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Kategorie: Film & Fernsehen

Mein Weg1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. April 2025, Teil 5

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nachdem Bill Bennett (Chris Haywood) während eines Aufenthaltes in Nord-Spanien immer wieder an Pilgern auf dem Jakobsweg vorbeigefahren ist, kommen ihm diese wie Verrückte oder wie Lemminge vor. Doch dann befasst er sich näher mit dem Phänomen und denkt zu Hause darüber nach, den Jakobsweg selbst als Pilger zu laufen, obwohl er ganz sicher nicht religiös ist.


Er beginnt zu Hause zu trainieren und plant seine Reise nach Spanien, auch wenn seine Frau Jennifer (Jennifer Cluff) ihn für verrückt hält, vor allem da er während einer letzten längeren Trainingseinheit stürzt und sich am Knie verletzt. Er verabschiedet sich trotz seiner Knieprobleme von seiner Frau und tritt die Reise an, die sein Leben verändern wird.

An Flughafen in Biarritz hat er sich mit den drei weiteren Pilgern Balasz, Laszlo und Rosa verabredet, um zusammen in einem Taxi an den Start des Jakobsweges nach St. Jean Pied de Port in Frankreich zu fahren. Von dort aus will Bill über 780 km auf dem Camino Francés bis nach Santiago de Compostela wandern, auch wenn er erst einmal nicht so richtig weiß, warum er die Strapazen auf sich nimmt.

Aber je länger und je weiter er den beschwerlichen Weg geht, umso häufiger trifft er auf Menschen, die er auch fragt, warum sie nach Santiago pilgern und die sich recht freimütig ihm gegenüber öffnen und ihm ihre unterschiedliche Gründe für die Wanderung erzählen. Auch nehmen die Pilger den seltsamen grummeligen Mann in der 60ern wie er ist, unterstützen ihn, geben ihm Ratschläge und helfen ihm in brenzligen Situationen weiter.

Bill hat immer wieder Probleme mit seinem Knie, ist sich aber sicher, dass er keinesfalls aufgeben darf und sei es nur, um seinem Mit-Pilger Laszlo ein Handtuch zurück zu geben, das der Bill für dessen verletztes Knie zum Kühlen gekauft hat. Als er nach 31 Tagen in Santiago ankommt, hat er nicht nur ganz unterschiedliche Menschen getroffen, sondern die Pilgerreise hat auch seine Sicht auf sein Leben für immer verändert…


Der Pilgerweg zum Grab des heiliges Jakobus war im Mittelalter neben Jerusalem und Rom eine der bekanntesten Ziele der Wallfahrten. Dabei gibt es mehrere mögliche Wege, um nach Santiago de Compostela zu kommen. Das neuerliche Interesse an einer Pilgerreise nach Santiago begann langsam in den 1980 Jahren – nach dem Ende der Franco-Diktatur. In den letzten Jahren hat die Zahl der Pilger immer mehr zugenommen, so haben im Jahr 2024 beinahe eine halbe Million Menschen das Ziel in Santiago de Compostela auf den verschiedenen Routen erreicht.

Der in diesem Film gelaufene Camino Francés - jene hochmittelalterliche Hauptverkehrsachse Nordspaniens - ist der bekannteste und im Jahr 2024 mit etwa 47% der Pilger der am meisten begangene Jakobsweg. Er führt im Landesinnern im Norden Spaniens ungefähr 780 Kilometer von St. Jean Pied de Port (Frankreich) über Jaca, Pamplona, Estella, Burgos und León nach Santiago de Compostela.

Ein weiterer bekannter Pilgerweg entlang der Küste Nordspaniens ist der Camino del Norte von Irún mit rund 825 Kilometern über San Sebastián, Bilbao und Santander nach Santiago - über den 4,3% der Menschen gewandert sind.

Mein Weg2Eine recht kurze Route ist der Camino Inglés (5,9%), der traditionelle Weg der englischen Pilger, die mit dem Schiff von Plymouth aus die galizischen Häfen Ferrol oder La Coruña erreichten - mit einer Länge von rund 120 Kilometern (ab Ferrol) bzw. 75 Kilometern (ab La Coruña).

Inzwischen wird der Camino Portugués entweder entlang der Küste (15%) oder im Inland (19%) immer beliebter. Beide Routen beginnen in Porto und führen jeweils auf etwa 260 Kilometern nach Santiago.

Daneben gibt es noch weitere Wege wie den in Oviedo beginnenden schwierigen etwa 300 km langen Camino Primitivo (4,9%) oder den 200 km langen Camino dos Faros entlang der galizischen Küste. Natürlich kann man von Santiago aus auch noch auf dem Camino Finisterre etwa 60 km weiter westwärts zum Kap Finisterre oder nach Muxía wandern – ein Weg, der auch wegen der Aussicht für viele ein wunderbarer Abschluss der Wanderung ist. Außerdem galt Fisterra schon seit römischer Zeit als das Ende der Welt und war daher schon im Mittelalter ein beliebtes Ziel der Pilger.

