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Kategorie: Film & Fernsehen
tohterSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. Dezember 2025, Teil 8

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - Im Namen Allahs“, flüstert die junge Frau, während im Hintergrund ein Wasserhahn plätschert, noch bevor sie selbst im Bild zu sehen ist. Vor einem Badezimmerspiegel wäscht sie ihr Gesicht, dreimal, dann den rechten Unterarm und den linken, bis zu den Ellenbogen. Sie fährt mit feuchten Händen über ihren Kopf bis in den Nacken und zurück zur Stirn. Mit angefeuchteten Daumen und Zeigefingern reibt sie über die Innen- und Außenseiten ihrer Ohrmuscheln. Auf die rituelle Reinigung folgt das Gebet, bei dem sich die junge Frau allein in ihrem dunklen Zimmer ergeben vor Gott verneigt.

FRÜHLING

Fatima (Nadia Melliti) ist gläubige Muslimin. Sie ist die Tochter einer algerischen Einwandererfamilie, die in einem Pariser Vorort lebt – die Jüngste, oder, auf Französisch, „la dernière“. Fatima ist die Letzte, die morgens aufsteht, wenn sich ihr Vater Ahmed (Razzak Ridha) bereits auf das Sofa vor dem Fernseher zurückgezogen hat und ihre beiden Schwestern Dounia (Rita Benmannana) und Nour (Melissa Guers) in der Küche von ihrer Mutter Kamar (Amina Ben Mohamed) mit deren Backkünsten verwöhnt werden. Ihre drei Töchter sind Kamars ganzer Stolz, und nachdem die beiden älteren bereits erfolgreich die Schule abgeschlossen haben, ist nun Fatima an der Reihe, die Tradition fortzusetzen.

Fatima trägt Kapuzenpullis, Jogginghosen und Turnschuhe. Die Haare bindet sie zu einem Pferdeschwanz, die Baseballcap zieht sie tief ins Gesicht. Fußball ist ihre Leidenschaft, aber auf dem Platz spielt sie stets für sich allein. In der Schule sitzt sie bei den prahlerischsten Jungs, die am liebsten lautstark mit ihren sexuellen Eskapaden angeben. Ihrem heimlichen Freund geht Fatima schon seit einer Weile aus dem Weg. Als sie sich wiederbegegnen, beklagt er sich darüber, dass sie sich keine Mühe gebe, sich etwas weiblicher für ihn zu kleiden. Er nennt sie seine „Prinzessin“ und drängt sie dazu, ihre Beziehung „offiziell“ zu machen und über eine Hochzeit nachzudenken.

In ihrer Klasse eskaliert ein Streit nach einer Unterrichtsstunde über „Das Bildnis des Dorian Gray“. Fatimas Kumpel beschimpfen ihren Mitschüler Rayan (Mahamadou Sacko) als „Homo“, er wehrt sich, indem er Fatima „Lesbe“ nennt. Sie reißt ihm die Brille aus dem Gesicht, schubst ihn zu Boden, tritt auf ihn ein. Ihr Sitznachbar Benjamin (Louis Memmi), der gar nicht versteht, warum sie sich so aufregt, versucht sie zu beruhigen, bevor sie noch riskiert, von der Schule zu fliegen. Zuhause bricht Fatima in Tränen aus und ringt um ihren Atem.

Fatima ist Asthmatikerin. Sie muss ständig Medikamente nehmen, aber es kommt vor, dass sie sie vergisst oder sich dazu entschließt, sie zu vergessen. Nach ihrem letzten Anfall legt ihr der Pneumologe Dr. Prévost (Pascal Chanez) nahe, an einem Kurs seiner Asthmaschule teilzunehmen, um einen besseren Umgang mit ihrer Krankheit zu lernen und sie zu akzeptieren. Auf dem Weg zur Selbstakzeptanz meldet sich Fatima nicht nur bei der Asthmaschule, sondern auch unter falschem Namen bei einem Dating-Portal für Frauen an.

Fatima ist gläubige Muslimin und das Gebet weiterhin fester Bestandteil ihres Alltags. Aber sie hat ihren eigenen Weg eingeschlagen. Fatima und ihr Freund haben sich getrennt. Stattdessen verabredet Fatima sich spät nachts mit der älteren Ingrid (Sophie Garagnon), die sie online kennengelernt hat, fährt mit ihr in ihrem Auto an einen ruhigen, dunklen Ort, nicht etwa, „um gleich zur Sache kommen“, sondern um zu reden. Zögerlich stellt sie Ingrid Fragen, die ihr auf der Seele brennen, und Ingrid erweist sich als verständnisvolle Zuhörerin, die ihr gängige sexuelle Praktiken erklärt und ihr die Augen für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse öffnet.

In der Asthmaschule stellt Dr. Prévost seine Assistentin vor, die Krankenschwester Ji-Na (Ji-Min Park). Wie der Zufall es will, erkennt Fatima in Ji-Na eine gleichgesinnte Nutzerin ihrer DatingApp. Bei einer Atemübung berühren sich ihre Hände. Ihre Blicke begegnen sich. Und als alle Kursteilnehmer:innen heftig in einen Peak-Flow-Meter blasen, wissen nur die beiden, warum sie in diesem Moment lachen müssen.

