Drucken
Kategorie: Film & Fernsehen

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Oktober 2015, Teil 1

 

Hanswerner Kruse

 

Fulda (Weltexpresso) - Die Verfilmung des Bestsellers „Er ist wieder da“ von Timor Vermes kommt in die Kinos. Der hervorragende Film unterscheidet sich deutlich von seiner literarischen Vorlage und bewahrt dennoch ihren grotesken Geist: Oft bleibt einem das Lachen im Hals stecken.

 

Auf dem Marktplatz einer deutschen Kleinstadt sitzt Adolf Hitler und porträtiert Passanten, die begeistert seine miesen Zeichnungen kaufen. Zum Beginn der Dreharbeiten für „Er ist wieder da“ reiste das Filmteam wirklich durchs Land, um herauszufinden, wie Leute auf den Wiedergekehrten reagieren. Die Frage, darf man das, hat sich durch deren Reaktionen erübrigt. Die Menschen machten Selfies mit dem Führer, schimpften auf die Demokratie und wollten in Gesprächen mit ihm ihre Sorgen loswerden, statt sich über seinen absonderlichen Auftritt zu empören.

Die Filmgeschichte: Im Herbst 2014 erwacht Adolf Hitler (Oliver Masucci) in Berlin unweit des ehemaligen Führerbunkers. Erstaunt versucht er sich im veränderten Berlin zurechtzufinden und Parteigenossen aufzuspüren. Der arbeitslose Filmemacher Sawatzki (Fabian Busch) erkennt die Chance, mit dem vermeintlichen Führer ganz groß herauszukommen. Beide reisen durch Deutschland, die gefilmten Begegnungen Hitlers mit den „kleinen Leuten“ werden bei YouTube eingestellt und millionenfach angeklickt. Der Führer - der alles ernst meint, aber den niemand ernst nimmt - wird bald ein Comedy Star im Privatfernsehen. Nachdem er von Neonazis verprügelt wird, reißen sich sogar demokratische Politiker um ihn. Doch eines Tages ist die Karriere abrupt beendet, als Frank Plasberg (Frank Plasberg) eine unverzeihliche Episode aus seiner Vergangenheit aufdeckt: Die TV-Zuschauer haben keine Probleme mit dem ehemaligen Diktator und Massenmörder, aber Verstöße gegen den Tierschutz gehen nun gar nicht: „Das verzeiht die deutsche Seele nicht“, erfährt Hitler.

Mehr wird hier nicht verraten, denn die Verfilmung bietet auch für Kenner des Buches große Überraschungen. Regisseur David Wnendts Spielfilm schafft einen stärkeren Spannungsbogen und ist durch reale Episoden angereichert, die freilich immer wieder mit fiktiven Szenen des Romans verschwimmen. Dennoch bewahrt und transformiert Wnendt mit vielen Begebenheiten, wichtigen Dialogen und bösen Jokes den Geist der Vorlage.

Während das Buch eine reine Ich-Erzählung ist, sind im Film sowohl die Charaktere der Figuren als auch ihre Beziehungen stärker herausgearbeitet: „Ein Prachtweib“, begeistert sich beispielsweise Hitler für „die Bellini“, die seine Karriere protegiert. Zwischen beiden Akteuren knistert es kräftig erotisch.

Die wenigen prekären Situationen des Buchs löst der Film angemessener. Die überlebende jüdische Oma der Sekretärin Hitlers ist vom Erscheinen des Führers entsetzt. Ihre Gefühle und Ängste werden nicht wie in der Vorlage weg diskutiert, sondern sind in den folgenden Szenen bewahrt. Hitler wird nicht als Monster dargestellt, sondern gibt sich oft freundlich und empathisch - im Gegensatz zu anderen Filmfiguren wird er nicht überzeichnet. Sein ergebener Unterstützer Sawatzki erkennt irgendwann fassungslos Hitlers Ernsthaftigkeit. Er will ihn beseitigen doch der Führer herrscht ihn an: „Sie können mich nicht loswerden, denn ich bin ein Teil von Ihnen.“

Im Abspann des Films fährt Hitler mit „der Bellini“ durch das nächtliche Berlin und kommentiert anerkennend die eingeblendeten Bilder von Pegida-Krawallen, grölenden Nazis und brennenden Asylheimen: „Verdammt gute Arbeit!“

 

Über den Regisseur

 

Der junge Filmemacher David Wnendt hat sich bereits in seinem ersten abendfüllenden, preisgekrönten Spielfilm „Die Kriegerin“ mit Neonazis auseinandergesetzt. Die als schwierig geltende Umsetzung des Romans „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche ist ihm in seinem zweiten Film außerordentlich gut gelungen. Während er in der Verfilmung des angeblichen Skandalbuchs die hilfsbedürftige Seite der Protagonistin stärker herausarbeitete, ist der kritische Gegenwartsbezug im Hitler-Film größer als im Roman. „Ich fand es spannend, Hitler nicht nur in einer künstlichen Situation mit Schauspielern zu zeigen, sondern ihn auf echte Menschen loszulassen“, erklärte der Filmemacher. „Nur so erhält man zuverlässige Antworten auf die Fragen: Was würde passieren, wenn Hitler heute wieder da wäre.“

 

Info:

Er ist wieder da, D 2014, 110 Minuten

Regie David Wnendt mit Oliver Masucci, Fabian Busch, Christoph Maria Herbst, Katja Riemann, Franziska Wulf u.v.m. Bundesweiter Kinostart am 8. Oktober