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Kategorie: Film & Fernsehen

merkelSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. Mai 2025, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresse) - Ein erstaunlicher Film, zu dem man seine Meinung ständig wechselt. Wenn man erst einmal den uns allen bekannten G7-Gipfel in Gestalt der für den Westen wichtigsten sieben Staats- und Regierungschef sieht, denkt man aha, da war doch was, denn tatsächlich hatte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ihre Kollegen 2007 ins Ostseebad Heiligendamm geladen. Aber das war der G8-Gipfel, damals der fünfte und unter dem Motto „Wachstum und Verantwortung“. Damals gehörte Rußland und sein Präsrdent Putin noch dazu.



Die Sieben kommen also aus dem feinen Hotel nach draußen, stellen sich kameragerecht auf und man denkt, genauso ist es, da wird die politische Macht durch Fotos in die Welt demonstriert und wartet auf eine politische Satire oder irgendetwas dieser Art, denn die Besetzung der G7-Personals ist einfach so hochkarätig, dass jetzt politische Funken schlagen:

Hilda Ortmann.      (Bundeskanzlerin von Deutschland)  Cate Blanchett
Maxime Laplace.   (Premierminister von Kanada)  Roy Dupuis
Cardosa Dewindt.  (Premierministerin von Großbritannien)  Nikki Amuka-Bird
Edison Wolcott.     (Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika)  Charles Dance
Tatsuro Iwasaki.     (Premierminister von Japan)  Takehiro Hira
Sylvain Broulez.     (Staatspräsident der Französischen Republik)  Denis Ménochet
Antonio Lamorte.   (Ministerpräsident von Italien)  Rolando Ravello
Jonas Glob.           (Präsident des Europäischen Rates)  Zlatko Burić
Celestine Sproul.   (Präsidentin der Europäischen Kommission)  Alicia Vikander


Doch nichts dergleichen passiert. Stattdessen wird auf einmal eine Moorleiche zum Star. Spätestens jetzt muß man auflachen, denn wenn sich die Staatsoberhäupter zur gerade entdeckten und ausgegrabenen Moorleiche anthropologisch geben, ist das echt komisch. Aber warum eine Moorleiche? Das war den drei kanadischen Filmemachern, die immer doppel- , ja dreibödig arbeiten das Allerwichtigste am Film. Da lohnen sich die in WELTEXPRESSO abgedruckten Interviews in besonderer Weise. Und die Aussagen zur Moorleiche enthüllen auch, warum der G7 Gipfel in Deutschland stattfinden mußte und nur deshalb die deutsche Kanzlerin als Einladende eine Hauptrolle spielt: Moorleichen finden man nur hier und in nördlicheren Staaten, die aber nicht am G7-Gipfel teilnehmenl

Deshalb also Deutschland mit Moorleichen und seinen romantischen Wäldern, dem dunklen See und vor allem den stetigen Nebel. Deutschland? Iwo, gedreht wurde der Film in Ungarn. Sagen wir es gleich: was immer Sie beim Ansehen des Films denken, in der nächsten oder den nächsten Szenen wird es konterkariert. Dieser Film unterläuft ständig Ihre Erwartung, eine nach der anderen. Nur in einem werden wir nicht enttäuscht. Diese wichtigen Staatsmänner und zwei Staatsfrauen belassen es beim Reden und der Absicht, eine Resolution in die Welt zu setzen, die einerseits Beruhigung schafft, aber auch den potentiellen Gegnern als Abschreckung dient. Reden und Schreiben, aber nicht eine Diskussion über politisches Handeln. Doch wie sie das tun, in Arbeitsgruppen eine Resolution niederzuschreiben, ist dann wieder echt komisch, vor allem, wenn man selber schon am Abfassen solcher Wortprodukte beteiligt war.

Ein anderer Strang sind die persönlichen Beziehungen innerhalb der Gruppe. Sie begeben sich auf ein Belvederchen, einem runden Pavillon auf der Wiese, bei Kaffe und Wein und reden miteinander. Schnell bemerkt man, dass den kanadischen Premier etwas belastet. Es sind seine Gefühle für die britische Premierministerin, die andauern, während sie das gewesene Stelldichein als nie dagewesene Affäre entwertet, was dem liebessüchtigen Kanadier den Boden unter den Füßen entzieht. In gewissem Sinn spielt er die Hauptrolle, denn um ihn fangen sich alle an zu sorgen. Nur die deutsche Kanzlerin sieht hierin eine Chance. Denn schon lange hat der Kanadier ihr Herz (oder sonstwas) betört und sie fängt an, ihn zum umgarnen.

Doch während wir noch denken, aha, das wird jetzt Thema, sind wir wieder ganz woanders, beziehungsweise zurück zu den einzelnen G7-Persönlichkeiten, die, das empfinde ich stark, wohl doch ihre Länder repräsentieren sollen. Der amerikanische Präsident ist schon lange im Geschäft und etwas tütelig, der Japaner spielt eher eine Nebenrolle, hat aber einen wichtigen Auftritt, auch der Italiener kommt nicht groß raus, aber sicher nach der beherrschten britischen Premierministerin der Franzose. Und es ist einmal nicht die Liebe, die ihn dozieren läßt, sondern die Philosophie, die es ihm antut und es ist ja auch einfach über das große Ganze nirgends so wunderbar zu reden wie auf Französisch. Daß auch noch Assistenzfiguren dazu gehören, wie die EU-Ratspräsidentin etc. soll nur erwähnt werden.

Denn längst ist hier was passiert und es wird existentiell, bzw. bedrohlich für die Sieben, die auch nicht mehr sieben bleiben, weil einzelne mutig oder verwirrt voranschreiten. Als es Abend wird und kein Wein mehr auf dem Tisch wird nach dem Personal geläutet. Doch es kommt niemand. Als sie verstört zum Hotel zurückkehren, ist auch dort alles verlassen. Zurück im Pavillon gerät alles außer Kontrolle. Wann hatte sich der französische Staatspräsident eigentlich verletzt? Auf jeden Fall wird er im Schubkarren durch den Wald gefahren, als sie die Sieben in die Büsche schlagen, um über den See das andere, sichere Ufer zu erreichen. Das dann noch passiert, schlägt dem Faß den Boden aus.

Aber wir sagten ja, in diesem Film bleibt nichts, wie es scheint, es kommt immer anders. Ein Nonsens ist es aber auch nicht. Wenn man sich darauf einläßt, einfach nur zuzuschauen und es nicht übel zu nehmen, wenn es anders kommt, als gedacht, sondern dies genießt, hat man herrliche Stunden zum Entspannen.

 

Foto:
©Verleih
 
Info:
Besetzung 

Hilda Ortmann.      (Bundeskanzlerin von Deutschland) Cate Blanchett
Maxime Laplace.   (Premierminister von Kanada) Roy Dupuis
Cardosa Dewindt.  (Premierministerin von Großbritannien) Nikki Amuka-Bird
Edison Wolcott.     (Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika) Charles Dance
Tatsuro Iwasaki.     (Premierminister von Japan) Takehiro Hira
Sylvain Broulez.     (Staatspräsident der Französischen Republik) Denis Ménochet
Antonio Lamorte.   (Ministerpräsident von Italien) Rolando Ravello
Jonas Glob.          (Präsident des Europäischen Rates) Zlatko Burić
Celestine Sproul.  (Präsidentin der Europäischen Kommission) Alicia Vikander

Stab
Regie Guy Maddin, Evan Johnson, Galen Johnson
Drehbuch    Evan Johnson

Satire, Kanada / Deutschland 2024, 104 Minuten