
Redaktion
Zürich (Weltexpresso) - Wie kam es zur Idee für den Film?
Emil: Da ich in der Schweiz 10 Jahre lang 2 Kinos geführt habe, habe ich erfahren, dass gute Lebensgeschichten immer vom Publikum geschätzt wurden.
Wir haben in unseren Ferien immer aus Freude versucht, gemeinsam Filmstories zu entwickeln, bis wir fanden, dass das etwas verrückte Emil-Leben auch eine gute Story ergeben könnte.
Niccel: In den bald 30 gemeinsamen Jahren mit Emil habe ich so viele interessante, lustige und beeindruckende Geschichten aus seinem Leben gehört, immer wieder. Der Gedanke, dieses verrückte Leben in einem Film zu schildern, hat sich einfach aufgedrängt. Und um so mehr, da Emil selber erzählen kann.
Hat Ihre Frau Niccel Sie zu der Idee inspiriert?
Emil: Meine Frau, Niccel, archiviert automatisch alle Ereignisse, Interviews und privaten Filme aus meinem und unserem Leben. Natürlich war sie von der Vielseitigkeit meines Lebens überrascht. Aber inspiriert hat uns zu diesem Filmprojekt, dass immer wieder Filmschaffende und TV-Sender auf mich zu kamen, mit dem Wunsch, einen Film über mein Leben zu machen.
Erzählen Sie doch etwas über die Entstehungsgeschichte und das Team mit dem Sie gearbeitet haben?
Emil: In der Filmbranche ein Team zu finden, bei dem man sich in der groben Form und den möglichen Filminhalten einigermaßen entspricht, ist nicht einfach. Wir haben 15 Jahre nach so einem Team gesucht, Filmgestalter, die nicht festgefahren sind und nur mit Hollywood-Maßstäben und verkrusteten Dreh-Gesetzen hantieren. Eines Tages hat uns jemand die Adresse von zwei jungen Filmschaffenden zugespielt. Es gab ein gemeinsames Kaffeetrinken, das zu einem Mittagessen ausgedehnt wurde und drei Monate später begannen wir mit der gemeinsamen Filmarbeit.
Niccel: Ich empfand die Zusammenarbeit mit so einem jungen Filmteam als ideal für uns. Sie gingen
unkompliziert, dennoch respektvoll und auch fröhlich und liebenswürdig mit Emil und seinem prallen Leben um. Sie verschonten uns aber auch nicht, wenn sie anderer Meinung als Emil oder ich waren. Das war nicht immer einfach für uns – vor allem für Emil – aber das gehört zu so einem kreativen Prozess dazu.
Sie haben den Film gemeinsam vorbereitet. Wie nähert man sich so einem reichen Künstlerleben an?
Emil: Indem man auf DIN A 6-Kärtchen alle wichtigen Lebensphasen und Momente notiert, sie sammelt, bespricht, nach ihrer Wichtigkeit sortiert und beginnt, daraus eine Filmstory zu entwickeln.
Niccel: 90 derart ausgefüllte Lebensjahre mit all den Tätigkeiten und Erfolgen, die Emils Leben geprägt haben, die können erdrückend wirken, wenn man sich fragen muss, was nehmen wir in den Film und was nicht. Gut war, dass Emil bereits 2020 damit begonnen hatte, an seiner Autobiographie zu arbeiten und somit schon intensiv mit einem Rückblick auf sein Leben beschäftigt war. Trotzdem war es nicht leicht, dieses interessante Künstlerleben in einen Film zu pressen. Sicherlich half auch der "fremde" Blick von aussen, sogar von einer ganz anderen Generation, unserem Filmteam. Man selber klebt ja schnell mal zu nah an den eigenen Erlebnissen dran. Aber natürlich hätte es noch viel mehr zu erzählen gegeben.
Haben Sie während der Beschäftigung mit dem Film etwas Neues über sich selbst gelernt?
