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Kategorie: Film & Fernsehen

Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Januar 2012, Teil 2

Romana Reich



Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt Kinowochen, wo in den anlaufenden Filmen eine gewissen Ernsthaftigkeit herrscht und die Themen bringt, die tatsächlich existentielle Erfahrungen von allen Menschen aufgreifen und eben ernsthaft abhandeln. Wozu immer eine gewissen Komik gehört, denn das wissen wir alle selber, daß je, tiefer etwas dringt, desto schneller auch die andere Seite, das Lachen möglich wird. Man muß nur daran denken, wie im Anschluß an Beerdigungen beim Leichenschmaus die beste Stimmung herrscht.



TAGE,  DIE BLEIBEN

Keine Ahnung, ob es Menschen gibt, die das noch nicht erlebt haben, diese Tage zwischen Tod und Beerdigung. Es stimmt nämlich, was die junge Filmemacherin Pia Strietmann, die hier ihr Debüt vorlegt, schreibt, daß es diese filmische terra incognita war, die sie zu  Drehbuch und Verfilmung reizte. Also keine Ahnung, ob das jemand noch nicht kennt, diese Tage. Die, die sie kennen, wissen, daß sie ein einziger Alptraum sind.

Filme vom Sterben, Filme vom Tod, die gibt es zuhauf. Und eine schöne Leich ist auch für jede Form der filmischen Beerdigungen gut, ja man meint gerade zu glauben, daß in Filmen dauernd gestorben und beerdigt werde, einfach weil dies hochdramatische Situationen sind, wo man auf der Leinwand Menschen zeigen kann, die entweder ihre Gefühle ausleben oder eben dazu nicht fähig sind. Interessant ist solches Menscheln allemal.

Hier aber geht es um die Tage dazwischen, in denen die Trauer zwar da ist in denen aber die Beklemmung ob der bürokratisch-sachlichen Arbeit, zu der man gezwungen ist, eigentlich kein Filmthema sind, wer film schon gerne, wenn einer 80 Beerdigungspostkarten schreibt. Aber und das hat Pia Strietmann klug erkannt, es sind Tage, die einen zu den albernsten Reaktionen bringt: also, Beerdigung vorbereiten, Leute einladen, vom Tode telefonisch anderen mitteilen, Essen aussuchen für den Leichenschmaus, aber zuvor, Versicherungen herausholen, den Sarg auswählen, die Musik auf der Beerdigung, die Kleidung der Toten, etc.

Wenn dann noch hinzukommt, daß verwickelte Familienverhältnisse herrschen, kommt dieses Durcheinander heraus, in dem Familie Dewenter lebt. Die Mutter (Andrea (Lena Stolze), eine aufstrebende Autorin, wird im heimischen Münster in einer Lesung hochgeehrt, sie bringt den Ehemann Christian (Götz Schubert), der gezwungenermaßen – Münster ist überschaubar! - dabei ist, nicht nach Hause in ihrem Auto, sondern setzt ihn vor dem Haus seiner Freundin ab. Aha, erfährt nun der Zuschauer und der Ehemann gleichzeitig, sie weiß davon; denn wir Zuschauer sahen das schon in den Szenen nebenbei.

Dann kracht es, um die Ecke fahrend verunglückt die Mutter tödlich. Auch da ahnt der Ehemann noch nicht, wir etwas früher, daß sie auf dem Weg zu ihrem Geliebten war, mit dem sie ein neues Leben beginnen wollte. Als dies auch der Ehemann mitbekommt, ist es mit seinen Fluchten – er seilt sich einfach ab und fährt mit Freundin nach Amsterdam, die endlich ihre Rolle bei diesem Mann begreift und ihn abserviert – wo er doch nun frei wäre.

Da gibt es noch den Sohn Lars (Max Riemelt) als Jungspund in Berlin, als aufstrebender Schauspieler, der die Provinz verachtet, die pubertierende Tochter Elaine (Mathilde Buntschuh) , hier kommt alles zusammen, was ganz normal ist, aber unter dem Streß, den die Beerdigungsrituale bedeuten, erhebliche Schärfe gewinnen. Schon der Sarg. Einen normalen – nicht so teuren – will der Vater, aber daß  die Mutter  einen exaltierten, der natürlich auch der  teuerste ist, setzt die Tochter durch.

Machen wir es kurz. Der Film zeigt, wie durch die geduldige Mitmenschen die Familienmitglieder immer wieder auf ihr Familiendasein zurückgeworfen werden, wie ihnen aber auch geholfen wird, daß dieser Trauerfall sie erst wieder zu einer Familie macht, und wie das Tage sind, die in der Mischung aus Trauer und Absurdität eine Komik entwickeln, die dazugehört. Daß eben Lachen nur die andere Seite von Trauer ist. Ist das ein guter Film? Irgendwie stellt man sich die Frage nicht. Manches geht schwer an die Nieren, manches ist hölzern, manches ausgewalzt, aber immer hält dieser Film den  Ton von Bedeutung und Wirklichkeit, einen Ton des Normalseins im Irrsinn. Insoweit ist das ein guter Film und ein notwendiger sowieso.