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Kategorie: Film & Fernsehen

nnnnnnSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. September 2025, Teil 9

Redaktion


Berlin Weltexpresso) – Beschreiben Sie Ihre erste Begegnung mit Nam June Paik, als Name oder als Künstler.



Nun, Nam June gehört in Korea zum Nationalerbe. Er ist Koreas berühmtester Künstler. Ich erinnere mich, dass ich seinen Namen schon in sehr jungem Alter gehört habe. Meine Mutter hat Kunst studiert, und mein Vater hat mich in Museen mitgenommen, wo ich seine Werke gesehen habe. Ich hatte immer von ihm gehört, er war mir immer im Unterbewusstsein geblieben. Dann, vor etwa sechs Jahren, als ich begann, mich ernsthaft mit ihm zu beschäftigen, sah ich [seine Videoskulptur] „TV Buddha“ von 1974. Bis heute ist es eines meiner Lieblingskunstwerke. Ich weiß noch, wie ich dachte: „Wow, das ist seiner Zeit so weit voraus. Ich bin neugierig, was andere darüber denken...“. Ich verband ihn ausdrücklich mit der Geschichte Koreas. Ich war schon immer abergläubisch und an alternativen Geschichten der Spiritualität interessiert, das war also die Initialzündung: seine eigene Beziehung zur koreanischen Spiritualität, diese Art von altertümlicher Form des Schamanismus in Korea.

Nach einer Weile hatte ich eine Menge detaillierte Informationen über Paik zusammengetragen, Dinge, die man nicht in Museen oder alten Katalogen findet. Dann sprach ich mit meinem Freund David Koh, der als Produzent an diesem Film beteiligt ist und schon viele andere Dokumentarfilme produziert hat, und sagte zu ihm: „Nam June ist so interessant, warum gibt es keine Dokumentation über ihn? Ich habe bei meinen eigenen Recherchen so viel herausgefunden.“ Und David sagte: „Oh, das ist ein Projekt, das auf meiner Wunschliste steht. Wir sollten ein Treatment machen.“


Und Sie haben erwähnt, dass David Koh auch einmal mit Nam June zusammengearbeitet hat?

Ja! Als ich ihm von meinen Recherchen erzählte, sagte er: „Ich war Nam Junes Assistent, als ich das College in New York besuchte.“ Er kannte ihn persönlich. Und David sagte, dass Nam June einfach auf einer anderen Ebene arbeitete. Er ließ die Dinge geschehen. Zufallsoperationen. Nam June war so nett zu jedem, den er traf, und er dachte, dass jede Begegnung eine karmische Beziehung sei. Selbst wenn er im Zug neben ein paar Fremden saß oder beim Spaziergang auf der Sixth Avenue mit einer Dame zusammenstieß, war das für ihn von Bedeutung.

Wie sind Sie zum Filmemachen gekommen, speziell zum Dokumentarfilm?

Ich habe mit der Produktion bei VICE begonnen. Ich habe vergleichende Literaturwissenschaft studiert und hatte keine Erfahrung mit dem Filmemachen und der Produktion. Aber ich kam zu VICE und begann, kurze Markeninhalte zu produzieren. VICE war sehr früh im Bereich der Markeninhalte tätig. Sie bauten Marken in diese kurzen Dokumentarfilme ein, die VICE ohnehin machte, und ließen die Marke dafür bezahlen. Dann wechselte ich zum Fernsehen: Viceland. Dort war ich Produzentin, habe Pilotfilme entwickelt und Teams geleitet. Dort habe ich also meine Erfahrungen in der Produktion gesammelt. Aber ich hatte noch keine narrativen Arbeiten gemacht. Dies ist mein erster Langfilm. Ich habe einen Kurzfilm produziert, der 2020 in Sundance lief und fiktional war. Durch VICE hatte ich also Erfahrung mit Dokumentarfilmen.


Und Sie haben erwähnt, dass David Koh auch einmal mit Nam June zusammengearbeitet hat?

Ja! Als ich ihm von meinen Recherchen erzählte, sagte er: „Ich war Nam Junes Assistent, als ich das College in New York besuchte.“ Er kannte ihn persönlich. Und David sagte, dass Nam June einfach auf einer anderen Ebene arbeitete. Er ließ die Dinge geschehen. Zufallsoperationen. Nam June war so nett zu jedem, den er traf, und er dachte, dass jede Begegnung eine karmische Beziehung sei. Selbst wenn er im Zug neben ein paar Fremden saß oder beim Spaziergang auf der Sixth Avenue mit einer Dame zusammenstieß, war das für ihn von Bedeutung.


Wie sind Sie zum Filmemachen gekommen, speziell zum Dokumentarfilm?

Ich habe mit der Produktion bei VICE begonnen. Ich habe vergleichende Literaturwissenschaft studiert und hatte keine Erfahrung mit dem Filmemachen und der Produktion. Aber ich kam zu VICE und begann, kurze Markeninhalte zu produzieren. VICE war sehr früh im Bereich der Markeninhalte tätig. Sie bauten Marken in diese kurzen Dokumentarfilme ein, die VICE ohnehin machte, und ließen die Marke dafür bezahlen. Dann wechselte ich zum Fernsehen: Viceland. Dort war ich Produzentin, habe Pilotfilme entwickelt und Teams geleitet. Dort habe ich also meine Erfahrungen in der Produktion gesammelt. Aber ich hatte noch keine narrativen Arbeiten gemacht. Dies ist mein erster Langfilm. Ich habe einen Kurzfilm produziert, der 2020 in Sundance lief und fiktional war. Durch VICE hatte ich also Erfahrung mit Dokumentarfilmen.


Wer waren einige Ihrer Einflüsse oder Inspirationen für die Entstehung des Films?

Nun, F FOR FAKE von Orson Welles ist einer meiner Lieblingsdokumentarfilme. Und ich liebe Welles‘ Sinn für Humor und den Stil des Films. Für meinen Film war es wichtig, dass er eine witzige Note beibehält. Er nimmt sich selbst nicht zu ernst, was in der Kunstwelt nicht immer gegeben ist. 

Gab es eine bestimmte politische oder ästhetische Dringlichkeit - in der Kunstwelt oder in der globalen Sphäre -, die Sie beim Drehen des Films bewegte?

Mitten während dem Schnitt des Films brach der russisch-ukrainische Krieg aus. Und vieles von dem, was Nam June erlebte, hatte mit dem Kalten Krieg zu tun, der Grund, warum er seine Heimat verließ, hatte plötzlich eine neue Bedeutung. Aber im Großen und Ganzen waren für mich die großen politischen Aspekte nicht unbedingt in den aktuellen Ereignissen enthalten, sondern in den historischen. Ich war daran interessiert, mehr über meine koreanischen Wurzeln, den Koreakrieg und die japanische Besatzung zu erfahren, und wie dies Nam Junes Interesse daran weckte, warum Kommunikation so wichtig ist und wie wir die Sprache überwinden können. Er vertrat die These, dass man nicht dieselbe wörtliche Sprache wie andere sprechen muss, um mit ihnen zu kommunizieren und sich mit ihnen zu verbinden. Video ist eine andere Art der Kommunikation. Es ist weder koreanisch, noch japanisch, noch deutsch.

Sie beschreiben ihn auch als eine Art „Nostradamus unserer Gegenwart“, der auf erschreckend präzise Weise vorausschauend war.

Ich denke, dass Menschen vorausschauend sind, wenn sie einen Makroblick auf die Welt haben. Nam June war nicht nur daran interessiert, hermetisch abgeriegelt Kunst zu machen. Er las ständig die Zeitung, hielt sich über das Neueste in der Technologie, den Aktienmarkt und die Wirtschaftsteile auf dem Laufenden. Die Fluxus-Ideologie spiegelt dies wider: Das Leben ist Kunst, und die Kunst ist das Leben. Und das Persönliche und das Künstlerische sind bei Nam June Bereiche, die so miteinander verwoben sind, so zusammenhängend. Untrennbar. Nam June erkannte Muster und wusste, wohin wir uns bewegten, und ich hoffe, dass der Film, wie Nam Junes Kunst, dem Publikum einen kritischen Sinn vermitteln kann, der das neueste iPhone hinterfragt, anstatt es blind zu kaufen.

Mir gefällt auch, wie sehr er die Welt durch eine sehr optimistische Linse betrachtet, was einzigartig und selten ist, nicht nur damals, sondern auch heute.

Diese Interpretation gefällt mir sehr. Das ist der Grund, warum Nam June für mich persönlich so inspirierend ist. Er wusste so viel, und er konnte immer die dunkle Seite der Dinge sehen, er sah die binären und die grauen Bereiche. Aber er sah auch die Möglichkeiten. Das ist es, was die Menschen hoffentlich aus dem Film mitnehmen: Egal, wie düster die Dinge sind, egal, wie sehr wir nicht in der Lage zu sein scheinen, die Zyklen der Geschichte zu durchbrechen, wir sollten immer über größere Möglichkeiten und Potenziale nachdenken.

Welche Teile von Paiks Leben haben Sie interessiert oder fasziniert...?

Ich war sehr an seinem frühen Leben interessiert, als sich ein Großteil seiner Psyche entwickelte. Der erste Akt war irgendwann fast eine Stunde lang; es gab so viele interessante Details. Aber zum Video kommt er erst viel später in seinem Leben. Es ist 8/11nicht das Medium, das ihn definiert - es ist cool, dass er der Vater der Videokunst ist - aber das war nicht sein Anliegen, nur als Videokünstler bekannt zu sein. Er hat auch Skulpturen, Installationen und Musikperformances gemacht. Und all diese Dinge hat er neben der Videokunst weiter betrieben. Und deshalb ist er so schwer zu greifen.


Es ist faszinierend zu sehen, wie sich die Wege in der New Yorker Kunstwelt kreuzen - zum Beispiel der Musikkritiker der New York Times, der seine von Cage inspirierten Performances aus den 1960er Jahren kritisiert, aber dann später unerwartet Paiks größter Förderer und ein Vertrauter von ihm wird, als er sich der Videokunst zuwendet...

Es spricht für seine Offenheit. Man kann sich diese Kritiker:innen zu Feinden machen, aber er hat sich mit vielen von ihnen angefreundet. Es ist seine Idee, dass er nicht versucht, eine Trennung oder Grenzen zwischen den Menschen zu schaffen. Er ist nicht wie Jesus oder so, aber er bemühte sich, sich jeglicher Voreingenommenheit bewusst zu sein, mit der wir aufgewachsen sind oder sozialisiert wurden.

Wie hat sich Ihr Wissen über die Freund:innen von Nam June, die Sie interviewt haben, erweitert?

Sie vermittelten einen farbenfrohen, abgerundeten Eindruck davon, wie es war, in der Gegenwart von Nam June zu sein. Aber anfangs war es schwierig, überhaupt an sie heranzukommen, technisch gesehen! Wir begannen die Dreharbeiten auf dem Höhepunkt von COVID-19. Wir wollten die Produktion fortsetzen und dachten, es wäre ganz im Sinne von Nam June, iPhone-Filmmaterial, erschwinglichere Kameras und Zooms einzubinden. Wir dachten auch, dass es cool wäre, hochauflösende und niedrigauflösende Formate zu mischen, was Teil des Stils ist, aber auch eine Reflexion des Archivmaterials, mit dem wir arbeiten mussten. Es ist nicht wie bei der Velvet Underground-Doku von Todd Haynes, wo alles auf 16mm, 8mm, makellosem Film ist und großartig aussieht. Hier ist es fleckig, mit unterschiedlichen Seitenverhältnissen, einige Teile waren pixeliger als andere.

Ja. Es passt sehr gut zu Paiks Vorgehensweise.

Manchmal haben wir uns daran gewöhnt, wie schlecht ein Meisterwerk aussah, denn in meinen Augen sieht es großartig aus, weil es die Epoche, die Grenzen und Möglichkeiten der damaligen Technologien ehrlich widerspiegelt.

Und es demokratisiert, was ein „gutes Bild“ ist. Heutzutage sind so viele Filmemacher:innen von dem Zwang besessen, ein digitales Bild zu verwenden, das sauber, makellos und perfekt wiedergegeben ist. Aber es liegt eine unergründliche Schönheit in einem Bild, das so aussieht, als würde es noch geladen: Schauen Sie sich zum Beispiel an, was in den neuesten Filmen von Hong Sangsoo passiert. 

Sicher! Und ich denke, ein Teil von Nam Junes Arbeit ist die Vermenschlichung der Technologie. Er versteht, dass diese Technologie immer fortschrittlicher wird, aber das Wichtigste ist, zu verstehen, wie diese Technologie der Menschheit dienen und nützen kann, und nicht die Kontrolle zu übernehmen und zu einer kalten Maschine zu werden, die die Menschheit zerstört. Das ist in dem Bild selbst zu spüren. Wenn man die Störung sieht oder sieht, wie kaputt das Bild ist, spürt man die menschliche Note.

Ich glaube, das wird besonders in dem Abschnitt angesprochen, in dem Sie „Good Morning, Mr. Orwell“ behandeln und wie bei der Livesendung alles zusammenbricht. Technisch funktioniert nichts mehr, aber Nam June sieht das alles gelassen und sagt: „Das ist genau das, was wir wollen!“

„Ich habe es einfach laufen lassen!“

Ich finde es toll, dass Sie Steven Yeun Nam Junes eigene Texte lesen lassen.