Emil: Natürlich sind die Erinnerungen an die Geschehnisse unerwartet aufgetaucht. Niccel fand beim
Recherchieren ein Interview, das meine Mutter 1977 einem Journalisten gegeben hatte. Daran hatte ich mich gar nicht mehr erinnert und es war interessant, es lesen zu können. Es machte mich geradezu glücklich, da das, was ich immer über das Verhältnis zu meiner Mutter erzähle, zu 100% mit ihren Aussagen im Interview übereinstimmt.
Was macht für Sie den typischen Schweizer aus, dem Sie ja schonungslos den Spiegel vorhalten?
Emil: Es war nie mein Vorhaben, den Schweizern einen Spiegel vorzuhalten. Ich habe einfach versucht, Menschen nachzuahmen, habe aber dabei nie bewusst auf den Schweizer abgezielt. Deshalb fühlten sich auch Menschen in anderen Ländern, wie z.B. Deutschland in ihren Verhaltensweisen von mir karikiert und erkannten sich oder ihr Umfeld in meinen Nummern wieder. Natürlich hat aber in Deutschland mein nicht ganz perfektes Schweizer Hochdeutsch ein bisschen den Verdacht aufkommen lassen, ich würde nur Schweizer darstellen.
Wir Schweizer unterscheiden uns natürlich von Deutschen, Italienern, Franzosen. Das ist ja logisch. Ein Hauptunterschied zwischen Schweizern und Deutschen ist sicherlich, dass wir bedächtiger reden, langsamer und dadurch vielleicht auch etwas überlegter formulieren. Dieser Unterschied, finde ich, wird immer stärker. "Dein zweistündiges Cabaret-Programm hätte ich in maximal einer Stunde gespielt", sagte mal ein deutscher Kabarettist zu mir. Auch die Art der politischen Diskussionen ist in der Schweiz sanfter angelegt als in Deutschland.
Sie sind keine Schweizerin, Sie haben ‚interkulturelle Germanistik‘ studiert, was ist für Sie typisch Schweizerisch?
Niccel: Doch, ich bin Schweizerin. Und zwar NUR Schweizerin. Ich habe meinen deutschen Pass 2008, zwei Jahre nach meiner Einbürgerung, abgegeben. Aber ich habe 30 Jahre in Deutschland gelebt, bin dort aufgewachsen. Ich empfinde tatsächlich die Umgangsformen in der Schweiz als angenehmer. Ich war nie ein kämpferischer Typ. Ellbögele liegt mir nicht. Ich vermute, in der Schweiz geht man etwas anständiger miteinander um, weil ja das Land recht klein ist und man damit rechnen muss, dass man sich immer wieder mal begegnet. Es gibt aber auch Momente, wo ich über uns Schweizer denke, jetzt seid doch nicht sounterwürfig und überhöflich, sagt doch einfach mal, was ihr denkt und was ihr wollt.
Warum hat die Figur „Emil“ auch so gut in Deutschland funktioniert, und wer hat Sie seinerzeit nach Deutschland gebracht?
Emil: Beim früheren Süddeutschen Rundfunkt gab es zwei Unterhaltungschefs, die mich in den 70er Jahren in Basel "ausspioniert" haben. Sie waren sofort davon überzeugt, dass ich meine Auftritte auch in Deutschland präsentieren müsste. Gesagt, getan, und wie der Blitz war auch der Erfolg sofort da. Kein Stuhl blieb in den Theatern leer, auch in den grössten Sälen nicht. Als ich in den frühen 2000er Jahren dann mit "Drei Engel!" nochmals in Deutschland tourte, zeichnete der SWR mein neues Programm auf und strahlte es auf der ARD aus. 4 Millionen Zuschauer.
Gibt es einen speziellen Auftritt in Deutschland, den sie in besonders guter Erinnerung haben?
Emil: Das spielte sich in Hamburg ab, wo ich im Schauspielhaus mit meinem Emil-Programm sehr kurzfristig engagiert wurde, weil das Zadek-Ensemble bei der Première streikte. Das Publikum kam in Gala-Aufmachung und wusste nicht, dass sie eine Emil-Vorstellung erwartet. Der Applaus nach der Vorstellung war zum Glück enorm.
