Drucken
Kategorie: Film & Fernsehen

hr zeigt vielfach ausgezeichnete Tragikomödie im Ersten Programm

 

Romana Reich

 

Berlin (Weltexpresso) - „Oh Boy“ lautet der Titel der Tragikomödie, die der Hessische Rundfunk (hr) am Dienstag, 4. August, um 22.45 Uhr im Ersten zeigt und die damit die diesjährige Ausgabe der Reihe „FilmDebüt im Ersten“ eröffnet. Der Film gehörte zu den großen Überraschungen, weil aus dem Nichts sozusagen ein wunderbarer Film da war und ein Star geboren ward.

 

Oh Boy“ ist das selbstironische Porträt eines jungen Mannes (Tom Schilling) und der Stadt, in der er lebt – Berlin. In eindringlicher Schwarz-Weiß-Ästhetik changiert „Oh Boy“ zwischen Melancholie und Humor und zeigt die Suche des Protagonisten nach seinem Platz in der Welt, in der eigentlich alles möglich ist. „Oh Boy“ ist das Spielfilmdebüt von Jan Ole Gerster, der auch das Drehbuch schrieb.

 

 

Zum Inhalt

 

Niko ist Ende 20, aber statt eine gewisse Sicherheit in seinem Leben erreicht zu haben, wie es sein Vater von ihm erwartet, mit dem Studium in der Tasche und einer festen Beziehung, ist Niko ein wenig verloren in seinem Dasein: Sein Jurastudium hat er bereits vor zwei Jahren abgebrochen, seine Freundin hat er verlassen, und er lässt sich planlos treiben. Eigentlich ist er an diesem Tag auch nur auf der Suche nach einer gewöhnlichen Tasse Kaffee, doch diese soll ihm vorerst verwehrt bleiben. Stattdessen führt ihn seine Suche auf einen Streifzug durch Berlin. Es folgen 24 Stunden, reich an verschiedenen Stimmungen und komischen Ereignissen. Wie ein Zuschauer seiner eigenen Welt scheint Niko wehrlos von einer Situation in die nächste zu geraten – von der lieblosen Begegnung mit seinem Vater, mit den Fahrkartenkontrolleuren, die kein Pardon zu kennen scheinen, einem Schauspieler, einem jungen Drogendealer und dessen Großmutter über die Klassenkameradin aus der Schulzeit bis hin zu dem alten Mann in einer Bar, der plötzlich tot umfällt.

 

All diese Begegnungen tauchen ihn in ein Wechselbad der Gefühle. Der Streifzug bildet gleichzeitig ein Porträt Berlins, das – so diffus es erst einmal erscheinen mag - doch einer ganz eigenen Ästhetik folgt, ein wenig so wie auch Nikos Leben. Tragik, Komik, Obskures wechseln sich ab in einem stillen Stakkato, und der Antiheld der Geschichte scheint sich in diesem eigenwilligen Berlin doch auf seine ebenfalls sehr eigenwillige Weise zurechtzufinden – oder zumindest sein Ziel, eine gewöhnliche Tasse Kaffee, schließlich doch noch zu erreichen.

 

Neben Tom Schilling wartet „Oh Boy“ mit einem herausragenden Cast auf, zu dem unter anderem Friederike Kempter, Marc Hosemann, Ulrich Noethen, Justus von Dohnányi, Michael Gwisdek und Frederick Lau gehören. Produziert wurde „Oh Boy“ unter Federführung des hr (Redaktion: Jörg Himstadt) in Koproduktion mit Arte, Schiwago Film GmbH und Chromosom Filmproduktion. „Oh Boy“ wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit gleich sechs LOLAs beim Deutschen Filmpreis, mit dem Preis der Deutschen Filmkritik auf der Berlinale, dem Bayerischen Filmpreis und dem Europäischen Filmpreis in der Kategorie Bester Nachwuchsfilm.

 

Ebenfalls in der Reihe „FilmDebüt im Ersten“ sind die beiden hr-Koproduktionen „Houston“ von Bastian Günther (Mittwoch, 12. August, 22.45 Uhr) und „Fünf Jahre Leben“ von Stefan Schaller (Donnerstag, 20. August, 22.45 Uhr) zu sehen.

 

 

Was der Autor und Regisseurs Jan Ole Gerster zusagen hat

 

Die Idee zu „Oh Boy“ stammt aus einer Zeit, in der ich anfing, alltägliche Geschichten und Situationen aufzuschreiben. Dabei hatte ich zunächst keine konkrete Geschichte im Kopf. In den Jahren zuvor, als ich anfing, mich mit dem Schreiben von Drehbüchern zu beschäftigen, bin ich oft sehr analytisch an diese Arbeit herangegangen. Mit dem Ergebnis, dass mir die Geschichten häufig ausgedacht und konstruiert erschienen. Es fehlte die persönliche Note, die meiner Meinung nach Filme, speziell Erstlingsfilme, besonders macht.

 

Also habe ich einen Blick auf meine damalige Lebenssituation geworfen und mich gefragt, ob da nicht etwas Erzählenswertes dabei ist. Außerdem wollte ich meine Geschichte intuitiv angehen und dabei nicht so sehr auf klassische Strukturen und Konventionen achten. Ich hatte eine Collage im Kopf, aus Szenen und Momenten, und irgendwann wusste ich, wie ich alles zusammenbringen kann. Meine Intention war es gar nicht, eine reine Komödie zu schreiben. Generell habe ich mir bei diesem Drehbuch auch nicht die Frage nach einem Genre gestellt. Ich finde den Film vermutlich auch tragischer als andere Leute ... Darüber hinaus glaube ich aber, dass Humor dabei hilft, Ernsthaftes zu erzählen. Ich habe überlegt, welche Aspekte meine Figur charakterisieren. Welche Momente beschreiben ihren bisherigen Alltag, und welche machen gleichzeitig die Besonderheit dieses Tages deutlich. Beziehung, Freundschaft, Beruf, Elternhaus, Vergangenheit. Mir gefiel die Idee von einzelnen Episoden, die allein durch eine passive Figur miteinander verbunden sind. Zudem gibt es den Kaffee, den Niko so gerne hätte, aber einfach nicht bekommt.

 

Ein Generationenporträt ist „Oh Boy“ nicht, denke ich. Denn vielleicht kommt jeder einmal in seinem Leben an einen Punkt, an dem er sich ein bisschen verlaufen hat und rechts ran fahren muss ... Dieses Gefühl von Verlorenheit kann einem immer und überall begegnen. Vielleicht ist die Beziehung zwischen Niko und seinem Vater dennoch ein kleiner Indikator für das „Hier und Jetzt“ – die Elterngeneration hatte oft nicht die Chance, sich in dem Maße selbst zu verwirklichen, wie es die jetzige Generation kann. Diese Freiheit kann einem auch zum Verhängnis werden. Selbstverwirklichung – ich weiß bis heute nicht, was das eigentlich bedeuten soll.

 

Foto:

Tom Schilling als Niko Fischer © HR/Schiwago Film/Christiane Pausch

 

Info:

www.daserste.de