Biografie als Erstausstrahlung in der Nacht von Montag 26. auf Dienstag 27. Mai 2025 bei ARTE
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) – Bereits 1905 hatte Thomas Mann Pläne zu einem Hochstapler-Roman rund um die Figur Felix Krull. Die Idee wächst zu einem monumentalen Projekt an: Mann entwirft eine Trilogie, die er aber nie vollenden wird. Der erste Teil der Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull erscheint dann auch erst 1954, ein Jahr vor dem Tod des Autors.
Keine literarische Figur hat Thomas Mann so lange begleitet wie Felix Krull. Sowohl Krull als auch Thomas Mann sind Meister der Täuschung. Thomas Mann war literarischer Superstar und baute sich daneben eine großbürgerliche Fassade auf. Sein Weltruhm bedeutete ihm alles – doch es kostete ihn enorme Kraft, den Schein dieser Figur aufrecht zu erhalten. Dadurch hat der Schriftsteller in keinem seiner anderen Werke so viele seiner persönlichen Sehnsüchte und Ängste einfließen lassen wie im Krull.
Aus den Tagebüchern von Thomas Mann spricht ein unsicherer, oft depressiver Mensch, der Zeit seines Lebens sein sexuelles Begehren unterdrückte: Thomas Mann war offiziell mit Katia Mann verheiratet und hatte sechs Kinder, doch seine Tagebücher und Briefe legen nahe, dass er homosexuell war.
Der Dokumentarfilm folgt den Spuren von Felix Krull nach Eltville, Paris und Lissabon – und zeichnet anhand von Archivmaterial, Briefen und Tagebucheinträgen Thomas Manns eigene Reise während des Schaffensprozesses nach. Dabei begleitete die Arbeit am Roman Thomas Mann durch die Hitler-Jahre, die McCarthy-Ära in den USA und das neue Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.
In der dokumentarisch-fiktiven Biografie lassen Regisseur André Schäfer und Schauspieler Sebastian Schneider die Grenzen zwischen Thomas Mann und Felix Krull verschwimmen – und erzählen so von einem Titanen der deutschen Literatur aus einer völlig neuen Perspektive.
″Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann″ blickt hinter die Fassade des gefeierten Erzählers und schaut gleichzeitig in die schillernde Welt seines literarischen Alter Egos Felix Krull. Während Krull wie ein Magnet die Elite anzieht, täuscht, verführt und sich als erfolgreicher Hochstapler inszeniert, ringt Thomas Mann mit seinen inneren Konflikten: er sehnt sich nach Anerkennung, verbirgt seine wahre Identität und ist stets bemüht, die Rolle des untadeligen Familienvaters zu spielen. Die ineinander verschlungenen Lebenswege von Thomas Mann und Felix Krull verweben sich zu einer fesselnden Reise durch Selbstinszenierung, Exil und die bittersüße Kunst des Verstellens. Aus einem Kaleidoskop aus Originalzitaten und fiktionalen Szenen entsteht mit feiner Ironie eine spannende Hommage an den Menschen hinter dem Mythos Thomas Mann.
″Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull″ wurde seit seinem Erscheinen vor 70 Jahren insgesamt drei mal verfilmt. Dabei gilt sicher die Verfilmung von Regisseur Kurt Kurt Hoffmann (1957) mit Horst Buchholz als Felix Krull trotz eines abweichenden Endes als der Klassiker. 1982 gab es eine fünfteilige Minisehserie im Fernsehen, bei der Drehbuch und Regie von Bernhard Sinkel stammten, von der auch eine gekürzte 125-minütige Version erstellt wurde, und in der John Moulder-Brown die Hauptrolle spielte. 2020/2021 wurde der Roman nach einem Drehbuch von Daniel Kehlmann unter der Regie von Detlev Buck mit Jannis Niewöhner in der Titelrolle erneut verfilmt.
Jetzt liefert Regisseur André Schäfer nach dem Drehbuch von Jascha Hannover und Hartmut Kasper keine typische Filmbiografie, sondern eine Mischung aus Fiktion und Dokumentarfilm über den bedeutenden deutschen Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger. Im hier besprochenen Film konzentriert sich der Regisseur auf einen einzigen Roman des Autors (und das ist nicht ″Die Buddenbrooks″).
Mit viel Sympathie, aber ohne falsche Ehrfurcht nähert sich André Schäfers Film Thomas Manns Leben. Sein dokumentarisch-fiktiven Film zeigt auf respektlose Weise angemessenen Respekt vor der facettenreichen Persönlichkeit des Schriftstellers, indem er Motive wie (Selbst-)Täuschung und das Verkörpern einer Rolle herausstellt. Dadurch verschmelzen Felix Krull und Thomas Mann in der Interpretation des Regisseurs zunehmend zu einer Person, die aber stets ein Mysterium bleibt.
Durch die zahlreichen Originaltöne und Originalbilder von Thomas Mann sowie im Handlungsteil ausschließlich Roman-Formulierungen Thomas Manns selbst zu verwenden, ist die Dokumentation eine hervorragende Einstimmung auf den 150. Geburtstag des großen Schriftstellers, der bekanntlich am 6. Juni 1875 in Lübeck geboren wurde und am 12. August 1955 in Zürich starb, denn ″Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann″ entführt in die faszinierende Doppelwelt des großen Erzählers und Nobelpreisträgers und seines charmanten Alter Egos Felix Krull. Während Krull als gewiefter Hochstapler die Gesellschaft verführt, kämpft Thomas Mann mit den Widersprüchen seines eigenen Lebens – Ruhm und Selbstzweifel, bürgerliche Fassade und unterdrückte Leidenschaften. Gerade dieser Widerspruch macht die Biografie unbedingt sehenswert.
Foto 1 + 2: Sebastian Schneider als Thomas Mann © mindjazz pictures
Foto 3: Thomas Mann © mindjazz pictures
Info:
Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann (Deutschland 2024)
Genre: Dokumentation, Biografie
Filmlänge: ca. 91 Min.
Regie: André Schäfer
Drehbuch: Jascha Hannover, Hartmut Kasper
Darsteller: Sebastian Schneider, Nils Rovira-Munoz u.a.
FSK: ab 12 Jahren
″Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann″ wird als Erstausstrahlung in der Nacht von Mo. 26.05.2025 auf Di. 26.05.2025 um 0:05 Uhr bei Arte gezeigt und am Mi. 28.05.2025 um 23:05 Uhr wiederholt. Der dokumentarisch-fiktiven Kinofilm ist vom 25.05.2025 bis 24.06.2025 in der ARTE Mediathek verfügbar.
Zusatz: Direkt vor der hier besprochenen Dokumentation zeigt ARTE am Mo. 26.05.2025 um 20:15 Uhr und 21:40 Uhr die zweiteilige Verfilmung ″Buddenbrooks″ (2008) (Online verfügbar vom 26.05.2025 bis 24.06.2025) und um 23:10 Uhr die Dokumentation ″Buddenbrooks - Thomas Mann und Lübeck″ (2025) als Erstausstrahlung, die vom 26.05.2025 bis 23.08.2025 auch Online verfügbar ist.