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Kategorie: Film & Fernsehen
eine letzteSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. April 2025, Teil 6

Redaktion

Stockholm (Weltexpresso) - EINE LETZTE REISE ist mit mehr als 400.000 Zuschauer*innen Schwedens meistbesuchter Dokumentarfilm und war der schwedische Vorschlag für die Kategorie „Bester internationaler Spielfilm“ für die 97. Oscar-Verleihung.  

Als der beliebte Französischlehrer Lars Hammar aus der schwedischen Kleinstadt Köping nach vierzig Jahren in den Ruhestand ging, dachte er, dass er und seine Frau Tiina „le troisiËme ‚ge“ („das dritte Alter“) erreichen w¸üden. Eine Lebensphase voller Reisen, Wein und lustiger Lebenserfahrungen – all die Dinge, für die zuvor nie Zeit blieb.

„Ich filmte ihn 2008 beim Eintritt seiner Pensionierung, und für eine kurze Zeit war er glücklich“,erinnert sich Lars’ Sohn Filip, ein bekannter schwedischer Fernsehmoderator, Journalist und Filmemacher und Co-Regisseur von EINE LETZTE REISE. „Er hatte viele Pläne: ein großartiges Leben, die Freiheit genieflen und den Traum, nach Frankreich zu gehen. Aber diese Phase war sehr kurz. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt ein Jahr anhielt.“

Lars verfiel in eine tiefe Depression und wurde zunehmend passiver und apathischer. Stundenlang saß er in seinem Ledersessel, sehr zur Verzweiflung seiner lebensfrohen Frau Tiina und seines Sohnes.

„Es gab keinen Inhalt mehr in seinem Leben“, erklärt Filip. „Wenn er unterrichtete, hatte er seine kleine Bühne, auf der er sich wohlfühlte. Auf den Ruhestand war er einfach nicht vorbereitet. Ich glaube, das sind viele Menschen nicht. Nach einem Jahr begann er, Lieder für seine Beerdigung auszusuchen. Er erstellte eine kleine Playlist und hörte sich die Songs immer wieder an. Wenn man so etwas tut, dauert es nicht lange, bis eine sich selbst erfüllende Prophezeiung eintritt. Depressionen bei Männern im Ruhestand kommen häufig vor. Aber eine Betroffene, die in den 1940er-Jahren und früher geboren wurden, würden nie jemandem erzählen, dass sie depressiv sind. Jemand sagte einmal, wenn Frauen 65 werden, öffnen sie ihre T¸üen. Männer verschlieflen sie.“

Schliefllich veranlasste die herzzerreißende Situation Filip dazu, drastische Maflnahmen zu ergreifen. Er plante eine Intervention, die sowohl in der Realität als auch in einem tiefen Wunschdenken wurzelte.
Er würde mit Lars einen Roadtrip nach Südfrankreich unternehmen, um die französische Gemeinde Beaulieu-sur-Mer zu besuchen. Es war das Ziel vieler glücklicher Familienurlaube gewesen und einer der Orte, die Lars in seinem Leben am meisten liebte. Filip hoffte, dass diese Reise seinen Vater an all das erinnern w¸üde, was das Leben lebenswert macht, und dass sie ihm helfen würde, seiner Trübsal zu entkommen.

Den Plan wollte er jedoch nicht allein umsetzen. Er rief seinen langjährigen Freund und Kollegen, Moderator und Filmemacher Fredrik Wikingsson an und bat ihn um Hilfe. „Fredrik wusste, dass sich die Gesundheit meines Vaters sowohl geistig als auch körperlich verschlechterte“, erinnert sich Filip. „Ich sagte ihm, dass ich eine Reise plane. Ich musste auch etwas für meine Mutter tun, denn ihr Leben hat sich im Gegensatz zu vorher grundlegend verändert. Dabei ist sie der positivste Mensch, den ich kenne.“

Filip und Fredrik lernten sich Mitte der 1990er-Jahre kennen, als beide für eine schwedische Zeitung arbeiteten. Seitdem sind sie unzertrennlich, schreiben B¸cher, moderieren Fernsehsendungen und f¸hren Regie bei Dokumentar- und Spielfilmen. Als der Anruf kam, war Fredrik sofort bereit, seinem Freund zu helfen. „Ich kenne seinen Vater schon so lange, wie ich Filip kenne, und ich liebe ihn auch“, sagt er.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Filip nur einen Gedanken: seinem Vater zu helfen. Aber sehr schnell kam die Idee auf, ihre Reise filmisch zu dokumentieren.

„Als ich Fredrik von dieser Reise erzählte, entstand die Idee, sie zu filmen. Es ist unser Job. Wir sind Filmemacher“, sagt Filip. „Für uns ist der Gedanke ganz natürlich, dass man sich stets fragt, ob eine Situation ein Film sein könnte. Die meisten Dinge haben jedoch nicht das Potenzial dazu. Aber mein Vater ist im Herzen ein kleiner Entertainer. Daher wusste ich, dass die Kamera ein weiteres Werkzeug sein könnte, um ihn wieder lebendig zu zeigen.“

„Der Film war ursprünglich gar kein Kinoprojekt. Viel mehr war es eine Rettungsaktion, bei der Filip seinen depressiven Vater zurück ins Leben holen wollte, indem er ihn auf eine Reise mitnahm“, sagt Fredrik, der bei EINE LETZTE REISE gemeinsam mit seinem Freund Regie führte. „Aber als wir anfingen, miteinander zu sprechen, dämmerte es uns, dass diese merkwürdige, sehr persönliche Reise etwas Universelles enthalten könnte und vielleicht eine Geschichte ist, die es wert ist, erzählt zu werden.“Ihre Hoffnung war es, eine aufmunternde Darstellung ¸ber die R¸ckkehr eines alten Mannes ins Leben zu kreieren, die das Publikum inspiriert. Der Grundgedanke sollte sein, dass jeder Mensch seinen Weg zurück zur Lebensfreude finden kann, wenn er die richtige Ermutigung erhält.

Info:
„Eine letzte Reise“, Schweden 2024, 94 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Filmstart 24.4.2025
Regie Filip Hammar mit Lars Hammar, Filip Hammar, Fredrik Wikingsson und Tina Hammar.