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Kategorie: Film & Fernsehen

das gesichtSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. Dezember 2025, Teil 13

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Popstar Yak (38), Künstlername FTHR (Kostja Ullmann), füllt die Hallen, doch je mehr die Karriere zulegt, desto sinnfreier erscheint ihm alles. Er befindet sich emotional im Niemandsland, familiär ist er eh belastet, er weiß nimmer, wozu er eigentlich auftritt und ihm fallen auch keine Texte noch Musik ein, weshalb er sich mit Alkohol zuschüttet, als er völlig überraschend von seinem Vater die Nachricht erhält, dieser liege in einem Kölner Krankenhaus im Koma. Gesehen hatte er ihn das letzte Mal vor über 30 Jahren, als sein Vater, der aus Syrien stammt, völlig überraschend Deutschland verlies und in seine alte Heimat ging.

 

Sehr viel später erfahren wir dazu, dass sich seine deutsche blonde Mutter (Petra Schmidt-Schaller)von einem Turm in den Tod stürzte, da war er 16 Jahre.

Gerade hatte er einen Auftritt in Berlin, wo er auch lebt. Fast somnambul zieht er in seiner Garage mit mehreren Wagen die Abdeckung von einem Ford mit Kölner Kennzeichen herunter und fährt einfach los nach Köln. Dort erwartet ihn eine Überraschung. Der Vater ist zwar weiterhin bewußtlos, aber ihn begleitet seine 15jährige Tochter Latifa (Safinaz Sattar), also eine Halbschwester von Yak. Der Vater hatte in Syrien noch einmal eine Familie gegründet. Nur wie sich unterhalten? Latifa spricht nur Arabisch und Yak macht ihr weis, dass er kein Arabisch kann. Er war ja erst sechs Jahre, als der Vater abhaute, zurück in seine Heimat, die in all den Jahren Yak völlig fernlag. Was tun? Er fühlt die Verantwortung für Latifa, die ihn mit großen Augen anschaut, aber eigentlich kennt er in Köln überhaupt niemanden mehr, obwohl er hier geboren und aufgewachsen ist. Und Weihnachten ist auch noch. Was tun. Wohin?

 

Wie sehr sein Verhalten dem seines Vaters glich, wird ihm auch jetzt nicht richtig bewußt. Denn er selbst hatte von einer Sekunde auf die andere damals Köln verlassen und damit zwei Menschen unglücklich gemacht: seinen besten Freund Art (Tom Lass) und seine Liebste, Fee (Verena Altenberger). Art, ein Schriftsteller, wohnt einsam in der Eifel und findet das Auftauchen von Yak eher seltsam, läßt sich aber überreden, die Schwester bei sich wohnen zu lassen. Doch die ist schlauer als sie soll und hat sich im Kofferraum versteckt, als Yak aufbricht, um zurückzufahren. Als Yak das mitbekommt, entschließt er sich, Weihnachten ist sowieso dafür geeignet, seine Großeltern im Schwarzwald aufzusuchen, die in seinem Leben eine große Rolle spielten.

 

Dieser Film ist vieles auf einmal, eben auch ein Roadmovie, denn wir ziehen mit den beiden durch deutsche Landen, bis sie zu den Großeltern im Schwarzwald gelangen. Die sind Yak sehr zugetan, aber in Rückblenden erfahren wir, wie ausländerfeindlich und respektlos sich insbesondere der Vater gegenüber Yaks Vater und dem Ehemann der Tochter verhalten hat. Und als er mit der Schwester in einer örtlichen Kneipe eigentlich nur ein Bier trinken will, gerät er in eine typische, der AfD ähnliche Jugendgruppe, die ihn nicht nur wegwünschen, sondern Gemeinheiten von sich geben, so dass Yak inzwischen fuchsteufelswild und austeilend, als nächstes von der Gruppe geschlagen werden soll. Die Ironie der Geschichte schlägt zu, als die beiden aus der Kneipe vor den sie verfolgenden Schlägern fliehen und ausgerechnet von drei männlichen ausländischen Flüchtlingen gerettet werden, die sie ins Flüchtlingsheim zerren und sich den Verfolgern entgegenstellen, die nun wiederum Angst vor den dunklen Gestalten bekommen. Eine absurde Situation.

 

Wichtig ist die Musik, denn sie bleibt das verbindende Element zwischen den Fremdheiten, den Gewohnheiten und den Gemeinsamkeiten. Das sind mal orientalische Klänge, mal Rap, mal Volkslied. Und im Rosengarten ist ein Lied, das beide kennen und lieben. Und so steht die Musik auch stellvertretend für die Existenz von Yak, der sich deutsch fühlt, aber nicht ganz, jetzt syrische Wurzeln entdeckt und sich nirgendwo richtig zugehörig fühlt. Weil seine Mutter wert darauf legte, dass er die Sprache seines Vaters erlernt, kann er Arabisch, zur Überraschung von Latifa, die endlich mit ihm reden kann.

 

Ganz wichtig war noch das Zusammentreffen mit seiner alten Liebe Fee. Die heiratet gerade in den Alpen in einer Promi-Hochzeit und obwohl er sich zusammennehmen will, fällt er völlig aus der Rolle und wird zum Störenfried. Daß der Vater stirbt, hatten wir erwartet, denn dies ist kein Film, der eine falsche Harmonie erzeugen will. Eher wird eine Gefühlslage von Menschen beschrieben, die weder ganz hier, noch ganz dort sind und im Zwischenreich ein Zuhause suchen. Sich dessen bewußt zu sein, ist der erste Schritt, sich selbst ein Zuhause zu schaffen, wie es gerade die beiden Geschwister tun.

Daß Safinaz Sattar so selbstverständlich ihre erste Rolle als Schwester bewältigt, ist bemerkenswert. Daß aber Kostja Ullmann, der selber einen anderen familiären Hintergrund hat, so sensibel, so leidenschaftlich und so berührend den syrischstämmigen Yak gibt, sollte ihn für andere, ernsthafte Rollen empfehlen.

 

Foto:
© Verleih

Info:
IM ROSENGARTEN
Ein Film von Leis Bagdach
Genre SPIELFILM / DEBÜTFILM / ROAD MOVIE
Länge 99 MINUTEN
Produktionsjahr 2024
Land DEUTSCHLAND
Sprache DEUTSCH / ARABISCH

Stab:
Buch & Regie LEIS BAGDACH

Besetzung
Yak / FTHR KOSTJA ULLMANN
Latifa SAFINAZ SATTAR
Fee VERENA ALTENBERGER
Art TOM LASS
Elisabeth URSULA WERNER
Vater HUSAM CHADAT
Mutter PETRA SCHMIDT-SCHALLER
Christian NICO SEYFRID aka NICO K.I.Z
Rima BAYAN LAYLA