Ich war – wie immer – mit meinem eigenen PKW angereist, in dem ich alle meine Bühnenrequisiten
untergebracht hatte. Die Bühnenarbeiter begrüssten mich mit der Frage "Wann kommt denn der
Sattelschlepper?" Als ich ihnen entgegnete, dass ich alles in meinem PKW habe, nahmen sie mich nicht mehr so ganz ernst.
Nach der gelungenen Vorstellung aber kam ein Bühnentechniker zu mir und sagte "Emil, wir müssen für das Zadek-Stück Schnee auf der Bühne haben und ein Dutzend Schafe und Sie kommen mit einem Tisch und einem Stuhl und ein paar Kleidungsstücken und füllen dreimal den Saal!" Beim Laden meines Autos nach den 3 Vorstellungen wollten alle helfen, so hatten sie mich ins Herz geschlossen.
Sie haben 2004 den Ehrenpreis des Deutschen Comedy-Preises und letztes Jahr den Ehrenpreis des Zurich Film Festivals bekommen. Wie wichtig sind Ihnen solche Auszeichnungen?
Emil: Wenn ich Preise erhalte, weiss ich, dass sich ein Gremium mit meiner Arbeit auseinandergesetzt hat und sie beurteilen musste. Dementsprechende schätze ich diese Preise als Preisträger sehr.
Warum haben Sie 1993 einen großen „Cut“ gemacht und sind nach New York gezogen?
Emil: In meinen Büchern "Wahre Lügengeschichten" und "Emil via New York" habe ich erzählt, welche Anfragen und Wunschlisten permanent auf mich hereinprasselten. Da musste ich einfach mal "Stopp" sagen. Wenn man dann noch sieht – wie im Film TYPISCH EMIL ja dargestellt – wie viele und welche Zeitungsaushänge ständig über mich an den Kiosken hingen, dann versteht man den Druck, der auf mir lastete, noch besser. Ich musste einfach mal einen Schnitt machen.
Sie, Niccel, kamen 1996 nach New York, wie kam es dazu und wie sind Sie sich begegnet?
Niccel: In der Nacht auf meinen 20. Geburtstag schrieb ich Emil Steinberger einen Brief. Ich wollte Clown werden und bat ihn um Ratschläge, wo ich mich dazu ausbilden lassen könnte, da ich die Aufnahmeprüfung an der Scuola Dimitri nicht geschafft hatte. Aus diesem ersten Brief entstand eine zehnjährige Brieffreundschaft zwischen Emil und mir. Clown wurde ich nicht, aber das Thema Lachen liess mich nie los und so schrieb ich auch meine Abschlussarbeit an der Universität Bayreuth über das "Lachen und Weinen des Clowns" und kreierte anschliessend meine eigenen LachsemiNarre. Meinen 30. Geburtstag wollte ich mit meiner Mutter in New York feiern. Zufällig war zu dieser Zeit auch Emil in New York. Wir trafen uns ein paarmal und er beglückte uns mit Tickets für Musicals und den Cirque du Soleil. Nach einer Woche reisten wir zurück nach Köln. Ein Jahr später rief Emil mich an und fragte "Hat es Dir gefallen in New York?" – "Ja, sehr." – "Dann komm doch noch einmal!" Also stieg ich an meinem 31. Geburtstag wieder in den Flieger nach New York und seither sind wir zusammen. Tag und Nacht, seit nunmehr 29 Jahren.
In New York haben Sie und Ihre Frau Niccel sich lieben gelernt – wer war die treibende Kraft, wieder zurück in die Schweiz zu ziehen?
Emil: Nach unserer New Yorker Begegnung, nach 10-jährigem Briefverkehr und näherem Kennenlernen in New York war es für mich selbstverständlich, dass ich den Wohnungsschlüssel drehte und Niccel New York nicht mehr verlassen konnte. Das war der eindeutig intelligenteste und wärmste Entscheid, den ich in meinem Leben getroffen habe und dem auch Niccel zugestimmt hat. Nach zwei gemeinsamen Jahren in New York wurde unsere schöne Wohnung verkauft. Wir mussten nach etwas Neuem suchen, was gar nicht einfach war. Wir stellten aber auch fest, dass ich ständig für die Schweiz und Deutschland arbeite. Kolumnen schreiben, Interviews geben, TV-Sendungen in New York planen und gestalten, Fototermine machen … Irgendwann merkte ich, mit Niccel an meiner Seite kann ich wieder in die Schweiz gehen. Also heirateten wir noch in New York und zogen dann zurück in die Schweiz.
