Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. Juli 2025, Teil 1
Corinne Elsesser
Madrid (Weltexpresso) - Der Hippie-Trail ist endgültig versperrt. Wer würde heute noch in einem überfüllten Magic Bus, mit lauter fröhlichen Leuten kiffend und singend zum Klang von Popsongs und Balladen in glühender Hitze auf dem Landweg bis nach Afghanistan reisen! Die landschaftlich schönsten Regionen der Erde sind zum Kriegsgebiet geworden und ein Durchfahren wäre lebensgefährlich.
Und doch gibt es noch Aussteiger und Weltenbummler, die irgendwo im Niemandsland Nordafrikas Musikevents organisieren. Romantisch, doch auch fragwürdig inmitten von Krieg und Vertreibung.
Am Beginn des Films von Óliver Laxe wird vor einer beeindruckenden Felsenkulisse im marokkanischen Atlasgebirge eine gewaltige Wand aus Lautsprechern aufgebaut, vor der wenig später Raver, wie sie sich heute nennen, zu vibrierenden Bässen über einem Klangteppich aus Synthesizerbeats tanzen bis zum Morgengrauen. Doch bei Sonnenaufgang wird das Festival von anrückenden Soldaten abrupt beendet. Es herrscht Bürgerkrieg in Marokko. In einer Kolonne werden die Fahrzeuge der Raver zum Kontrollpunkt geleitet. Doch plötzlich brechen zwei der zu Campern umgebauten Geländewagen aus, überwinden eine steile Böschung und fahren mit großer Geschwindigkeit davon. Luis (Sergi López), ein Vater, der noch in der Nacht mit seinem kleinen Sohn Esteban (Bruno Núñez) auf dem Konzert herumlief und verzweifelt nach seiner Tochter suchte, folgt ihnen spontan mit seinem kleinen Kombi, in der Hoffnung, beim nächsten Raverkonzert im Süden des Landes mehr Glück zu haben.
Es beginnt eine rasante und extrem gefährliche Fahrt durch die Wüste. Anfangs belächelt von den skurril wirkenden Ravern, die schon einige Reisen überstanden und sich zwischen fröhlichem Kiffen und lauten Konzerten ihren hedonistischen Lebensstil bewahrt haben, bleibt Luis zunächst ein Fremder, entwickelt sich aber mehr und mehr zu einer wegweisenden Figur. Die Reise wird beschwerlicher, nervenzehrender, mörderischer. Eine im Zenit stehende Sonne ist nur noch Glut, der ewige Staub tut sein übriges. Mit jedem Schritt treffen die Protagonisten auf die Hinterlassenschaften des Krieges. Zwei zurückgelassene Kleinlaster in einem Tal erweisen sich als ausgediente Raketenträger und ein Hirte, der einzige Mensch, dem sie begegnen, ergreift mit seiner Schafherde die Flucht. Der Weg durchs Gebirge ist zuweilen so schmal, dass die Camper immer mit einem Reifen über dem Abgrund fahren müssen, erschreckend nah dem Tod.
Es ist kein romantisches Roadmovie, das der aus Paris gebürtige, in Galizien aufgewachsene Regisseur vorlegt, der übrigens unterstützt und beraten wurde von Altmeister Pedro Almodóvar, sondern eher eine Fahrt auf dem "Sirāt", jener schmalen Brücke über die Hölle im islamischen Jenseitsglauben, die die Reisenden an ihre existentiellen Grenzen führt.
Ein sehenswerter Film, der, visuell erzählt (Kamera: Mauro Herce) und unterlegt mit einem atemberaubenden Soundtrack (die Musik komponierte der Berliner Techno-Musiker Kangding Ray), mit nur wenigen Dialogen auskommt und lange nachwirkt. Bei seiner Premiere am diesjährigen Filmfestival in Cannes wurde er mit dem Preis der Jury ausgezeichnet.
Foto:
©Verleih
Info:
Sirāt, Spanien, 2025
Regie: Óliver Laxe
Drehbuch: Óliver Laxe, Santiago Fillol
Besetzung: Sergi López, Bruno Núñez, Jade Oukid u.a.
115 Minuten