Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. September 2015, Teil 3
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) - Das war richtig irre nach den Pressevorführungen, die erst unmittelbar vor dem heutigen Start in deutschen Kinos am Wochenanfangstag Montag liefen, dem am Abend die Premiere in München folgte, Link unten. Keiner kam entsetzt und total genervt aus dem Kino. Die einen sagten: Viel besser als Teil 1. Die anderen: Nicht so gut wie Teil 1. Nicht so charmant.
Was aber das Gute daran ist sowie an der Tatsache, daß weit über 7 Millionen Zuschauer hierzulande diesen Film sahen, das ist, daß man das Drumherum im Filmgeschehen nicht ausführlich vorstellen muß, denn die Personen sind erst einmal im Teil 2 dieselben wie in Teil 1, wobei wichtige Handlungsträger hinzukommen und eben auch welche, die das Lehrpersonal noch differenzierter machen, als es in Teil 1 schon war. Der Regisseur Bora Dagtekin war auch zuvor kein Unbekannter. Er hatte aus seinen Fernseherfolgen mit TÜRKISCH FÜR ANFÄNGER einen gleichnamigen Film gemacht, der übrigens vom Schauplatz her dem Göhte 2 sehr viel ähnlicher ist als die ersten Schulklamotte. Wenn man sich nämlich erst einmal zugibt, daß es hier nicht um individuelle Charaktere geht, deren Entwicklung in der Gesellschaftsformation Schule wir hier zugucken, also nicht zugucken, weil man sich das Individuelle spart, dann bleibt die Paukerkomödie von gestern übrig, die auf heute gebürstet ist. Und so was muß – da generalisierend – einfach klamottig sein, darf dann auch mit gutem Gewissen Spaß machen.
Wir haben mit der Schulleiterin der Göhte-Gesamtschule, ach nein, die heißt dann doch bürgerlich Goethe-Gesamtschule, also mit Gudrun Gerster (richtig verwegen: Katja Riemann) eine, die ihre persönliche Karriere über die Aufmerksamkeit, die ihre Schule erhält, gekoppelt hat. Diesmal geht es darum, das Aushängeschild für schulische Innovation des Bildungsministeriums zu werden, was bisher das Schillergymnasium werden soll, denn die haben eine Partnerschule in Thailand, in genau dem Gebiet, wo der Tsunami über zehn Jahre zuvor gewütet hatte.
Doch wie soll das gelingen, mit Lehrern von gestern wie sie Uschi Glas mutig vertritt, das mutig bezieht sich eben auch darauf, welche Streiche ihr die Schüler spielen, mit dem Ergebnis, daß die Lehrerin schachmatt gesetzt ist und nun dieser Zecki Müller, der vor rund vier Monaten in Teil 1 in seinem Lehrerdaseinsbeginn zu sehen war, in Teil 2 versehentlich zu dem wird, der die ganze Schule rettet, seine Haut auch, denn beides gehört zusammen. Der Erfolg in Teil 1 lag stark an der Figur und auch der Darstellungsweise dieses Müller durch Elyas M'Barack. Das Interessante im zweiten Teil ist, daß er eigentlich in dessen erster Hälfte recht schwach agiert, um dann in der zweiten Halbzeit das Spiel mit Punkten haushoch zu gewinnen.
Es beginnt mit dem lustlosen zum Pauker gemachten Kleinganoven, der eine Chance sieht, die Klunker, deren Stehlen zu seinem Gefängnisaufenthalt führten - was gemein war, weil die Beute verschwunden war und er trotzdem saß - diese Klunker wieder zu bekommen. Und er bekommt sie, aber wie gewonnen, so zerronnen. Sie sind weg, von ihm in einem Kuscheltier versteckt, das für die armen thailändischen Kinder gespendet wurde. Gespendet von seiner Liebsten, dieser hochmoralischen superpädagogischen Nervensäge, der liebreizenden Lisi Schnabelstedt, die Karoline Herfurth hinreißend gibt. Schade, daß sie zu Hause bleiben muß, als Müller mit schulischen Ganoven aufbricht.
Denn die Dramaturgie verlangt jetzt, daß sich Zeki Müller irgendwie nach Thailand begeben muß, um die Diamanten wiederzubekommen. Deshalb kommt besagte Bildungskampagne gerade recht, denn nun wird auch die Goethe-Gesamtschule nach Thailand fahren. Und zwar die Umweltgruppe, in die per Manipulation die Schüler der Klasse 10 des Zeki Müller geraten, zu der ja eigentlich die Lehrerin Schnabelstedt gehört, die aber, durch die Schüler mit einer Bombenattrappe im Handgepäck versehen, beim Durchleuchten am Flughafen auffliegt und wegen Terrorgefahr zu Hause bleiben muß. Eine gute dramaturgische Entscheidung, denn ab jetzt konzentriert sich alles auf Zeki Müller und seine Schüler. Leider geht uns dadurch nur Karoline Herfurth verloren. Wir sind aber sicher, daß sie in Teil 3 wieder so richtig dabei ist und freuen uns schon heute!
Und jetzt kommt der Höhepunkt insofern, als sich der Haufen Schüler aus kleinen Menschlein zusammensetzt, die alle eine Macke haben – aber, wer hat die nicht – und von denen Chantal Ackermann, deren Name einem bekannt vorkommt, es auch ist, aber „Name ist Schall und Rauch“, hat auch schon Goethes FAUST gesagt, und zuvor „ Gefühl ist alles“. Und so gibt Jella Haase diese Chantal in einer Mischung aus ordinär und lebenswarm, naiv und durchtrieben, die sie zur eigentlichen Hauptperson im Film macht. Obwohl, da stehen auch die anderen Schüler davor: Danker (Max von der Groeben), Zeynep (Gizem Emre), Burak (Aram Arami), Laura (Anna Lena Klenke) und noch viele mehr, die Eltern- und Pägagogenherzen zu Tränen rühren. Denn jedes Tierchen hat ein Pläsierchen und die Defekte der Schüler haben eben alle ihre Ursachen.
Die Konkurrenz mit dem Schiller, die nun in Thailand auf fremdländischen Boden so richtig aufläuft, auf die sind wir ungenügend eingegangen. Aber was dort Hauke Wölki als penetranter Gernegroßlehrer und sooo verantwortlicher Umweltschützer in Gestalt des Volker Bruch anstellt, ist eine herrliche Geschichte in der Geschichte. Und je länger wir schreiben, desto mehr stellen wir bei uns selbst fest: der Film hat uns viel besser gefallen, als wir dachten. Daß mit dem Holzhammer gedroschen wird und nicht mit der Nähnadel gestickt, das muß so sein, aber vieles von dem, was einem beim Schauen zu deftig, zu überzeichnet, zu laut und schrill vorkam, das verändert seinen Charakter im Nachhinein, weil der Regisseur mitsamt Drehbuch ihre Ziele glasklar herausstellen können: jeder Mensch braucht Chancen, manche brauchen eben zwei und drei, aber auf junge Menschen bauen, heißt auch jungen Menschen vertrauen, mehr als die sich selbst zutrauen. Und also ist in diesem lauten Film doch eine kleine feine Botschaft versteckt, die lohnt, drumherum tamtam zu machen.
Vor der Filmpremiere:
Erster Teil: