiefern bestanden. Mir fehlte die Weite, die Kargheit, der lose Sand unter meinen Füßen, mir fehlten die Ruinen, die verlassenen Orte. Für manche ist es Tristesse, für mich Freiheit und urromantische Motive. Auch in Lukas Rietzschels Roman haben Naturbeschreibungen einen großen Stellenwert. Sie sind eben nicht nur ein Ausdruck dessen, was alles nicht funktioniert, sondern stellen ein Gegenmodell zur Dysfunktionalität der Gesellschaft dar.

Sie sind ein Abbild von Vergangenheit und einer Historie, die weit über die DDR zurückgeht, die Systeme überdauert hat, die derer erhaben ist. Die Natur ist auch Hoffnung und bietet einen Freiraum, der gerade für Kinder wichtig ist, um sich darin zurückzuziehen und seine Fantasie fernab des Alltags auszuleben. Hier gibt es noch Geheimnisse. Mich erinnern die Landschaften an amerikanisches Kino. Highways, einsame Farmen, improvisierte Häuser, Kleinstädte, die ihren eigenen Regeln folgen. Schräge Charaktere, von der Arbeit gegerbte Gesichter, Staub und Hitze, harte Winter, die Melancholie der Arbeiterklasse. Der Osten ist nicht grau. Es gibt einen Grund, warum trotz der Umstände viele ihre Heimat nicht verlassen wollen oder zurückgekehrt sind. Ich bin mir sicher, dass es zum Teil an der Landschaft liegt, an der Freiheit, die in ihr wohnt. Das fand ich wichtig im Film sichtbar zu machen, denn das verleiht den Menschen eine zusätzliche Würde. Alles haben sie gewiss noch nicht verloren.


Gibt es einen besonderen Erzählton in dem Film?

Ich liebe es, subtil zu erzählen, den Ereignissen eine gewisse Beiläufigkeit und Alltäglichkeit zu geben, sie im Naturalismus anzusiedeln und bewusst hier und da die Dramatik zu entziehen. Ich finde es spannender, Dinge nicht auszusprechen, weil wir das in der Regel im echten Leben auch nicht permanent tun, vor allem dann nicht, wenn es um heikle Themen geht. Mich persönlich berühren diese Art von Filme viel stärker, weil sie mir die Geschichten näherbringen. Sie verlangen mehr von mir als Zuschauerin und fordern mich heraus, genauer hinzuhören, den Zwischentönen mehr Beachtung zu schenken. Was mir auch sehr wichtig ist, ist Humor.

Humor bahnt sich zwangsläufig seinen Weg in all meine Geschichten. Er ist der beste Weg, um ernste Themen anzusprechen, ohne belehrend zu wirken. Humor ist auch Hoffnung. Humor macht das Leid erträglicher, schafft eine Fallhöhe und nimmt den Zuschauer noch mehr mit in die Gefühls- und Gedankenwelt der Figuren. Außerdem ist Humor (und ich meine schwarzen Humor) verankert im ostdeutschen Sprachgebrauch. Humor ist auch ein Überlebensmittel und nimmt den Figuren ihre Handlungsunfähigkeit. Zu viel Mitleid ist auch wieder eine Form von Abwertung, wenn auch von positiver Natur. Das wollte ich vermeiden.


Glaubst du, deine ostdeutsche Herkunft hat bei der Umsetzung dieses Filmes einen Unterschied gemacht und wenn ja, welchen?

Ich setze mich schon sehr lange mit der Nachwendezeit auseinander. Zuerst war es eine Suche nach Identität und Heimat, nachdem ich nach Westdeutschland gezogen bin und dort das erste Mal zur Ostdeutschen wurde. Später war es die Auseinandersetzung mit der Radikalisierung. Eher im Alltag als beruflich. Oft kam ich in Erklärungsnot, hatte das Gefühl, meinen Westfreund*innen den Osten verständlich machen zu müssen, zu erklären, warum mich die politischen Veränderungen kaum überraschen, aber anscheinend alle anderen. Warum man die Unterschiede zwischen Ost und West nicht ausschließlich an Zahlen festmachen kann, weil sich der Verlust von Heimat, Identität und Mitgestaltungsrecht nicht immer in Gehältern ablesen lässt. Warum ich in den AfD-Wählern auch enttäuschte, gebrochene und entrückte Lebensläufe sehe, die Rassismus nicht entschuldigen, aber einen Ansatz bieten, sich differenzierter mit dem Problem auseinanderzusetzen.

Ich fand in dem Roman so vieles von mir und meinen Erfahrungen wieder, doch mit dem nötigen Abstand erzählt. Das Geschwisterpaar, der Schutthaufen, der Hausbau in der Provinz, die Alkoholikerväter auf ihren Plastikstühlen, die Alkoholikerväter im Keller, die müden Mütter, die Scheidung der Eltern, der Wegzug in die Platte, die Nazicliquen, zu denen man gehören möchte, die Tristesse des Dorfes, die selbstverständlichen Anschläge auf Asylantenheime und dann der starke Wunsch, all dem zu entfliehen. Ich bin zum Teil eine von ihnen, obwohl ich mich politisch stark abgrenze. Rechtes Gedankengut kann ich nicht entschuldigen, aber ich habe erlebt, wie es entsteht. Und warum. Ich kenne die Menschen, ich kenne die Einrichtungen der Häuser, den Geruch, die Steinbrüche, die Schulen, die Lehrer*innen, die Muttis und Vatis, die Glatzen und die Drogen. Da ist mir nichts fremd. Deshalb kann ich von innen heraus erzählen, sehr nah an den Figuren sein, anstatt eine Außenperspektive einzunehmen.


Im Abspann steht, dass Andreas Dresen Drehbuch- und Schnittberatung gemacht hat - wie kam es dazu und wie sah diese Zusammenarbeit aus?

Mit „Lychen 92“ habe ich den First Steps Award gewonnen. Mit dem Preis erhält man die Mitgliedschaft in der Filmakademie, sowie die Möglichkeit, sich für das nächste Projekt einen Mentor oder eine Mentorin aus der Akademie auszuwählen. Da mich die Filme von Andreas Dresen seither begleiten und er als Regisseur ein großes Vorbild ist, habe ich direkt an ihn gedacht. Wir haben uns nur zwei Mal getroffen, aber diese Treffen waren unglaublich intensiv und hilfreich. Er hat mich einerseits in meinen Intentionen ermutigt und mir andererseits sehr detailliertes Feedback gegeben, das zu großen Änderungen, sowohl im Drehbuch als auch im Schnitt geführt hat. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. 



Mit welchem Gefühl oder welcher Erkenntnis möchtest du die Leute aus dem Kino entlassen?

Dass die Gegenwart immer ein Resultat der Vergangenheit ist, und dass es sich lohnt, zurückzuschauen, aber vor allem hinzuschauen. Ich wünsche mir, dass die Menschen mit Empathie aus dem Film gehen. Er soll auf keinen Fall ein didaktisches Lehrstück sein, sondern am Ende vor allem eine Geschichte erzählen, mit der die Zuschauer*innen mitgehen, auf die sie sich einlassen können. Vor allem emotional. Der Film ist eine Zustandsbeschreibung, aber keine Erklärung. Im besten Fall regt der Film einen Diskurs auf Augenhöhe an und weckt das Interesse, sich differenzierter mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich sehe ihn als Türöffner, Lösungen bietet er keine. Am Ende ist er vor allem Kunst und keine Realpolitik.