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Kategorie: Film & Fernsehen

beule1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. September 2025, Teil 2

Redaktion

Berlin Weltexpresso) – Woher stammt die Idee zu „Beule zerlegt die Welt“?

Die Idee kam mir in einem sehr besonderen Moment: Ich fuhr mit meiner hochschwangeren Frau durch ein Hamburger Schneetreiben ins Krankenhaus. Es war Februar, die Straßen glatt, und ich hatte panische Angst, einen Unfall zu bauen. Da meldete sich plötzlich eine leise innere Stimme: „Das wäre doch ein guter Ausgangspunkt für einen Kinofilm. Was könnte alles schiefgehen auf dem Weg mit einer schwangeren Frau ins Krankenhaus?“ Ein paar Wochen nach der Geburt meines Sohnes habe ich begonnen, erste Ideen aufzuschreiben.

 

Was für eine Art von Film schwebte Ihnen vor?

Ich wollte eine turbulente, freche Komödie machen. Figuren mit richtigen Schwächen erzählen.

Warum mussten Sie diesen Film machen?

Weil mich die Aufgabe, mit meinen Fehlern und Schwächen zu leben, sehr fordert. Ich finde, ich sollte immer noch viel gelassener mit mir sein. Aber so habe ich das von meinem Vater nicht gelernt. Wenn ich was vermasselt habe, gab's zu Hause Ärger. Es hat viele Jahre (Jahrzehnte) gedauert, bis ich mich langsam geändert habe. Ich habe viel Zeit bei mit einem Therapeuten in Eimsbüttel verbracht. Die Liebe meiner Frau und der Wunsch, meinen Sohn liebevoller zu erziehen, haben dazu geführt, dass ich mit anderen, aber auch mit mir selbst gnädiger wurde. Das hat mein Leben deutlich verbessert, und ich dachte, davon muss ich erzählen. Ich muss Werbung fürs Verzeihen machen. BEULE war für mich eine Möglichkeit, dieses Thema wild und witzig zu erzählen.

 

Hatten Sie Vorbilder vor Augen?

Ja, einige. „The Wolf of Wall Street“ hat mich beeindruckt. Wie Scorsese mit über 70 noch einen so frechen Film hinzaubert, hat mir Mut gemacht. „Ein Fisch namens Wanda“ liebe ich für seinen anarchischen Humor. Und das Ende von „Notting Hill“, wenn die Freunde gemeinsam durch die Stadt zu der Pressekonferenz jagen, fand ich beeindruckend. Ich dachte, so eine wilde Fahrt hat Kraft. Einer meiner Lieblingsregisseure ist Miloš Forman: Seine Art, Figuren zu entwickeln, Figuren die anstrengend sind und die man trotzdem sehr mag („Larry Flint“, „Einer flog übers Kuckucksnest“).

 

Es ist ein Stoff, der von Ihnen ausgeht. Wie sind Sie bei der Umsetzung vorgegangen? Wie haben Sie Mitstreiter gefunden?

Lars Büchel und ich kennen uns schon so lang. Er hat mich manchmal gefragt, ob ich vielleicht eine Geschichte hätte, die wir gemeinsam realisieren können. Ich habe ihm BEULE gegeben und zum Glück

fanden er und sein Partner Bernd Hoefflin die Geschichte spannend.

 

Es war ein langer Weg, bis Sie den Film schließlich drehen konnten. Wie haben Sie den Weg erlebt? Gab es Momente, bei denen Sie die Hoffnung fahren ließen? Was hat Sie dazu bewegt, dennoch dranzubleiben?

Meine Geschichte mit der HH Filmförderung ist leider besonders unglücklich. Ich wurde dort seit 25 Jahren nicht mehr gefördert. Das kann passieren, aber jede Ablehnung ist ein verwirrender, schwerer Moment. Ich glaube, ich werde den Tag nie vergessen, als wir uns in einem Hotel trafen, um zu überlegen, wie wir mit der letzten Förderabsage umgehen. Lars und Bernd fingen plötzlich an zu überlegen, ob man den Film nicht auch ohne Förderung machen könnte. Ich war so aufgeregt, plötzlich war der Schmerz vergessen, ich bin aus einem der dicken Sessel gesprungen und aufgeregt hin und her gerannt. Dann habe ich langsam realisiert, was es bedeutet, quasi ohne Geld zu drehen. Da habe ich mich wieder hingesetzt. Aber wir haben Lösungen für alles gefunden.

 

Warum wollten Sie Regie führen? Wie würden Sie den Regisseur Janek Rieke beschreiben?