Wenn Sie sich die heutige Lage der Welt ansehen, gibt es überhaupt noch Gründe zu lachen?
Emil: Es muss doch noch Gründe zum Lachen geben, trotz ein paar dummen Köpfen. Sonst würden wir uns ja bei lebendigem Leibe vergraben, das wäre ja für den "Feind" das praktischste Ziel. Zugedeckt mit Erde könnte unser Lachen nicht mehr ansteckend wirken. Darüber könnten dann nur noch die Erinnerungen jedes Einzelnen an Schönes hinweghelfen.
Niccel: Das Lachen ist die stärkste Macht und wird von den Machthabern gefürchtet. Die heutige Weltlage, mit all diesen Machtbesessenen fordert also unser Lachen heraus. Ich bewundere die Menschen zuhöchst, die während des 2. Weltkriegs in KZs in den dunkelsten Stunden ihres Lebens das Lachen, den Witz noch pflegten. Damit darf man nie aufhören. Ich bemerke auch, dass den Menschen in unseren heutigen Zeiten das Lachen mehr denn je fehlt. Wir werden täglich durch die Medien zugeballert mit all dem Schlimmen und unbegreiflich Grässlichen, was wir Menschen veranstalten. Man muss sich mit all dem täglich auseinandersetzen. Das gehört zu unseren Bürgerpflichten. Aber langsam ist das Mass voll. Wenn wir uns da nicht mehr mittels des
Lachens helfen würden, Dampf abzulassen oder sogar die Obrigen lächerlich zu machen, hätten wir verloren.
Über was oder wen haben Sie zuletzt gelacht?
Emil: Niccel und ich haben kürzlich im Theater "Teufelhof Basel" eine tolle, humoristische Neuentdeckung gemacht, das deutsche Duo "Ulan und Bator". Die beiden haben so eine grossartige Komik, spielen perfekt undbieten ein Bühnenprogramm voller Überraschungen. Wir haben uns, wie man so schön sagt, weggeschmissen vor Lachen.
Niccel: Emil und ich lachen seit Jahren auch allwöchentlich über die "heute show" und das "Magazin Royale" im ZDF. Es schmerzt, wenn die dann jeweils in die Winter- oder Sommerpause gehen. Es ist etwas vom Schönsten, gemeinsam zu lachen. Da wir schon sehr viel gesehen haben, ist es nicht ganz einfach, uns auf der Bühne mit Komik so richtig zu überzeugen, aber wir entdecken doch immer wieder neue, riesengroße Talente. Eigentlich müssten wir einen "EMIL-Preis" kreieren und alljährlich an unsere Neuentdeckungen vergeben. Aber da möchte ich dann auch in der Jury sitzen.
Traurig hingegen finden wir beide, dass es immer weniger richtig gute Clowns gibt. Clowns, die ihr Metier richtig beherrschen und die Menschen generationenübergreifend und auch nationenübergreifend zum Lachen bringen.
Sie sind jetzt 92 Jahre alt. Im Film sagen Sie: „Man hat immer eine Zukunft.“ Was sind Ihre aktuellen Pläne dafür?
Emil: Meine Zukunftspläne auszuplaudern, habe ich mir abgewöhnt. Meistens reagieren die Leute auf
neue Ideen, die man ausheckt, eher skeptisch. Sie können das Erzählte nicht nachvollziehen, erkennen die Komik darin nicht. Das bremst dann sofort deinen Elan. Also schweige ich lieber und arbeite im Stillen. Nur meiner Frau vertraue ich mich in dieser Hinsicht an. Niccel darf bei meinen "grossen" Plänen mitdenken und mitschaffen. Darf … kann … muss. Sie tut dies gerne und ist für mich eine unglaublich gute Erinnerungs-Tankstelle.