Am Gymnasium stehen die letzten Abiturprüfungen an, nachts erkundet Fatima die queere Szene von Paris. In der Bar „La Mutinerie“ trifft sie sich mit der attraktiven Aurélia (Julia Muller). Wieder stellt sich Fatima unter falschem Namen vor, ist aber diesmal bereit, einen Schritt weiterzugehen. „Du brauchst keine Cap tragen, du hast so ein hübsches Gesicht“, rät Aurélia, bevor Fatima ihr in ihre Wohnung folgt.


SOMMER

Fatimas Abiturzeugnis findet seinen Platz an der Wand im Wohnzimmer. „Das dritte. Das letzte“, sagt ihre Mutter voller Stolz. Bei ihrem vorerst letzten Date trifft sich Fatima mit Ji-Na. Sie trägt keine Cap und keinen falschen Namen. Sie spricht offen über ihre Herkunft, erfährt, dass Ji-Na ebenfalls Einwanderin ist, als Kind mit ihrer Mutter und ihrem Bruder aus Südkorea nach Frankreich kam und mittlerweile allein lebt. Fatima weiß nach der ersten gemeinsamen Nacht, dass Ji-Na ihre große Liebe ist.

Zuhause geht das Leben scheinbar normal weiter. Fatima ist die Letzte, die morgens aufsteht, wenn ihr Vater bereits auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzt und ihre älteren Schwestern sich in der Küche darüber ereifern, dass Fatima weder kochen könne noch wisse, wie man sich als Frau richtig kleide. So werde sie niemals einen Ehemann finden, wirft Nour ihr vor. Ihre Mutter nimmt Fatima in Schutz.

Arm in Arm mit Ji-Na feiert Fatima zum ersten Mal unter zigtausenden Gleichgesinnten die Pride Parade in den Straßen von Paris. Am Morgen danach erklärt ihr Ji-Na in Tränen aufgelöst, 8 dass es mit ihnen nicht funktionieren werde. Sie habe Probleme, eine schwere Depression, könne sich selbst nicht helfen und wolle Fatima nicht wiedersehen.


HERBST

Fatima trägt Jogginghose, Turnschuhe, hat die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und die Baseballcap ins Gesicht gezogen. An ihrem ersten Tag als Philosophiestudentin an der Universität setzt sie sich in der Mensa an den Tisch der prahlerischsten und lautesten Jungs.

Auf einer Studentenparty begegnet sie der freizügigen Cassandra (Mouna Soualem) und deren Partnerin Jade (Jade Fehlmann). Cassandra, ebenfalls Muslimin, lockt Fatima unverblümt aus der Reserve, durchschaut ihr Versteckspiel und verspricht, ihr gebrochenes Herz wieder zusammenzuflicken.


WINTER

Fatima hat aufgehört zu beten. Nachts zieht sie mit Cassandra und Jade um die Häuser, lebt ihre sexuellen Bedürfnisse aus, skandiert „One, two, three, we love the lesbians“ auf der Tanzfläche und trifft weibliche Online-Bekanntschaften mit eindeutigen Absichten.

In der Moschee erzählt sie dem Imam (Abdelali Mamoun) die Geschichte einer lesbischen, muslimischen Freundin, die mit ihrem Vertrauen in Allah ringt, da sie glaubt, dass Allah sie bestrafen will. Sie bittet den Imam um Hilfe, damit die Freundin ihren Weg zurück ins Gebet findet. Die Freundin müsse daran arbeiten, femininer zu werden, rät der Imam, damit sich Männer wieder zu ihr hingezogen fühlen und sie wohlmöglich heiraten möchten.


FRÜHLING

Fatima ist die jüngste Tochter einer algerischen Einwandererfamilie. Sie ist gläubige Muslimin. Sie hat Sex mit Frauen. Sie besucht die Moschee zum gemeinsamen Gebet und befolgt die rituelle Reinigung, bevor sie sich ergeben vor Gott verneigt. An der Universität verbringt sie die meiste Zeit mit ihren männlichen Kommilitonen. In den Nächten streift sie mit ihren Freundinnen ungehemmt durch die queeren Clubs der Stadt. Ihre Eltern und Schwestern wissen noch immer nichts von ihrem Doppelleben – und auch nichts von ihrem gebrochenen Herzen. Bis Fatima eine unerwartete Nachricht von Ji-Na erhält…

Foto:
©Verlag

Info:
Besetzung

Fatima Nadia Melliti
Ji-Na Ji-Min Park
Kamar Amina Ben Mohamed
Nour Melissa Guers
Dounia Rita Benmannana
Ahmed Razzak Ridha
Benjamin Louis Memmi
Tarik Waniss Chaouki
Nacer Anouar Kardellas

Stab

Drehbuch und Regie Hafsia Herzi

Abdruck aus dem Presseheft