Ich fand Filme immer schon faszinierend. Meine Mutter hat Textildesign gemacht. Sie hatte ihr Atelier in unserer Wohnung und während sie Muster für Stoffe entworfen hat, lag ich auf dem Boden und habe 
Schlachten gemalt. Ich war fünf, vielleicht sechs Jahre alt und habe blutige Kämpfe geliebt. Apachen, die Cowboys töten. Ich war immer auf der Seite der Apachen. „Star Wars“ habe ich nachgemalt. Aber „Star Wars“ mit Blut. Din-A4 Zettel, wenn ein Papier voll war, musste das nächste Blatt angeklebt werden. Das war ein bisschen wie Szenen, die man aneinanderschneidet. Am Ende hatte ich manchmal 30 bis 40 Papiere. Eine gigantische Mord- und Totschlag-Geschichte, die vom Atelier bis zur Küche führte, diese Papiere wurden dann aufgerollt. Es gab eine Box mit vielen Rollen. Alles kleine Horror-„Kurzfilme“.

Ich bereite mich auf meine Drehtage akribisch vor. Ich brauche ungefähr sechs Monate, bis ich bereit bin. Ich habe für Beule mindestens zehn Fassungen geschrieben, ich habe ein Regiekonzept entworfen (nach Francis Ford Coppola). Ich habe wochenlang mit meinem Kameramann ein Storyboard gezeichnet. Für mich gibt es Sicherheit am Set nur, wenn ich vorbereitet bin, als wäre ich für einen Raketenstart verantwortlich. Ich glaube, Lars fand das manchmal ein bisschen übertrieben, aber für mich ist das wichtig. Am Set muss ich dann wieder mit der echten Welt klarkommen. Zeitdruck, Szenen anpassen oder rausschmeißen. Ich versuche, dass niemand meine Verzweiflung spürt. Regisseure sind oft verzweifelt. Ich will, dass sich alle wohl fühlen. Glückliche Menschen merken nicht, dass sie arbeiten. Alle spielen zusammen.

 

Warum haben Sie entschieden, Beule selbst spielen zu wollen? Stand das immer fest für Sie?

Wir haben einige der bekannten Schauspieler angefragt. Die hatten keine Zeit, und dann habe ich Lars und Bernd gefragt, wie sie das fänden, wenn ich Beule spielen würde, und sie fanden die Idee gut.

 

Wie würden Sie die Figur beschreiben: Wer ist Beule? Was macht ihn interessant, spannend?

Olli „Beule“ Schröder kann nicht gut verzeihen. Wenn er schlecht behandelt wird, muss er zurückschlagen. Er glaubt an den Satz, den er in seiner Kindheit oft von seinem Vater gehört hat: „Strafe muss sein.“ Olli läuft mit dieser Haltung gegen viele Wände, am Ende, völlig verbeult, droht er alles zu verlieren, und da probiert er dann doch mal aus, wie es wäre ein bisschen vorsichtiger mit sich selbst und mit seinen Mitmenschen zu sein. Olli macht die Entwicklung, die mein Vater im echten Leben leider nicht gemacht hat.

 

Wer sind die anderen wichtigen Figuren der Handlung?

Anja, Ollis Freundin. Sie verwandelt sich unter dem Einfluss der Schwangerschaft zu seiner gereizten Partnerin. Sie macht während der Geschichte eine ähnliche Entwicklung wie Olli durch. Kann sie Olli  verzeihen? Dann wird ihr Traum von einer Familie mit Olli real. Beendet sie die Beziehung, dann muss sie sich auf den schmierigen Lorenz einlassen. 
Frau Milewski, die vom Pech verfolgte Therapeutin. Sie will alles richtig machen und verursacht immer mehr Chaos.
Mia Petersen, Ollis Geliebte. Richard, Ollis erfolgreicher Bruder. Chefarzt für Gynäkologie.

 

Wie haben Sie sie ausgearbeitet, speziell die weiblichen Figuren?

Ich selbst habe oft Nebenrollen gespielt und oft werden diese Rolle stiefmütterlich behandelt, was super schade ist, denn oft werden gerade diese Figuren vom Publikum besonders geliebt. In „Star Wars“ wimmelt es von Figuren, die gut konzipiert sind und die von den Zuschauern gefeiert werden. Was wäre „Star Wars“ ohne R2D2 oder ohne Yoda? Ich habe allen Figuren Stärken und Schwächen mitgegeben und ich glaube, dass das schon fast das ganze Geheimnis ist. Der Zuschauer kann alle Figuren bewundern, und er kann sie auch belächeln, denn sie alle machen Fehler, wie normale Menschen eben Fehler machen. Wie toll ist es, dass der raue Indiana Jones Angst vor Schlangen hat? Und so fährt die intelligente Frau Milewski schlecht Auto und die schöne Mia ist eifersüchtig und die witzige Anja erlebt durch die Schwangerschaft Stimmungsschwankungen. Olli ist jähzornig und Richard ist selbstverliebt.

Sie konnten eine phänomenale Besetzung versammeln – keine Selbstverständlichkeit bei einem so handgemachten Projekt wie diesem. Wie konnten Sie die Kolleg:innen überzeugen, begeistern?

Dafür braucht man zwei Dinge. Erstens ein gutes Drehbuch und zweitens einen Liebesbrief. Die Schauspieler freuen sich, wenn sie wirklich gewollt werden, wenn man sie wirklich meint. Ich habe Max zum Beispiel in einem längeren Brief erklärt, welche Sketche ich immer wieder angucken kann und warum ich finde, dass er unbedingt meinen Bruder spielen muss. 