Ich finde, das erinnert auch ein wenig an Nam Junes Kunstwerke. Nam June hatte diesen Typen namens Russell Connor, der eine Menge von Nam Junes Sachen erzählte, er war Nam Junes Stimme. Das war eines der Dinge, die ich interessant und meta fand: Steven tut das, was Nam June selbst in einer „Good Morning, Mr. Orwell“-ähnlichen Situation getan hätte. Und mir gefiel auch, dass Steven diese wirklich starke Verbindung zu Nam Junes Geschichte spürte, und so hatte ich das Gefühl, dass die Emotionen und der Körper von Nam June hervorgerufen wurden. Man kann Stevens Verbindung spüren, und das hat mir gefallen.

Was war für Sie die größte Herausforderung beim Drehen des Films?

Bei einem Dokumentarfilm weiß man nie, was passieren wird, wie bei Nam Junes Ethos! Das gilt auch für Spielfilme. Mein Partner macht Spielfilme, und ich sehe, dass eine Million Dinge schief gehen können, also muss man wirklich offen für den Prozess sein. Wenn man zum Beispiel Cinema verité macht und einem Thema folgt, hat man keine Ahnung, wohin die Geschichte führen könnte. Dasselbe gilt auch für Archivfilme. Man hat das, was vorhanden ist, und man muss sehr offen für den Prozess sein, und man findet einen Großteil der Geschichte im Schnitt. Man muss sich also auf das Unbekannte einlassen - was für Leute wie mich, die gerne mehr Kontrolle über die Dinge haben, schwierig ist.

Nam June Paik hat in einer Zeit gearbeitet, in der die Technologien, die heute so allgegenwärtig sind, es noch nicht waren. Er ist sehr optimistisch, was die Technologie angeht, aber aus heutiger Sicht gibt es so vieles, wo etwas schief ging: Soziale Medien, Elon Musk, was aus dem Silicon Valley geworden ist. Wie bringen Sie diese beiden Stränge in Ihrem Film in Einklang: den Zynismus gegenüber der Technologie und den Optimismus gegenüber ihren Möglichkeiten?

Immer wenn ich die Arbeiten von Nam June im Museum sah, dachte ich, es gäbe eine Art blinden Optimismus gegenüber der Technologie. Aber als ich den Film drehte, wurde mir klar, dass er zwar hoffnungsvoll war, aber es gibt auch einen unbestreitbaren Zynismus. Letztendlich stellte er immer die neuesten Entwicklungen in Frage. Als er die Satellitenshow ins Leben rief, dachte er nicht nur: „Das ist eine neue und erstaunliche Technologie, lass sie mich nutzen, denn sie wird nur Gutes bewirken.“ Er sah, was während des Kalten Krieges geschah, und fragte sich: „Wie können wir das zum Guten nutzen?“ Es muss nicht nur eine Waffe sein, es kann auch eine Verbindung herstellen. Das ist es, was mich interessiert. Und ich hoffe, dass das Publikum etwas kritischer wird und hinterfragt, wo wir heute stehen, wie wir unsere Technologien einsetzen. Gibt es einen besseren Weg? Und sich nicht nur über das neueste Gadget freut.



KURZBIOGRAFIE AMANDA KIM

Amanda Kim ist eine in Tokio aufgewachsene, koreanisch-amerikanische Regisseurin und Produzentin. Nach ihrem Abschluss in Vergleichender Literaturwissenschaft an der Brown University hatte sie viele Gelegenheitsjobs in der Musik-, Mode- und Designbranche, bevor sie einen Job bei Vice Media fand. Als ehemalige Kreativdirektorin bei Vice Media leitete sie die US-Videoregie für i-D, Creators und das Garage Magazine. Kim arbeitete auch bei Viceland, dem Fernsehsender von Vice, als kreative Produzentin in einem experimentellen Inkubator, wo sie ein Produktionsteam leitete, um Pilotfilme und innovative Inhaltsformate zu testen. NAM JUNE PAIK: MOON IS THE OLDEST TV ist ihr erster abendfüllender Dokumentarfilm.

 


Foto:
©Verleih

Info:

EIN FILM VON AMANDA KIM
AB 11. SEPTEMBER IM KINO
2023 / USA / Farbe / Englisch/Koreanisch mit deutschen Untertiteln / 109 Min. /
Dokumentarfilm / DCP-2K
Regie und Produktion: Amanda Kim
Kamera: Nelson Walter
Schnitt: Taryn Gould
Titelsong: Ryuichi Sakamoto
Filmmusik: Will Epstein
Grafik: Hyung Cho
Animation: Helen Niu