Dokumentarfilme über den Jakobsweg wurden in den letzten Jahren ziemlich viele veröffentlicht. Spielfilme dagegen gab es bisher wohl nur drei und zwar: Die französische Komödie ″Saint Jacques… Pilgern auf Französisch″ (2005) über drei Geschwister, die den Jakobsweg laufen müssen, um ihr Erbe ausgezahlt zu bekommen und ″Dein Weg″ (2012) ein traumhafter, sehr berührender und nachdenklicher amerikanischer Film mit Martin Sheen über einen Vater, der den Weg für seinen verstorbenen Sohn zu Ende läuft. In Deutschland wohl am bekanntesten ist vermutlich ″Ich bin dann mal weg″ (2015) - die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Hape Kerkeling.

Der Regisseur von ″Mein Weg – 780 km zu mir″ ist der australische Regisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent Bill Bennett, der selbst 2013 den Camino Francés von St. Jean Pied de Port bis nach Santiago de Compostela in 31 Tagen gewandert ist und der über seine Erlebnisse auf dem Jakobsweg den Bestseller ″The Way, My Way″ (2013) geschrieben hat.

10 Jahre nach seiner Wanderung hat Bill Bennett sein Buch als Grundlage für das Drehbuch genutzt und es selbst im Mai und Juni 2023 auf dem Jakobsweg verfilmt. Dabei hat er sein Alter Ego vom australischen Film- und Theater-Schauspieler Chris Haywood spielen lassen. Chris Haywood spielt Bill Bennett als nicht ganz einfachen aber doch auch wieder liebenswerten alten Grantler. Dazu lässt der Regisseur ihn aus dem Off recht selbstironisch über seine kleinen und größeren Probleme erzählen.

Daneben waren nur noch 3 weitere Schauspielerinnen dabei, z.B. spielte Bennetts Frau Jennifer Cluff sich selbst, die weiteren Darstellerinnen waren die Australierin Pia Thunderbolt als geheimnisvolle Cristina und Laura Lakshmi als Rosa, Bills Mitpilgerin von den ersten Kilometern. Insgesamt werden von den 20 Sprechrollen im Film nur vier von Profischauspielern gespielt – die anderen sind ehemalige Pilger.

Seine Begegnungen mit sehr unterschiedlichen Menschen entlang des Camino wirken dabei ausgesprochen echt, genau so als hätte Bill Bennett diese Pilger gerade getroffen und der Kameramann hätte einfach die Kamera mitlaufen lassen. Der Regisseur hat sich die Mühe gemacht und hat einige seiner damaligen Wegbegleiter gesucht und sie als sich selbst eingesetzt. Diese Menschen aus aller Herren Länder haben ganz unterschiedliche Gründe, die Strapazen des Camino auf sich zu nehmen. Sowohl im englischen Original als auch in der deutschen Synchronisation wird dem Sprachengemisch sehr charmant Rechnung getragen.

Bill Bennett hat dabei bewusst einen undramatischen Ansatz gewählt, so dass im gesamten Film eigentlich Bills kaputtes Knie und ein Gespräch mit einer geheimnisvollen Frau das Dramatischste ist, was während der gesamten 98 Minuten passiert.

Natürlich spielen auch die grandiose Landschaft und die wunderschönen Städte entlang des Camino Francés in der Tragikomödie eine zentrale Rolle, die hervorragend von Kameramann Calum Stewart eingefangen wurden.

Mein Weg3Insgesamt hat Bill Bennett sein Camino-Erlebnis brillant auf die große Leinwand gebracht. Sein Alter Ego ist ein neugieriger und lebensbejahender Geist, aber er wird auch zu einem tröstenden (aber auch mal besserwisserischen) Zuhörer für andere Reisende, die ihm in einfühlsam nachgestellten und zu Herzen gehenden Momenten freimütig einige traumatische Aspekte ihres Lebens und ihre kleinen und großen Probleme anvertrauen. Dabei hat er mit seiner verschrobene Ausstrahlung als alter Mann, dem lockeren Charme und dem völlig ungezwungenen komödiantischen Ansatz einen netten kleinen Film geschaffen, denn man sich sehr gut im Kino ansehen kann.

Zusatz: Bill Bennett hat übrigens selbst das Gefühl, dass er sein Ziel erreicht hat – einen wahrhaftigen Film über einen Mann zu drehen, der einen grundlegenden Wandel seines Charakters und seiner Weltsicht durchmacht, indem er den Jakobsweg geht. Der Regisseur plant einen weiteren Film über eine Wanderung auf dem Camino Portugués zu drehen.

Foto 1: Chris Haywood als Bill © Happy Entertainment
Foto 2: Chris Haywood als Bill & Pia Thunderbolt als Cristina © Happy Entertainment
Foto 3: Pia Thunderbolt als Cristina & Laura Lakshmi als Rosa © Happy Entertainment

Info:
Mein Weg – 780 km zu mir (Australien 2024)
Originaltitel: The Way, My Way
Genre: Wandern, Jakobsweg, Tragikomödie
Filmlänge: ca. 98 Min.
Regie: Bill Bennett
Drehbuch: Bill Bennett
basierend auf seinem Buch The Way, My Way – A Camino Memoir (2013)
Darsteller: Chris Haywood, Jennifer Cluff, Pia Thunderbolt, Laura Lakshmi
sowie in weiteren Rollen als sich selbst: Balasz Orban, Laszlo Vas, Ivan Boffi, Giovanna Donzelli, Marie Dominique Rigaud, Greg Dickinson, Johnny Walker Santiago u.a.
Verleih: Happy Entertainment
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 24.04.2025