 

Wie gestalteten sich die Dreharbeiten? Wo haben Sie gedreht? Wie lange haben Sie gedreht? Wer waren Ihre wichtigsten Mitstreiter?

Am Drehort waren die Schauspieler und der Kameramann Waldemar Obermann meine wichtigsten Mitkämpfer. Wir haben uns sehr gemocht und ich glaube, dass das zu einer Sicherheit und Offenheit in der Arbeit führt, die man dann auf der Leinwand wiederfindet. In der Vorbereitung war Fabian Groß mein Herstellungsleiter wie ein Zauberer. Das meine ich ernst. Er hat oft unmögliche Dinge möglich gemacht. Er hat mit seiner Liebe für das Projekt und mit seiner Überredungskunst unter anderem dafür gesorgt, dass Olli kein KFZ-Meister ist, wie es im Drehbuch stand, sondern Boote repariert und mit Anja in einer kleinen Werft wohnt. Ich finde, dass das dem Film so viel schenkt.

 

Was sind Ihre bleibenden Erinnerungen an den Dreh? Gab es dabei auch Unwägbarkeiten zu überstehen?

Es war unglaublich kalt. Man sieht das nicht, aber es gibt die Szene an dem umgekippten Smart, das war von der gefühlten Temperatur her die vielleicht schlimmste Szene in meiner Karriere, und ich habe oft gefroren. Die Schlägereien haben mich irgendwann auch gestresst. Immer wieder hinfallen, immer und immer wieder, ich hatte überall blaue Flecken.

 

Sie haben Premiere gefeiert beim Filmfest Hamburg 2023. Wie haben Sie das erlebt? Genugtuung nach der langen Reise?

Bei der Premiere war ich ein riesiges Ohr. Ich gucke zwar auf die Leinwand, aber eigentlich lausche ich nur in den Saal hinein. Wenn man eine Komödie dreht, muss gelacht werden. Und zum Glück wurde gelacht und lange applaudiert. Dann kommt das Misstrauen. Waren das vielleicht nur Freunde, die aus Höflichkeit gelacht haben? Aber dann nach weiteren Aufführungen in Emden und auf Norderney wusste ich, über die Geschichte lachen nicht nur Leute, die mich privat kennen.

 

Nun hat es noch einmal eine Weile gedauert, bis BEULE – ZERLEGT DIE WELT schließlich in die Kinos kommt. Wie haben Sie diese erneute Wartezeit erlebt?

Das war schlimm. Die große Freiheit, die wir beim Drehen hatten, weil kein Sender und kein Verleih mit mir über meine Entscheidungen verhandeln wollte, wich dann der Angst, dass sich niemand für BEULE interessieren könnte. Vielleicht würde der Film nie ins Kino kommen. Wir haben einigen großen Verleihern BEULE angeboten und bekamen zu hören, dass der Film zu "klein" für sie sei. Und dann Monate später, kam eine Mail von Filmwelt: „Wir könnten uns vorstellen, BEULE im Herbst in die Kinos zu bringen.“ Ich habe minutenlang auf den Bildschirm gestarrt und den Satz bestimmt zehnmal gelesen.



Hat sich der Film für Sie in dieser Zeit verändert? Wie stehen Sie heute zu BEULE? Wie sehen Sie den Film? Was haben Sie gelernt? Und natürlich die Frage: Würden Sie es noch einmal machen? Oder würden Sie es anders machen?

Ich würde fast alles so wieder machen. Ich habe gelernt, dass dann, wenn man freundlich ist und loslegt, geholfen wird. Es war wirklich manchmal magisch, wie sich bei dem Film die Dinge zusammengefunden haben. Zum Beispiel hat mir ein befreundeter Schauspieler kurz vor dem Dreh abgesagt, und ich war menschlich sehr enttäuscht und für einen Moment wusste ich nicht, wie wie wir die Szene überhaupt drehen sollten, und dann kam Hans Löw und hat einen arroganten und unglücklich verliebten Lorenz gespielt, über den ich mich bei jeder Vorstellung freue.

 

Und finally: Was ist das Besondere an BEULE – ZERLEGT DIE WELT?

BEULE ist ungewöhnlich schnell, frech und liebevoll. Und obwohl schlimme Dinge passieren, scheint der Film gute Laune zu verbreiten.

Foto:
©Verleih

Info:
Besetzung
Olli „Beule“ Schröder     JANEK RIEKE
Anja      JULIA HARTMANN
Maike Milewski      FREYA TRAMPERT
Richard Schröder / Martin Jansen      MAX GIERMANN
Mia Petersen.     NILAM FAROOQ
Kalle Maschine Memering GERDY ZINT
Henning Henno Stein DAVID BREDIN
Sören von Heesen DANIEL MICHEL
Naila Petersen SIIR ELOGLU
Lorenz Hieronymus HANS LÖW
Rebecca Rolff THELMA BUABENG

Stab
Regie, Drehbuch JANEK RIEKE

Abdruck aus dem Presseheft